Kapitel 8

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Samu blieb der Atem weg. Wie hatte sie das tun können? Er starrte seine am Boden liegende Tochter an.
„Es tut mir leid, Papa.", sagte sie leise dann schlossen sich ihre Augen mit einem letzten Flackern. Samu schnappte nach Luft
„Oh nein! Das kannst du vergessen! Du verreckst mir jetzt hier nicht!", sagte er und hob seine (hoffentlich nur) bewusstlose Tochter hoch. Das Blut floss aus einer tiefen Wunde an ihrem linken Arm und Samu musste den Brechreiz unterdrücken. Wirklich appetitlich sah das Ganze nicht aus.
Wenn das so weiter geht, dann verblutet sie noch!, dachte er und versuchte erfolglos die aufsteigende Panik zu verdrängen. Er legte Suvi auf ihre Jacke im Raum und zog seinen Schal aus. Er versuchte den Schal um ihren Arm zu wickeln, was aber nicht so gut klappte, da sie noch immer auf dem Boden lag. Daher setzte er Suvi auf und lehnte sie gegen die Wand um besser an ihren Arm zu kommen. Jetzt konnte er ihren Arm fast Problemlos in den Schal wickeln. Er bemühte sich es feste aber trotzdem nicht zu stark fest zu binden. Er machte einen Knoten und begutachtete den provisorischen Verband ehe er Suvi wieder in ihre Jacke hüllte und zum Auto trug. Dort setzte er einen Notruf ab, in dem er einer hilfsbereiten Dame erklärte was vorgefallen war, und dass er jetzt sofort mit Suvi ins Krankenhaus fuhr.
Er hatte noch nicht aufgelegt da war er auch schon wieder aus dem Auto gesprungen und zur Rückbank gelaufen. Mit zitternden Fingern schnallte er seine auf der Rückbank liegende Tochter an und hoffte, sie würde während der Fahrt nicht runter fallen. Dann eilte er zurück nach vorne und startete den Motor.
Doch ehe er los fuhr, zwang er sich zu ein wenig Ruhe. Davon das er jetzt hektisch über die Straßen Finnlands raste, würde es Suvi auch nicht besser gehen. Dann legte er den Gang ein und ließ das Auto durch den Wald rollen bis er auf der Straße war und dort jeden überholte der unter 80 fuhr.

Samu hielt mit quietschenden Reifen vor dem Krankenhaus. Er wusste nicht, wie viele Blitzer er mitgenommen hatte, doch das war auch egal. Auf der Fahrt hat Suvi zwei Mal kurz das Bewusstsein erlangt es aber keine fünf Minuten lang halten können. Samus ehemals weißer Schal war nun schon fast vollständig rot. Er schnallte Suvi ab und trug sie ins Krankenhaus hinein. Dass sie eigentlich zu schwer war um getragen zu werden, merkte der blonde Finne nicht.
„Was kann ich... ah ich seh' schon! Herr Haber, richtig?", fragte eine kleine, etwas breiter gebaute Dame hinter der Information. Samu nickte und die Dame rief über ein Telefon jemanden an. „Kommen Sie bitte mit, Herr Haber.", sagte sie und ging vor durch einen hell erleuchteten Gang. Samu folgte ihr und erschrak als Suvi ein gequältes Stöhnen von sich gab.
„Suvi, geht es?", fragte er und hätte sich im nächsten Augenblick schon selber dafür schlagen können.
Natürlich geht es nicht! Oh Gott Herr Haber, wie selten blöd kann ein Mensch sein? Sie hat gerade fast Suizid begangen, da geht es ihr bestimmt hervorragend!, dachte er und verdrehte die Augen. Zum Glück, reagierte Suvi nicht auf die Frage, sondern versuche sich aufzurichten.
„Ah ah, du bleibst schön auf meinem Arm.", sagte Samu und sah sie streng an. Suvi gab ein weiteren Seufzer von sich, hörte dann aber auf sich zu bewegen. „Siehst du. Geht doch.", sagte Samu und blieb stehen. Die Dame vor ihm öffnete eine Tür und bedeutete Samu mit einer Kopfbewegung in das Zimmer zu gehen. Samu nickt und trat ein. Drinnen saß ein älterer Mann in einem weißen Kittel und starrte auf einen PC.
„Hallo, Doktor Paakkanen.", sagte sie.
„Ah guten Tag, Frau Tronti. Was kann ich für Sie tun?", fragte der Doktor ohne von seinem PC aufzusehen.
„Doktor, das hier ist Herr Samu Haber. Seine Tochter, Suvi hat sich mit einem Messer in die Schlagader geschnitten und blutet seitdem unaufhörlich.", erklärte Frau Tronti. Der Doktor sprang auf.
„Worauf warten sie dann noch? Sofort Narkose, OP vorbereiten, die Kollegen alle her. Wo ist Doktor Niutanen?", rief er hektisch und wandte sich dann an Samu. „Bitte, Herr Haber, legen Sie Ihre Tochter hier auf dieses Bett.", er deutete auf ein Bett und Samu nickte. Er legte Suvi darauf und sah in ihr Gesicht. Sie hatte ihre Augen geschlossen und es brach Samu das Herz sie so sehen zu müssen. Auf einmal sprang die Türe auf und einige weitere Ärzte stürmten hinein. Samu machte sofort Platz. Unter gar keinen Umständen, wollte er die Operation stören. „Kommen Sie, Herr Haber. Während der OP dürfen Sie nicht anwesend sein.", sagte Frau Tronti und führte Samu zurück in die Empfangshalle.

Unruhig ging Samu in der Halle hin und her. Sämtliche andere Leute starrten ihn an, als wäre er ein verrückter. Doch das störte ihn nicht. Er machte sich Sorgen und gab sich für alles was passiert war selber die Schuld.
Man hätte sie auch netter fragen können... und warum glaubst du auch Leuten auf der Straße, du Depp. Sie ist deine verdammte Tochter! Wie kannst du ihr nicht vertrauen?!, dachte er und trat frustriert mit der Schuhspitze auf den Boden.
„Herr Haber, das ist ja nicht zum aushalten mit Ihnen!", Frau Tronti kam ihm entgegen und schüttelte den Kopf. „Sie gehen jetzt erst einmal Kaffee trinken.", sagte sie in einem Ton der keinen Widerspruch gelten ließ. Samu nickte und folgte ihr in die Cafeteria. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und stützte den Kopf auf die Hände.
„So, hier haben sie einen Kaffee. Zucker und Milch sind dort.", Frau Tronti stellte vor ihm eine Tasse ab und Samu bedankte sich mit einem Lächeln bei ihr. Dann blieb er alleine dort sitzen und grübelte vor sich hin. Die Angestellten des Hauses hatten ihm schon vor zwei Stunden gesagt, er könne noch nach Hause fahren da die OP noch mindestens eine Stunde laufen würde. Doch Samu hatte sich strikt dagegen geweigert. Er wollte und würde seine Tochter hier nicht alleine lassen. Und wenn er auf dem Fußboden schlafen musste.
Samu hatte keine Ahnung, wie lange er schon da saß. Aber es musste recht lange gewesen sein, denn auf einmal kam eine Krankenschwester herein und sagte:
„Herr Haber, Sie können zu Ihrer Tochter. Sie ist zwar noch immer in Narkose, aber vielleicht wollen Sie bei ihr sein..."
Sofort sprang Samu auf, legte einen Zehner auf den Tresen und folgte der Schwester.

Suvi lag in dem Bett und tat nichts. Sie lag einfach da und rührte sich nicht. Wie auch? Sie war bewusstlos.
Auf einmal ging die Türe auf, und eine Krankenschwester kam mit Samu im Schlepptau herein. Samu ging auf seine Tochter zu, nahm ihre Hand und drückte sie sachte. Er spürte wie langsam Tränen in ihm aufstiegen und er zwang sich, diese Emotion herunter zu schlucken. Er wollte nicht vor der Krankenschwester weinen. Er ließ Suvis Hand wieder los und nahm sich einen Stuhl. Dann ließ er sich neben dem Bett nieder und wandte sich an die Schwester:
„Danke sehr. Ich glaube aber, Sie werden woanders gebraucht."
Die Schwester wurde etwas rot und verschwand dann wieder. Jetzt war Samu mit seiner bewusstlosen Tochter alleine.   

SEINE Tochter (Samu Haber)Where stories live. Discover now