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Yoongi PoV:

Es war merkwürdig auf dieser Bühne zu stehen und zu wissen, dass in dieser Dunkelheit hinter dem Licht knapp über Hundert Leute standen, die zuhörten.

Es war merkwürdig zu wissen, dass dies mein erster richtige Auftritt war und ich keine Ahnung hatte, wie ich mich benehmen sollte.

Es war merkwürdig, dieses Lied mit so vielen auf einmal zu teilen, denn es war eines meiner persönlichsten und geheimsten. Warum ich es gewählt hatte, konnte ich selber nicht so genau sagen.

Es war merkwürdig, dass so viele auf einmal wissen würden, was ich fühlte, was ich dachte, wie es mir ging.

Ich war nicht die offene Sorte von Mensch, ganz und gar nicht.

Doch es war irgendwie anders, meine Gefühle auf diesem Wege los zu werden, als wirklich darüber zu sprechen.

Außer Jimin und mir hatte noch nie jemand diesen Song gehört.

Ich war sehr konzentriert und merkte, wie ich mich langsam im Beat der Musik verlor, wie ich darin versank, in meiner Welt ankam und alles ausblendete.

Das Mikro hielt ich immer noch mit beiden Händen fest umklammert und die Augen waren fest geschlossen, während mein Mund Wörter bildete, meine Zunge Silben formte und meine Stimmbänder für die Höhen und Tiefen sorgten.

Mein Fuß wippte leicht auf und ab -mit dem Rhythmus im Einklang.

Es war, als hätte man einen Stöpsel gezogen und alles würde aus mir hinaus und in dieses Gerät in meinen Händen fließen. Die ganzen Gefühle, die ich in den letzten Tagen gelernt hatte zu verstecken kamen an die Oberfläche und ich merkte, wie ich begann, zu zittern.

Meine Finger schienen das Mikro zu zerquetschen, weshalb ich eine Hand wegnahm und sie zur Faust formte. Die ganze Wut, der Frust, die Trauer und der Schmerz schienen sich genau dort zu sammeln, wo meine Fingernägel in mein Fleisch schnitten.

Die Silben folgten nun schneller aufeinander, sie schienen sich zu jagen und fangen zu spielen, doch nicht auf die harmlose Art. Es war, als würden die einen wegrennen, da die nachfolgenden drohten, sie umzubringen.

Der Todeskampf, der aus meinem Mund kam, verschwand im Mikrofon und schlüpfte wieder aus den Lautsprechern hinaus, um den Zuhörern ins Ohr zu kriechen.

Auf meiner Stirn bildeten sich Falten, als ich die Wörter noch schneller ausspuckte, da es so wunderbar zum Text passte. Es schien, als könnte ich so all meine angestauten Gefühle los werden und würde mich nach und nach leeren, bis nur noch eine ausgelaugte und hohle Hülle übrig bleiben würde, die ich gerade so dringend brauchte.

Doch ich konnte nicht so verkrampft da stehen.

Mein Rücken fing von der Anspannung schon an, weh zu tun, meine Knie versteiften sich, sodass ich fast vergaß, wie man sie bewegte und meine Lunge füllte sich nicht mit genügend Luft.

Die Augen nicht öffnend ging ich ein bisschen in die Knie, streckte meinen Arm mit der Faust zur Seite und ließ dann locker. Meine Hand öffnete sich und ich richtete mich wieder etwas auf.

Es schien, als hätte jemand zuzüglich zum Stöpsel auch noch einen Schalter umgelegt.

Ich wusste irgendwie, dass man mich nicht verurteilen würde, nicht hier. Hier durfte man sein, wer man wollte und wurde angenommen und unterstützt.

Hier konnte ich mich fallenlassen.

Langsam begann ich mich im Takt zu bewegen, ging Mal vor, Mal zurück, legte den Kopf schief um dem Ton einen anderen Klang zu verleihen und unterstrich die Betonungen mit Gesten meiner freien Hand.

Before That DayWhere stories live. Discover now