Kapitel 19

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Nachdem alle sich von dem Grab und somit auch von Aliisa verabschiedet hatten, fuhren sie in ein Gasthaus in der Nähe. Samu hatte den Keller reserviert und schön schmücken lassen. Jeder hatte seinen eigenen Platz mit einem kleinen Kärtchen worauf in geschwungener Schrift der Name stand. Wenn Suvi genau nachdachte, fiel ihr auf, dass sie das gar nicht geplant hatten.
„Papa, wann hast du das alles geplant?", fragte sie ihn leise nachdem sie ihre Plätze eingenommen hatten.
„Immer wenn ich aus dem Krankenhaus zurückgekommen bin habe ich noch ein wenig gearbeitet. Manchmal auch bevor ich zu dir gekommen bin.", lächelte er etwas.
Suvi lehnte ihren Kopf an seinen Arm und sagte: „Ich werde nie wieder behaupten, du könntest nichts organisieren. Es ist alles so wunderschön.", sie lächelte ihren Vater traurig an.
„Dann habe ich doch etwas erreicht.", sagte er leise und nahm sie in den Arm. „Kannst du gleich singen, oder bist du zu traurig?", fragte er.
Suvi seufzte. „Ich schaffe das schon.", sagte sie und Samu lächelte stolz.
„Ich denke auch, dass du das schaffst. Solange keiner von uns mitten auf der Bühne anfängt zu weinen, kann es gar nicht so schlimm werden!"
Suvi nickte und stand auf. Sie nahm ihre Gitarre in die Hand und sah ihren Vater erwartungsvoll an.
„Bereit?", fragte sie ihn.
„Bereit wenn du es bist.", gab Samu grinsend zurück.
Suvi lächelte und nickte. „Dann los."
Sie atmete ein letztes mal aus, dann ging sie auf die kleine Bühne zu auf der bereits zwei Mikrofone und zwei Stühle standen. Sie legte ihre Gitarrentasche auf die Bühne und kletterte hoch. Samu folgte ihr und legte seine Gitarre neben ihre.
Kurz darauf saßen beide mit In-Ears ausgestattet auf den Stühlen, hatten die Mikrofone eingestellt und waren bereit zum Singen. Sie sah ihren Vater an und dieser nickte. Ohne etwas zu sagen, begannen sie mit dem Intro von ‚Tears in Heaven' (Von Eric Clapton)

Would you know my name?
If I saw you in heaven
Would it be the same?
If I saw you in heaven

I must be strong
And carry on
'Cause I know I don't belong
Here in heaven
(...)

Suvi hatte ihre Augen geschlossen während sie den Song gemeinsam mit ihrem Vater sang. Sie hörte wie jemand unter den Gästen schniefte und öffnete die Augen wieder. Es war ihre Oma. Sie weinte. Offenbar hatten Suvi und Samu sie berührt.
Suvi sah zu Riku der ein Handy gezückt hatte und den Auftritt aufnahm. Dann sah sie wieder zu ihrer Oma, die in ihr Taschentuch weinte. Irgendwie tat sie ihr doch leid... auch wenn Eliisa ihren Vater ziemlich beleidigt hatte, konnte Suvi sie so nicht sehen. Sie stand auf, nahm die In-Ears aus dem Ohr, legte die Gitarre in ihre Tasche und sprang von der Bühne. Sie lief zu ihrer Oma und nahm sie in den Arm.
Wie ich gelernt habe, brauchen Menschen manchmal einfach eine Umarmung um nett zu werden..., dachte Suvi und erinnerte sich an ihr Ich vor ein paar Wochen. Vielleicht ist Oma gar nicht so fies... sie braucht nach Opas Tod vielleicht auch einfach mal jemanden, der sie umarmt. Überlegte sie weiter und drückte ihre Oma noch etwas fester.
Samu saß noch immer auf der Bühne und beobachtete seine Tochter. Er wusste nicht, ob er eifersüchtig sein sollte, oder nicht. Er blickte zu Riku rüber der das Ganze noch immer filmte. Doch dann sah er einmal zu dem blonden Finnen auf der Bühne und schüttelte warnend den Kopf. Samu nickte kaum merklich und legte seine Gitarre ebenfalls weg. Allerdings ging er nicht von der Bühne runter sondern nahm das Mikrofon in die Hand. Er nahm die In-Ears aus den Ohren und räusperte sich. Sofort hatte er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.
Er atmete nervös aus und holte aus seiner Hosentasche einen Zettel. Er hatte extra eine Rede geschrieben:
„Wenn ich einmal um Ihre, eure, Aufmerksamkeit bitten könnte... ich wollte eigentlich nur kurz etwas sagen.
Ich wollte sagen, dass Aliisa ein wundervoller Mensch war. Klar, sie konnte nicht viel unternehmen nachdem bei ihr diese Krankheit diagnostiziert wurde, aber sie war trotzdem immer offen für neue Dinge.
Als ich sie kennen gelernt habe, war es mitten in der Nacht und wir waren beide ziemlich betrunken. Aber nach diesem Festival erinnerte ich mich noch immer an sie. Ich habe das gesamte Internet auf den Kopf gestellt, um etwas über sie heraus zu finden, und es ist mir gelungen. Ich habe ihr eine Nachricht geschrieben und wir haben uns getroffen.
In den nächsten Jahren sollte sich einiges für uns ändern. Nicht nur, dass wir eine Tochter bekommen hatten, sondern auch, dass auf einmal Sunrise Avenue Erfolg hatte. Ich hatte immer viel zu wenig Zeit für sie und trotzdem hat sie sich immer gefreut, wenn ich zurückgekommen bin. Sie war eine treue Freundin und eine wundervolle Mutter. Anders als ich. Ich hatte Angst vor der Verantwortung und habe sie alleine gelassen.
Ich finde es schrecklich, dass sie sterben musste, damit ich verstehe, was für ein schlechter Vater ich war. Ich finde es schrecklich, dass sie gestorben ist als sie mich vom Flughafen abholen wollte. Aber ich weiß, dass sie nicht wollen würde, dass wir ihr alle nachtrauern.
Es tut mir weh, zu wissen, dass mindestens zwei Leute auf dieser Erde, mir den Tod von ihr anhängen werden. Aber ich weiß, dass sie im Himmel leben kann, ohne Schmerzen und mit einem Mann, den sie verdient hat. Nicht mit so jemanden der sie mit einem neugeborenen Kind alleine lässt und nur ganz selten da ist.
Nicht mit so jemanden wie ich es war."  

SEINE Tochter (Samu Haber)Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora