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Jungkook

Okay, das hatte gesessen. Und wie es das hatte. Nachdem Taehyung das gesagt hatte, bekam ich kein einziges Wort mehr heraus, geschweige denn irgendeine andere Reaktion. Ich stand einfach nur da und starrte dem Jungen, in den ich mich verliebt hatte und den ich geschworen hatte zu beschützen, in die Augen. Ich dachte zuerst, das wäre ihm vielleicht rausgerutscht, aber das Gegenteil war der Fall.

Sein Blick zeigte mir, dass er es todernst meinte.

„Wie kannst du nur?“, hauchte ich und trat einen Schritt zurück, als endlich wieder Leben in meine Gliedmaßen floss. Die Wut, die ich eben noch im Bauch hatte, verwandelte sich in Entsetzen und kroch hoch in meine Brust. Ich konnte nicht glauben, dass Tae mich tatsächlich mit seinem gewalttätigen Vater verglichen hatte. Mit dem Mann, der ihn so lange gequält und misshandelt hatte, dass er wohl für immer seelische Narben davon tragen würde. Dachte er allen Ernstes, dass ich ihm das auch antun würde? Geschweige denn, es überhaupt könnte?

„Jungkook, hör' zu, ich-“, fing der Ältere an, aber in diesem Moment wollte ich kein weiteres Wort von ihm hören. Er hatte mir das schlimmste gesagt, was er hätte sagen können und jede weitere Wort von ihm fühlte sich an, wie Messerstiche. „Lass' gut sein, ich habe verstanden“, presste ich nur noch raus und lief an ihm vorbei, seine Rufe ignorierend und so schnell ich konnte. Das Alles war mir einfach zu viel und stieg mir langsam aber sicher über den Kopf. Die Sache mit Jimin, Taehyung und sein beschissener Vater, meine abwesende Mutter und Jiyong. Es brodelte einfach alles über und ich musste es irgendwie rauslassen. Mit irgendjemandem reden und meinem Ärger Luft machen.

Aber mit wem? Tae, Jimin und Yoongi waren bei mir zu Hause, meine Mutter sowieso nicht da und Jiyong konnte ich ja wohl kaum als einen Freund bezeichnen.

Ich hatte noch gar nicht im Kopf, wohin ich gehen würde, da stand ich auch schon vor Minnies Haus. Ja, wir neckten uns immer wieder und diskutierten, aber sie was das einzige Mädchen an der Schule, das mir nicht an die Wäsche wollte und irgendwie machte sie das sympathisch. Als ich aber noch einen Augenblick lang darüber nachdachte, kam mir die Idee ziemlich dumm vor und ich drehte wieder um, um zu gehen. Allerdings kam sie mir genau in diesem Moment mit jemandem entgegen, von dem ich nicht gedacht hätte, dass ich ihn jemals wiedersehen würde.

Hoseok.

Jung Hoseok. Er war der größte Streber auf meiner alten Schule und allein deshalb hatten diese Idioten es auf ihn abgesehen. Wir waren nie wirklich befreundet, denn wenn man nach der Schule zusah, dass man so schnell wie möglich nach Hause kam und sich auch in den Pausen vor den Anderen versteckte, lernte man nicht sonderlich viele Menschen kennen. Ich musste aber zugeben, dass er wirklich gut aussah. Er hatte sich seit meinem Schulwechsel dramatisch verändert, naja, jedenfalls seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er trug keine viel zu große Brille mehr auf der Nase und auch die Hosenträger, die er damals immer trug, waren nirgends zu sehen. Sein komplettes Erscheinungsbild hatte sich verändert und deshalb bekam ich auch erstmal kein Wort heraus, als Minnie mich fragte, wieso ich dort war.

„Jungkook? Hallo? Ist dein System ausgefallen, oder wieso rührst du dich nicht? Ich hab' gefragt, was du hier machst!“, schnippste die Dunkelhaarige aber dann vor meinen Augen herum und ich zuckte leicht zusammen. Bevor ich aber was sagen konnte, grätschte Hoseok dazwischen. „Jungkook? Jeon Jungkook? Der Nacktfrosch? Der, den sie damals an den Fahnenmast gebunden haben? Das glaub' ich einfach nicht!“, grinste er und in einem kleinen Anflug von Trotz, antwortete ich: „Du brauchst gar nicht so zu grinsen! Dich haben sie nackt im Büro des Direktors eingesperrt!“

Einen kurzen Moment lang war es still, aber dann mussten wir beide plötzlich so heftig lachen, dass ich mir den Bauch hielt und er sich die Tränen aus dem Gesicht wischte. „Wenigstens hat mich nur der Direktor gesehen, dich die halbe Schule!“, konterte er und obwohl es eine eher schmerzliche Erinnerung war, konnte ich nicht aufhören zu lachen. Er aber auch nicht. Bis Minnie uns aber dann doch unterbrach. „Moment mal, DAS ist der Nacktmolch, von dem du immer erzählt hast, Oppa?“, sah sie Hoseok verwirrt an, was mich ebenfalls irritiert aus der Wäsche schauen ließ. „Oppa? Ihr kennt euch?“, stieß ich aus und nun blickte sie zu mir. „Allerdings, Jungkook. Er ist mein Stiefbruder. Das wüsstest du, wenn du mal jemand anderem zugehört hättest, als immer nur dir selbst, du möchtegern Frauenheld! Ich fass' es nicht!“

„Aber du hast mir noch immer nicht verraten, was du hier willst!“, fügte sie noch hinzu und erst dann fiel mir der Grund für meine Anwesenheit wieder ein. „Ich, naja... Ich dachte... Also bei mir ist gerade viel los und ich brauche jemanden zum Reden. Da dachte ich-“ „-dass du zu mir kommst? Was ist denn mit deinem tollen Jiyong oder deinen anderen Lämmchen?“, beendete sie meinen Satz, lief dabei aber auf die Haustür zu. „Genau das ist das Problem...“, antwortete ich leise, aber ehrlich und Minnie drehte sich zu mir um, nachdem Hoseok schon reingegangen war. „Was ist? Willst du da Wurzeln schlagen? Komm' schon rein!“

Ich atmete tief durch und setzte mich langsam in Bewegung, bis ich schließlich im Eingangsbereich stand und mich fragte, was ich ihr nun eigentlich genau erzählen wollte.

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Lange geht Scars nicht mehr, Leute 😭

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt