SEINE Tochter (Samu Haber)

Kapitel 2

Als Suvi aussteigt, fiel ihr natürlich sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Nur was das konnte sie noch nicht sagen. Wie jeden Morgen ging sie ohne auf ihre Umgebung zu achten auf das Schulgelände und in das Gebäude rein. Sie ging ohne jemanden anzusehen und mit starrem Blick. Wenn sie von jemandem angerempelt wurde, ging sie weiter ohne die Miene zu verziehen. Im Klassenraum angekommen setzte sie sich an den Einzeltisch am Ende des Raumes neben dem Fenster und holte eine Zigarette aus der Jackentasche. Während sie in Seelenruhe eine rauchte, kamen ihre Klassenkameraden und fingen an zu tuscheln. Doch Suvi hatte noch immer ihre Kopfhörer in den Ohren und hörte nicht das kleinste bisschen mit. Als ihr Geschichtslehrer den Raum betrat, warf Suvi schnell die Zigarette aus dem Fenster und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Lehrer.
„Guten Morgen Schüler! Setzt euch."
Das mochte Suvi an ihrem Geschichtslehrer. Er war immer sehr direkt und wenn ihm etwas nicht passte, dann sagte er das auch.

Es war große Pause. Suvi war auf dem zugefrorenen Pausenhof und trainierte. Das tat sie immer wenn sie keine Lust hatte, sich mit jemandem unterhalten zu müssen. Nicht das sich jemand mit ihre unterhalten wollte, aber trotzdem trainierte sie. Gerade vollführte sie eine anstrengende Drehung mit einem Doppeltritt. Sie sah aus dem Augenwinkel, wie eine Gruppe von Zweitklässlern versuchte ihre Bewegungen nachzumachen. Einer der Jungen legte sich dabei versehentlich auf die Nase. Suvi unterdrückte ein kichern. Sie hörte in der Bewegung auf, und ging zu den drei Kindern hinüber.
„Darf ich euch zeigen, wie ihr das macht ohne hinzufallen?", fragte sie und deutete auf den kleinen Jungen. Die Augen der kleinen weiteten sich und Suvi lächelte aufmunternd.
„Oh ja gerne!", sagte eines der Mädchen. Und machte mutig einen Schritt auf Suvi zu. Nachdem sich das Mädchen getraut hatte, trauten sich auch der Junge und das andere Mädchen.
„Wir fangen aber mit etwas einfacherem an. Ist das in Ordnung?", fragte sie. Auf keinen Fall wollte sie, dass die Kinder sich verletzten oder doch Angst vor ihr bekamen. Die drei nickten wie wild und Suvi nickte.
„Wir lernen erst einmal, einen ordentlichen Tritt.", sagte sie und die Augen der kleinen fingen an zu leuchten wie die Sterne. Suvi zeigte ihnen noch die ganze Pause einfache Bewegungen und war überrascht, wie schnell die kleinen Lernten.
Als es Klingelte fragte Suvi: „Wie heißt ihr?"
Das Mädchen welches auch eben schon so mutig gewesen war sagte: „Das sind Antti und meine beste Freundin Lumi. Und ich bin Mervi."
Suvi lächelte. „Schön, euch kennenzulernen. Ich bin Suvi."
Lumi und Mervi sahen sich an und Antti antwortete: „Können wir das morgen noch einmal machen?", die Kinder sahen Suvi so flehentlich an, sie konnte gar nicht nein sagen.
„Aber klar. Wenn ihr wollt, dann treffen wir uns morgen in der großen Pause wieder hier."
Wie wild nickten die drei. Schnell verabschiedeten sie sich von einander und Suvi eilte zurück in ihren Unterricht.

Der Unterricht lief ungefähr eine halbe Stunde, da ertönte das Signal einer Ankündigung. Sofort herrschte Totenstille im Klassenraum und alle lauschten gespannt der Durchsage.
„Suvi Haber, bitte ins Sekretariat."
Suvi erstarrte. Was hatte sie denn jetzt wieder verbrochen?
Na das kann ja heiter werden!, dachte sie während sie ihr Mäppchen in den Rucksack packte. Gefolgt von allen Blicken verließ sie den Raum ohne ein Wort zu sagen. Im Sekretariat angekommen, erwartete sie eine ewig lange Rede von irgendwem, darüber das sie sich doch gefälligst besser benehmen sollte. Doch es kam ganz anders. Als sie das Sekretariat betrat, wurde ihr nur ein Telefon in die Hand gedrückt.
„Hallo? Suvi Haber hier.", sagte sie vorsichtig.
„Guten Tag, hier spricht Hauptkommissar Alihanka. Ich muss Ihnen leider schlechte Nachrichten überbringen.", er machte eine verheißungsvolle Pause. „Mein Beileid Fräulein Haber, Ihre Mutter ist bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen. Sie starb noch am Unfallort."