Kapitel 56

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Als das Knacken ertönte, gefror Suvi das Blut in den Adern. In ihrem Kopf rauschte alles, ihre Füße waren eingeschlafen und ihre Augen brannten. Ihr war schwindelig und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Ich bin tot.
Das war das einzige was sie dachte. Es war totenstill und doch viel zu laut.
„Nicht bewegen...", sagte Samu. Suvi sah zu ihm und sah, wie Charlott sich an ihn krallte. Jetzt brachen alle Dämme. Sie weinte und ihre Tränen tropften nach unten. Sie wollte nicht mehr und konnte auch nicht mehr.
„Suvi bitte, hör auf zu weinen.", flehte Samu, doch Suvi hörte ihn nicht.
Ich will nicht mehr! Warum können die mich nicht einfach wieder runter lassen!, dachte sie und schrie ihre Entführer gedanklich an. Schnell hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie wollte diese Schmerzen nicht mehr ertragen. Eine einzige Bewegung trennte sie noch vom Tot.
„Ich habe dich lieb, Papa.", sagte sie und wandte sich ein letztes Mal in der Zwangsjacke. Der Hacken löste sich vollständig und Suvi stürzte auf den Boden zu.

Charlott schrie und Carlos stand wie immer bewegungslos da. Samu allerdings hatte keine Zeit, um in Schreckstarre zu verfallen. Suvi fiel immer weiter auf den Boden zu. Er stieß Charlott von sich weg und sprang mit einem Satz nach vorne. Noch im Sprung griff er nach dem gefesselten Körper seiner Tochter und riss sie mit. Er drehte sich etwas und so landete sie auf ihm und gemeinsam fielen unsanft auf dem kalten Boden. Samus Kopf knallte auf den Boden und ein stechender Schmerz durchzuckte ihn.
Suvi hatte die Augen während des Sturzes zusammen gepresst und als sie gegen den Körper ihres Vaters gedrückt wurde, durchfuhr sie eine Welle von Erleichterung und Angst. Unsanft landete sie auf ihm und hörte, wie sein Kopf gegen den Boden knallte. Sofort riss sie geschockt die Augen auf. Ihr Vater gab ein schmerverzerrtes Stöhnen von sich und Suvi fing wieder an zu weinen.
„Papa...", flüsterte sie und Samu richtete sich etwas auf.
„Mein Kopf...", murrte er und rieb sich den Hinterkopf. Doch sein Schmerz war schnell vergessen. Er drehte Suvi auf den Bauch und öffnete die Jacke. Als er ihren Rücken sah, blieb ihm der Atem stehen.
„Was haben die getan?", fragte er leise.
„Es war ein Gürtel...", erklärte Suvi ebenso leise und zog sich den Rest der Jacke selbstständig wieder aus. In einer Ecke der Halle lag ihr Shirt und sie ging mit etwas wackeligen Knien darauf zu und zog es an. Dann ging sie zurück zu ihrem Vater, der inzwischen auch aufgestanden war. Er wollte Suvi zu sich ziehen und sie einfach in den Arm nehmen. Doch Charlott lies das nicht zu. Sie holte mit dem langen Gürtel aus und ließ ihn in Richtung Suvi schnellen. Tatsächlich traf sie das Mädchen noch einmal an der Schulter. Doch dieses Mal war Suvi nicht gefesselt und konnte sich wehren. Sie griff an dem Gürtel und entriss ihn der Frau.
„Was wollt ihr mir tun? Gegen Carlos hat keiner von euch eine Chance.", öachte Charlott und Suvi und Samu sahen sich an.
„Das sehen wir dann.", murmelte Suvi. Ihre gesamte Willenskraft war wieder zurück und auch der Schwindel lies nach. Sie ließ den Gürtel fallen. Auf ein so niedriges Niveau wollte sie sich nicht nieder lassen. Angetrieben von ihrer Wut sprang Suvi mit etwas Anlauf auf Charlott zu und traf die junge Frau an der Brust. Sofort kippte der untrainierte Körper unter dem Schwung und der Kraft weg und Charlott fiel hin.
Carlos allerdings ging jetzt auf Suvi los. Er wurde aber aufgehalten. Samu war dermaßen wütend auf die beiden, weil seine Tochter durch sie so viele Schmerzen erleiden musste, dass er blind wurde. Er riss Carlos weg und schlug blindlings auf ihn ein. Carlos traf Samu zwar auch ein paar Mal, aber das spürte dieser gar nicht.
Suvi hatte inzwischen von Charlott abgelassen. Sie war der Meinung, eine gebrochene Nase sollte fürs erste reichen und wandte sich ihrem Vater und Carlos zu. Samu hatte in diesem Kampf ganz klar die Überhand und Carlos sah so aus, als würde er gleich aufgeben.
„Ich geben auf!", rief Carlos tatsächlich, doch Samu hörte nicht auf.
„Papa, er hat sich ergeben!", rief Suvi. Sie wusste nicht, warum sie Mitgefühl ihm gegenüber zeigte, aber am Ende hatte er ihr nichts getan.
„Hoffen wir es.", schnaubte Samu und lies den erschlafften Körper los. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Nase und merkte, dass er dort blutete. Suvi rannte auf ihren Vater zu und schlang ihre Arme um ihn.
„Ich hatte solche Angst.", flüsterte sie und Samu drückte sie an sich.
„Ich auch.", gab er zu und eine Träne trat aus seinem Auge und fiel auf Suvis Kopf. Eine Weile standen sie einfach so da. Blutend und in den Armen des Anderen.
Nach einer Weile löste Samu sich allerdings von seiner Tochter und kniete sich hin.
„Hat sie dich wirklich mit dem Gürtel geschlagen?", fragte er und Suvi nickte. Wüten schüttelte Samu den Kopf und drückte Suvi noch einmal.
„Wir rufen jetzt Polizei und Krankenwagen.", sagte er und holte sein Handy aus der Tasche.
„Warum hast du die Polizei denn noch nicht gerufen, wenn du dein Handy doch dabei hattest?", fragte Suvi und Samu sah sie an.
„In dem Brief stand, wenn ich das tue bekommst du es zu spüren. Ich wusste ja nicht, dass sie dich schon so dermaßen verletzt hatten.", erklärte er gerade als der Beamte an der anderen Leitung abhob.
„Bitte was?", kam es auf Deutsch zurück und Samu erklärte schnell auf Englisch was vorgefallen war.
Zehn Minuten später wurde die Firma von Beamten gestürmt und Suvi und Samu in einen Krankenwagen gebracht, der sie ins Krankenhaus fuhr. Auch Charlott und Carlos wurden in ein Krankenhaus gebracht.
Allerdings ins Gefängniskrankenhaus.      

SEINE Tochter (Samu Haber)Where stories live. Discover now