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Seokjin Pov:

Ich wusste, um ehrlich zu sein, nicht, was ich machen sollte.

Sollte ich gehen, sollte ich ihn fragen was er wollte, sollte ich ihn einfach ignorieren?

Mein Gehirn schien genauso wie gestern einfach auf Wanderschaft gegangen zu sein, und ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wohin.

Doch bevor ich etwas unüberlegtes tun konte, räusterte sich Namjoon vor mir und begann zu reden:

"Du fragst dich jetzt wahrscheinlich, was das hier alles soll.", meinte er leise, während er meinem Blick nervös auswich und an seinem Hemdsaum herumspielte, "Also du solltest wissen, dass du jeden Moment gehen kannst, wenn du willst, aber ich will dich bitten, dir anzuhören, was ich zu sagen habe. Du musst auch nicht mehr von dem Zeug essen, anscheinend ist es wirklich schlimm... Ich hätte probieren sollen...", meinte er und schwieg dann, während ich überlegte.

"Ich bleibe.", beschloss ich dann und er sah überrascht auf. Anscheinend hatte er ernsthaft daran gezweifelt.

"Gut, ähm, ...danke.", sagte er und blickte auf seine Hände, "Also, ich wollte mich entschuldigen."

"Für was?", wollte ich wissen und konnte nicht verhindern, dass sich Kälte in meine Stimme schlich und ich mein Kinn ein wenig reckte.

"Für alles. Dafür, dass ich so furchtbar beschränkt war, dafür, dass ich dich nicht akzeptiert habe, dass ich die Bibliothek verlassen habe, dafür, dass ich dich... dass ich dich gestern einfach so geküsst habe, dass ich keine Rücksicht auf dich genommen habe. Dafür, dass ich dich verletzt habe. Für den ganzen Scheiß, den ich abgezogen habe, wie ein kleines Kind.", sagte er und hob am Ende seinen Blick, der vorher fest auf dem Boden gehaftet hatte, um mir eindringlich in die Augen zu sehen.

Ich hingegen hörte meinen Puls so laut, dass es schien, als würde er hinter meinem Ohr sitzen. Es war wirklich ein Wunder, dass ich überhaupt verstanden hatte, was er mir mitgeteilt hatte und gerade das bezweifelte ich.

"Bitte was?", fragte ich ungläubig.

"Es tut mir Leid, so unglaublich sehr, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr.", wiederholte er leise.

"Und warum so plötzlich? Tut mir Leid, aber das kann ich dir gerade schwer glauben.", meinte ich, auch wenn in mir eine Stimme sagte, dass ich ihm einfach um den Hals fallen sollte, so wie sie es mir eigentlich schon die ganze Zeit eingeflüstert hatte.

"Du kennst doch meine Schwester Kyungmin, oder?", fragte er und ich nickte, "Sie hat sich vor zwei Wochen ungefähr geoutet. Da war ich noch...ja... so intolerant. Jedenfalls hab ich mit ihr geredet und mir einiges anhören müssen, du weißt ja, wie sie ist. Ich weiß, es klingt unrealistisch, aber bei ihr war es irgendwie etwas anderes."

"Ander, als bei mir?", fragte ich und konnte selber den riesigen Vorwurf in meinem Ton hören, "Bin ich denn so anders?"

"Du... ich...", ich hörte, wie er mir Worten rang und fast schon verzweifelt versuchte, etwas heraus zu bringen.

"Egal.", meinte ich, obwohl es das nicht war, "Erzähl weiter."

Er sah mich entschuldigend und verzweifelt an, bevor er fortfuhr:

"Sie hat mir dann, als eine Art Experiment sozusagen, ans Herz gelegt, mich auch einmal umzuschaun, mir auch einmal die Jungs näher anzusehen. Sie wollte so sehr, dass ich auch homosexuell bin..."

"Was du aber nicht bist.", meinte ich und er sah mich, überrascht von dem festen Einwurf an.

Eine Weile blickten wir uns bloß an, ich schweigend, da ich wollte, dass er fortfuhr und er anscheinend noch nicht ganz bereit dazu.

Before That DayWhere stories live. Discover now