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Hoseok PoV:

Ji Wo ging nun schon zum sechsten mal an mir vorbei, eine Strähne ihrer Schulterlangen Haare zwischen den Fingern zwirbelnd und auf ihrer Unterlippe rumkauend. Sie hatte mich mit ihrer Nervosität schon längst angesteckt, weshalb ich unruhig mit dem Fuß über den weißen Teppich im Flur strich und an meinen Fingernägeln kaute.

"Lass das!", wies mich meine Schwester zurecht und deutete mit ihrem Kinn auf meine Finger an meinen Lippen.

"Du bist doch selber nicht besser.", schoss ich zurück und machte ihr somit bewusst, dass sie die Haarsträhne in den Mund genommen hatte und darauf rumkaute. Ich war sehr leicht reizbar, wenn ich nervös war.

Dabei hatte ich überhaupt keinen Grund dazu, es war ja nicht meine Freundin sondern Ji Wos Freund, der zu uns nach Hause kam. Doch sobald bei meiner Schwester die Gefühle verrückt spielten, steckte sie mich an und mir ging es dann nicht besser, weshalb wir nun beide wie auf glühenden Kohlen saßen und fast vor Aufregung platzten.

Sie hatte sich heute extra schick gemacht, mit einem pastellfarbenen engen Kleid und der Blume in ihren Haaren. Ich hatte mir auch eine gescheite Hose, anstatt der Jogginghosen, die ich sonst normalerweise trug, angezogen. Manchmal lief ich auch einfach in Unterhosen rum, wie zum Beispiel im Sommer, wenn es einfach so unerträglich heiß war, dass ich auf jede zusätzliche Schicht Stoff gut verzichten konnte.

Mama und Papa sahen auch ziemlich nobel aus. Papa in einem seiner besten Hemden und Mama in dem Kleid, das sie immer anzog, wenn wir mal schick Essen gingen, was nicht so oft vorkam. Beide standen am Eingang zum Wohn- und Esszimmer und sahen auch nicht gerade entspannt aus.

Jonghyun war nun schon sieben Minuten zu spät.

Es war so still, dass man die Uhr aus der Küche ticken hören konnte. In der Wohnung nebenan stritten sich die Nachbarn und auf der Straße ein paar Katzen.

Mein Vater atmete hörbar aus und ging ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch setzte und die Zeitung aufschlug, während Mama abwartend die Arme verschränkte. Zu-spät-kommen kam bei ihr gar nicht gut an.

Nach weiteren fünf Minuten ging sie in die Küche und räumte irgendwelche Gläser in die Spülmaschine worauf Ji Wo anfing, schon den Tränen nah, sich die Haare zu raufen. Die Blume fiel zu Boden, wo sie liegen blieb. Keiner hob sie auf, und beim abermaligen Vorbeigehen wäre meine Schwester fast auf sie getreten und hätte sie zerquetscht.

Es war nun schon halb neun. Ihr Freund war eine halbe Stunde zu spät und immer noch rührte sich nichts auf der Straße.

"Ich ruf ihn jetzt an.", beschloss Ji Wo mit zitternder Stimme, mit der ich sicherlich keinen Anruf getätigt hätte, und lief in ihr Zimmer um ihr Handy zu holen. Ich hörte noch, wie sich tief durchatmete und dann schallte das piepen der Leitung durch unsere Wohnung.

Ihr Freund nahm ab, doch ich verstand nicht, was er sagte. Ich konnte nur Ji Wos geflüstertes "Hi" hören und dann ihre vorwurfsvolle Stimme:

"Es ist halb neun. Wo bist du?"

Ihr Freund antwortete etwas am anderen ende der Leitung und dann zuckte ich zusammen, als meine Schwester plötzlich anfing zu schreien:

"WAS? DU HAST ES VERGESSEN?"

Ich hörte, wie sie in ihrem Zimmer nach etwas trat, wahrscheinlich ihr Nachttisch oder so und laut schluchzte.

"Sag mir jetzt nicht, das das im Hintergrund deine Freunde sind."

Ihr werter Herr Liebster sagte irgendwas, höchst wahrscheinlich entschuldigte er sich gerade ausgiebig, doch sie schnitt ihm einfach das Wort ab:

"Bedeute ich dir denn gar nichts? Weißt du eigentlich, wie wichtig der heutige Abend für mich war? Kannst du dir vorstellen, was es für ein Gefühl ist, meiner Familien jetzt sagen zu müssen, dass sie das ganze Essen, diese ganzen Mühen, die schicke Kleidung, dass das alles für die Katz war? Und das alles nur, weil mein Freund sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, sich einen einfachen Termin zu merken?... Nein, erspar mir deine Entschuldigungen, du hättest einfach kommen sollen! Verdammt, ich wollte dich meiner Familie vorstellen! Und jetzt kann ich das nicht, weil der aktuell wichtigste Mensch für mich einfach mal entschieden hat, lieber seinen Spaß MIT EIN PAAR FREUNDEN ZU HABEN, die du mir wohlgemerkt NICHT EINMAL VORGESTELLT HAST!... Ach hör doch auf damit!.... Ich bin gespannt, wie du das jetzt wieder gut machen willst!"

Before That DayWhere stories live. Discover now