Kapitel 54

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Hermines Sicht

Das Gespräch mit Malfoy ließ mich nicht los. Ich hatte ihm mein Herz ausgeschüttet.

Der Schmerz in seinen Augen hatte mir das Gefühl gegeben, dass er mich verstand. Dass er gerne mit mir zusammen wäre und unsere Trennung ihm auch stark zusagte.

Warum hatte er dann nichts gesagt? Warum änderte er nichts? Und verdammt, wieso starrte er mich noch immer so an?

Ich hatte ihn doch darum gebeten, mich in Ruhe zu lassen.

Und doch machte ich mir noch Hoffnungen, dass er die Verlobung auflöste.

Ich weiß, erbärmlich. Ich war erbärmlich. Wartete ewig auf einen Kerl, der zu feige war um sich für mich einzusetzen und zu sehr an seinem Reichtum hing.

Heute hatten wir wieder Zaubertränke gemeinsam. Mein Leben war ein einziger Alptraum.

Wahrscheinlich behinderten wir uns wieder ständig gegenseitig, da wir uns nicht absprachen. Letztens wäre unser Trank beinahe explodiert. Sowas war mir noch nie passiert.

Pessimistisch schlenderte ich neben Ginny, Harry und Ron her. Die drei diskutierten über ihr Lieblingsthema der letzten Tage: Weihnachten.

Weihnachten, das ich dieses Jahr nicht mit meinen Eltern feiern konnte. Eltern, die sich nicht an mich erinnern konnten.

Ich sagte ja, ein Alptraum. Hoffentlich konnte ich bald eine Möglichkeit finden, ihre Erinnerungen zurückzuholen. Leider mangelte es mir an Ideen. Etwas, das mir komplett fremd war.

Zu den Weasleys wollte ich auch nicht. Ihr glückliches Familienleben würde ich nicht ertragen.

Folglich würde ich Weihnachten in Hogwarts verbringen und studieren, wie ich meinen Eltern helfen konnte.

„Mine, zieh nicht so ein Gesicht. Es sind doch nur zwei Stunden", Ginny legte mir aufmunternd eine Hand auf die Schultern.

Ich nickte nur. Es waren nur noch wenige Meter zum Klassenzimmer. Das merkte man auch an dem leicht muffigen Geruch.

Als wir durch die enge Holztür traten hörte ich Parkinson schon lästern. Wie schlecht sie es doch zuhause hatte, da ihre Eltern kaum Geld für Geschenke dieses Jahr hatten.

Ich verdrehte meine Augen.

Malfoy saß schon da. Heute trug er nur das Hemd der Schuluniform. Ich musste schlucken. Heute würde anstrengend werden.

Wie das Hemd seine Schultern und seinen flachen Bauch betonte.. und vielleicht konnte man von der Seite einen Blick auf seine Haut unter.. Nein, er trug noch etwas unter dem Hemd. Natürlich. Es war Malfoy.

Malfoy würde niemals unanständig herumlaufen. Außerdem war es Winter. Schon ein Wunder, dass er ohne Pullover über dem Hemd herumlief.

Da bemerkte ich die schicke Jacke über seinem Stuhl. Sie trug das Malfoyemblem. Plante Malfoy heute noch einen Ausflug nach Hause?

War das der Grund, dass er die letzten Tage oft nicht beim Abendessen war? Aß er daheim?

Plötzlich drehte Malfoy sich zu mir. Seine sturmgrauen Augen bohrten sich unangenehm tief in meine.

„Lässt du dir heute noch von deiner Mami die Haare kämmen?", rutschte mir ein mehr als provokanter Kommentar heraus.

Doch statt sich zu ärgern lachte Malfoy nur.

Sein Lachen war wunderschön.

„Du wirst schon sehen, Granger. Ich würde dir empfehlen morgen den Tagespropheten zu lesen. Oder vielleicht gibt es auch eine Sonderausgabe heute Abend."

Seine Lippen verzogen sich zu dem frechen Grinsen, das ich so liebte.

„Warum sollte ich? Hast du dann der Greengrass den größten, teuersten Diamanten angesteckt?"

Als ob mich das interessierte.

Er schüttelte den Kopf.

„Ganz im Gegenteil, meine Liebe", Malfoy zwinkerte.

Am liebsten hätte ich weiter nachgehakt, aber Professor Slughorn läutete den Beginn der Stunde ein.

Für die nächsten zwei Stunden sollten wir ein kleines Experiment durchführen und testen, wie verschiedene Gegengifte aufeinander reagierten.

Malfoy war sofort in seinem Element und begann blitzschnell die Fläschchen vom Pult einzusammeln.

Mit einem Funklen in den Augen wies er mich an, welche Fläschchen ich vermischen sollte und welche nicht. Ich war überrascht, dass wir heute so viel miteinander sprachen.

Am liebsten hätte ich gefragt, was ich heute im Tagespropheten lesen würde, aber ich biss mir auf die Zunge. Ich wollte Malfoy nicht wissen lassen, wie sehr mich sein Leben noch interessierte.

Stattdessen befolgte ich seine Anweisungen und war wenig erstaunt, dass wir das beste Ergebnis der Klasse ablieferten.

Gerade als ich das letzte Fläschchen zurückgebracht hatte und gehen wollte, griff Malfoy sanft nach meinem Arm.

Mein Herz pochte so schnell, dass meine Ohren rauschten. Seine Finger fühlten sich gut an.

„Vergiss den Tagespropheten nicht, Granger", flüsterte er mir zu.

An seinem Tonfall merkte ich, wie wichtig ihm das war. Was hatte er nur vor?

Als ich etwas erwidern wollte, unterbrach er mich: „Die letzte Zeile, Granger."

Mit diesen Worten ließ er mich los und joggte zu seinen Slytherinfreunden, die unsere Interaktion kritisch beäugt hatten.

Mich zerriss es nicht zu wissen, was mich erwartete. Wenn Malfoy seine Eltern besuchte und es dermaßen wichtige Neugikeiten zu den Malfoys gab, dass sie im Tagespropheten auftauchten, bedeutete das dann, dass er die Verlobung auflöste?

Tränen traten in meine Augen. Ich wünschte mir nichts mehr als das.

Ich hoffte, betete zu Merlin, dass meine Vermutung der Wahrheit entsprach. Aufgeregt erzählte ich es auch Ginny, die vor Freude quietschte.

Beim Mittagessen galt meine ganze Aufmerksamkeit dem Slytherin. Ich bewunderte, wie geschickt und nobel er speiste. Nicht ein Krümel landete auf seinem Hemd.

Bitte, Merlin, bitte, lass ihn die Verlobung auflösen! BITTE!

Zum Glück erinnerte Ginny mich nach dem Mittagessen daran, dass wir heute Nachmittag Studienzeit hatten. Ansonsten wäre ich wohl zu Verwandlung gelaufen. Ich war so durcheinander.

Während der Studienzeit quatschte ich nur mit Ginny. Ich konnte mich nicht auf die Schule konzentrieren. Der Rothaarigen war das wohl bewusst. Die ganze Zeit unterdrückte sie ein Lachen als ich sie aufgeregt vollbrabbelte.

Endlich begann die letzte Unterrichtsstunde. Hagrid ließ uns heute ausnahmsweise Bücher wälzen, was mich normal freuen würde, aber heute konnte ich nur Malfoy anstarren und hoffen, dass ich mich nicht täuschte.

Der Mistkerl wusste, dass ich ihn anstarrte und sah kein einziges Mal zu mir. Seine Lippen zierte wieder dieses freche Grinsen. Ich hasse ihn. Er wusste genau, wie neugierig ich war.

Als die Glocken klangen, war ich die erste, die aus dem Klassenzimmer Richtung Große Halle stürmte.

Auf fast jedem Platz lag der Tagesprophet am Tisch. Es gab eine Sonderausgabe. Eine Sonderausgabe gab es nur bei großen, überraschenden Ereignissen.

Mein Herz schlug schneller.

Voller Hoffnung packte ich die erste Ausgabe, die ich greifen konnte. Dass sie mir nicht gehörte, war mir in dem Moment egal. Mein Platz war zu weit weg vom Eingang. Ich musste es jetzt wissen.

Mit zitternden Fingern hob ich die Ausgabe auf und konnte erst nicht begreifen. Ich sah die Worte zwar auf dem Titelblatt, aber deren Bedeutung kam bei mir erst nicht an:

Verlobung im Hause Malfoy aufgelöst - Draco Malfoy packt aus

~

Na, wie meint ihr geht es jetzt weiter? Kommen sie zusammen? Und was steht wohl in der letzten Zeile? 😊

Heimliches BegehrenOnde histórias criam vida. Descubra agora