Kapitel 1

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Es war ein kalter Tag in Finnland. Draußen war es noch stockfinster und Suvi stand an ihrem Zimmerfenster. Draußen lag Schnee und der See war zugefroren. Suvi seufzte. Wie gerne würde sie jetzt mit ihrem Vater draußen in der Kälte stehen und Eishockey spielen. Doch ihr Vater war nicht da. Samu Haber war nicht in Finnland.
Suvi drehte sich von dem Fenster weg. Je länger sie raus sah, desto mehr vermisste sie ihren Vater. Eigentlich hatten er und sie keinen besonderen Draht zueinander. Samu war in den letzten dreizehn Jahren immer sehr wenig da gewesen, und Suvi war eigentlich vollständig von ihrer Mutter erzogen worden. Doch ihre Mutter war...wie soll man sagen... anders. Sie hatte eine seltene Krankheit und konnte darum nur ganz selten aus dem Schlafzimmer. Suvi stand morgens alleine auf, ging alleine zur Schule, kam alleine zurück, aß alleine und machte alleine ihre Hausaufgaben. Eigentlich war sie ziemlich einsam. Doch das merkte sie kaum. Sie machte Musik. Alleine. Manchmal wünschte sie sich insgeheim, dass ihr Vater es einmal merken würde und sie dafür lobte. Aber er tat es nie. Entweder war er gar nicht da, oder er hatte wichtigeres zu tun. Suvi spielte Gitarre, Klavier und Schlagzeug. Allerdings musste sie zum üben immer eine halbe Stunde mit dem Bus fahren, um in eine kleine Hütte mitten in einem kleinen Wald zu kommen wo sie dann spielen durfte. Zuhause konnte sie nicht üben, da ihre Mutter sonst immer Anfälle bekam. Eigentlich, wäre das alles für Suvi überhaupt kein Problem, wenn sie wenigstens in der Schule ein paar Freunde hätte.
Trotz ihres Vaters war sie sehr unbeliebt. In ihrer Klasse gab es vier Gruppen, und Suvi. Keine der Gruppen wollte Suvi bei sich haben. Jede Gruppe hatte ihr schon eine Mutprobe gestellt und Suvi hatte sie immer gemacht. Einmal, hatte sie bei einer Mutprobe in einen Laden einbrechen müssen. Eine andere war gewesen, dass sie rauchen musste. Und trotzdem hatte sie keine Freunde. Die anderen hatten nämlich Angst vor ihr. Schon seit dem sie ganz klein war machte sie sämtliche Kampfkünste und nahm es schon mit den Erwachsenen auf. Die anderen in ihrer Klasse wollten nichts mit Suvi am Hut haben. Inzwischen kam Suvi damit klar, dass sie alleine war. Wenn die anderen über sie lästerten, schaltete sie auf Durchzug ignorierte alles. Nun stand sie hier, am Fenster und schaute in die Dunkelheit. Aus Deutschland sollte heute ihr Vater ankommen. Sie seufzte noch einmal, und zog sich an. Etwas anderes blieb ihr schließlich nicht übrig. Es war wieder Schule, und sie musste ihrem Vater und ihrer Mutter Freiraum geben. Als sie fertig war, ging sie auf leisen Sohlen nach unten wo sie geschockt stehen blieb. (alle Unterhaltungen sind derzeit auf Finnisch, aber mein finnisch ist nicht so besonders gut... :P)
„Mam?", fragte sie vorsichtig.
„Suvi, wie siehst du denn aus? So kannst du doch nicht zur Schule gehen!," empörte sich Aliisa, die Mutter von Suvi. Skeptisch sah Suvi an sich herunter. Sie trug schwarze Schuhe, eine schwarze Hose und unter ihrer Schwarzen Winterjacke verbarg sich noch eine schwarze Lederjacke. Auf dem Kopf hatte sie eine schwarze Mütze. Und sie trug eine schwarze Lederkette.
„Wäre es dir lieber, wenn ich die Kette hier lasse?", fragte sie vorsichtig. Nicht, dass sie es wirklich täte, aber wenn es ihre Mutter beruhigte.
„Das wäre zu mindestens schon einmal ein Anfang.", sagte Aliisa und widmete sich wieder den Unterlagen auf dem Tisch.
„Ich gehe jetzt deinen Vater abholen. Du bist also alleine wenn du zurück kommst.", sagte sie ohne aufzusehen.
„Nicht, dass es je anders gewesen wäre...", murmelte Suvi die sich inzwischen die Kette in die Tasche gestopft hatte. „Okay. Kommen Riku und die anderen auch heute?", fragte sie etwas lauter und holt aus dem Schrank eine Schüssel für ihr Müsli.
„Weiß ich nicht. Aber du brauchst nicht zu kochen.", jetzt schaute Aliisa auf. „Viel Spaß in der Schule."
„Danke.", antwortete Suvi und goss halbherzig die Milch über die Haferflocken. Ihre Mutter verließ das Haus und Suvi zog sich die Kette wieder an. Nachdem sie aufgegessen hatte, stand auch sie auf und verließ wie jeden Morgen das Haus und ging zum Bus. Dort angekommen, stieg sie ein und sofort machten einige Sechstklässler ihr einen Platz frei. Suvi wollte nie gefährlich wirken. Aber seitdem sie einmal einen Oberstufenschüler halb bewusstlos geprügelt hatte, hatten alle Angst vor ihr. Das hatte den Vorteil, wenn sie etwas wollte brauchte sie sich nicht einmal dafür anzustrengen. Allerdings hatte es den Nachteil, dass sie immer alleine war. Sie steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und lauschte dem Gesang ihres Vaters.

SEINE Tochter (Samu Haber)Where stories live. Discover now