Kapitel 52

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Hermines Sicht

Müde. Ich fühlte mich einfach müde.

Müde und leer.

Kurz rieb ich mir über die Augen. Du schaffst das, Mine, versuchte ich mich anzutreiben und dem Unterricht weiter zu folgen.

War Verwandlung schon immer dermaßen langweilig gewesen?

Meine Blicke schwiffen vom Lehrbuch ab zu Malfoy. Ich hasste mich selbst dafür, aber ich konnte trotzdem nicht aufhören ihn Tag für Tag zu beobachten.

Heute bildete der Slytherin ein noch traurigeres Bild als gestern. Seine blasse Haut wirkte fahl, seine sonst sanft schimmernden blonden Haare matt und kraftlos. Auch seine Schuluniform hing an ihm herab.

Malfoys Gewichtsverlust bereitete mir ernste Sorgen. Seine Wangenknochen stachen zu sehr hervor und seine breiten Schultern hatten sich zurückentwickelt.

Gerne hätte ich mit ihm gesprochen, hätte mich mit ihm versöhnt, aber es ging nicht. Ich wollte keine Affäre sein. Ich wollte die Frau an seiner Seite sein. Da er Astoria Greengrass heiraten wollte, gab es keine Zukunft für uns.

Solange Malfoy die Verlobung mit Greengrass nicht beendete, machte das mit uns keinen Sinn. Egal wie sehr ich es mir wünschte.

Ich dachte immer wieder an den Tag unserer Trennung zurück. Wie hatte er nur glauben können, dass ich mich auf sowas einlassen würde? Waren seine Gefühle für mich vielleicht doch nicht so stark wie er mir vermittelt hatte? Wenn er mich wirklich liebte, würde er dann nicht die Verlobung stoppen?

Warum ging es ihm dann so schlecht? Sah Malfoy dermaßen schrecklich aus wegen unserer Trennung oder hatte das eine andere Ursache?

Es gab zu viele unbeantwortete Fragen, die mich beschäftigten. Dennoch hatte ich keine Möglichkeit Antworten zu erhalten - außer ich sprach mit Malfoy.

Nein. Ich würde nicht zuerst angekrochen kommen. Malfoy musste schon selbst verstehen, was er zu tun hatte.

Die Chancen standen jedoch nicht gut, dass er etwas unternehmen würde. Malfoy war nicht für seinen Mut bekannt. Und schon gar nicht widersprach er seinen Eltern.

Mine, sagte ich mir, du musst endlich über ihn hinwegkommen und die ganzen Fragen ein für allemal aus deinem Gehirn verbannen.

Den Rest der Stunde sah ich stur nach vorne - selbst als ich Malfoys Blicke auf mir spürte.

Nein, das stimmte leider nicht. Ihr habt mich ertappt. Nach nur fünf Sekunden sah ich wieder zu ihm.

Die Traurigkeit in seinen stürmisch grauen Augen erschütterte mich. In dem Moment spürte ich, dass er genauso litt wie ich.

Leise seufzte ich. Es war einfach nicht fair. Warum musste er verlobt sein?

Richtig. Die Verlobung. Die Verlobung, die er nicht auflösen wollte.. Oder konnte.. Vielleicht..

Nein, Mine. Entweder er löste die Verlobung auf oder es blieb dabei. Kein Malfoy.

Ich holte tief Atem und sah wieder zum Pult.

Nach nur kurzer Zeit allerdings starrten Malfoy und ich uns wieder an. Mein Magen zog sich zusammen ihn dermaßen niedergeschlagen zu sehen.

Zum Glück erlöste mich das Läuten der Glocken. Der Unterricht war zu Ende.

Schnell ergriff ich mit Ginny an meiner Seite die Flucht. Die Rothaarige musste gar nicht nachfragen. Sie wusste, was los war.

Ohne Worte eilten wir die engen Gänge entlang in die Große Halle, die heute besonders schön dekoriert war. Über unseren Köpfen wirbelten orangene und gelbe Blätter umher, die sanft von der untergehenden Sonne beleuchtet wurden.

Harry und Ron warteten bereits auf uns. Sie hatten Verwandlung für Fortgeschrittene nämlich nicht belegt.

Die beiden stopften sich wie gewohnt die Männer voll. An Rons Kinn klebte schon die Soße.

Solche Schweine, dachte ich mir innerlich lachend.

„Hey Mine", grüßte mich Harry nachdem er heruntergeschluckt hatte und drückte Ginny einen Kuss auf die Wange.

Ron brabbelte noch mit vollem Mund ein „Hallo". Typisch. Manche würden sich nie ändern.

„Hey, wie war euer Tag so?", ich saß mich ihnen gegenüber auf die Bank.

Ron brabbelte gleich darauf los, wie cool das Training heute Vormittag war. Anscheinend hatte er jeden Wurf abfangen können.

Ich war froh, dass Ron seit ein paar Tagen wieder mit mir sprach. Meinen besten Freund wollte ich nicht missen müssen.

Zwar fand ich Quidditch nach wie vor langweilig, aber ihm zuliebe hörte ich interessiert zu, während ich meine Suppe schlürfte. Die Tomatensuppe war wie immer vorzüglich. Ich musste mich zusammenreißen nicht so unanständig wie die beiden Jungs zu essen.

Ginny zwinkerte mir zu, während Ron sich weiter und weiter in Quidditch hineinsteigerte. Sie wusste, wie erleichtert ich war, dass Ron und ich uns wieder als Freunde annähern konnten.

„Und bei dir, Hermine? Wie war Verwandlung?", beendete Ron seine ausführliche Erzählung.

„Wir haben heute über die Restriktionen von Verwandlung gesprochen. Wusstest du, dass man bei jeder Anwendung dem Körper fünf Stunden Joggen abverlangt? Das war echt ein interessanter Vergleich. So habe ich das noch nie betrachtet. Professor McGonagall meinte, dass man aufgrund dieser hohen Belastung bei regelmäßiger Anwendung den Körper zu sehr austrocknet und in Gefahr bringt. Manche seien schon kollabiert deswegen."

„Oh ja, das ist echt interessant", Ron stopfte sich den Hähnchenschenkel beinahe auf einmal in den Mund. Harry verkniff sich ein Lachen.

Ich wusste genau, dass Ron meine Ausführung gelangweilt hatte. Dennoch fand ich es schön, dass er mich ausreden hatte lassen. Vielleicht konnten wir wirklich wieder Freunde werden.

Nach dem ausgiebigen Abendessen musste ich dringend auf Toilette. Dabei bemerkte ich gar nicht, wie mir jemand folgte.

~

Na, wer meint ihr folgt Hermine? 😊
Und was haltet ihr von der Freundschaft zwischen Ron und Hermine?

Heimliches BegehrenWhere stories live. Discover now