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Jungkook

Dieser Junge löste etwas in mir aus.

Er brachte mich dazu, über einen anderen Menschen, statt nur über mich selbst nachzudenken und das war schon sehr lange nicht mehr der Fall. Ob das aber so gut war, stellte ich gehörig in Frage, denn das konnte ich in dieser Zeit eigentlich gar nicht gebrauchen, immerhin stand der Ball kurz bevor und ich musste als beliebter Schüler ins Jahrbuch, nicht als der Loser, der mit seiner Cousine hinging, weil sonst niemand etwas mit ihm zu tun haben wollte.

Nein danke, das brauchte ich wirklich nicht.

Und trotzdem hielt ich in der Schule schon regelrecht Ausschau nach Taehyung. Am Montag nach dem Wochenende war er nicht zur Schule gekommen, genauso, wie am Dienstag, weshalb ich mir dann doch Gedanken machte, mir aber selbst einredete, dass er bestimmt nur krank geworden war. An diesem Mittwoch hatte ich es schon fast aufgegeben, als Taehyung doch noch auf den Schulhof gelaufen kam. Nein, er lief nicht. Er schlich viel mehr, beinahe schon auf Zehenspitzen und sah sich unter seiner Kapuze immer wieder um.

In den ersten beiden Stunden hatten wir keinen Unterricht zusammen, also suchte ich ihn sofort, als es zur ersten Pause klingelte und entschuldigte mich bei meinen "Freunden" mit der Ausrede, dass ich mal aufs Klo müsste. Musste ich zwar tatsächlich, aber auf meiner vorigen Schule war ich ein Meister darin geworden, anzuhalten, um bloß nicht auf die Schultoilette gehen zu müssen. Wie dem auch sei. Jedenfalls sah ich mich weiter nach Taehyung um, konnte ihn aber nirgends entdecken, weder auf dem Schulhof, noch in der Mensa oder sonstwo.

Und dann hatte ich auch keine Lust mehr, nach ihm zu suchen.

Was hätte ich ihm auch sagen sollen? Ich konnte ja schlecht zu ihm gehen und sagen: „Hey, ich habe deinen blutenden, besoffenen Vater nach Hause geschleppt, der sich dazu auch noch die ganze Zeit über dich beschwert hat.“ Und wieso interessierte mich das so? Ich entschied mich dazu, kurz vor Ende der Pause noch schnell auf die Toilette zu gehen, wenn ich Taehyung schon nicht fand.

Fertig mit meinem Geschäft und gerade, als ich mir die Hände waschen wollte, klingelte es zur dritten Stunde und hinter mir ging die Tür zu einer der Kabinen auf. Taehyung. Ich sah im Spiegel gerade noch, wie er mich erkannte und sich schnell wieder die Mütze auf den Kopf zog. Allerdings war er nicht schnell genug und ich konnte das blaue Auge und die aufgeplatzte Unterlippe, auf der sich schon Kruste gebildet hatte, deutlich sehen. Im Gegensatz zu seinem blassen Gesicht, leuchteten seine Wunden nämlich schon fast. „Ach du scheiße, was ist denn mit dir passiert?“, fragte ich ihn sofort und trat ein paar Schritte auf ihn zu.

Taehyung wich sofort zurück und zuckte zusammen, während er versuchte, sein Gesicht mit seinen Händen zu schützen. Dachte er wirklich, ich wollte ihn schlagen? Wieso sollte ich das denn tun? „Bitte nicht!“, wimmerte er und rutschte immer tiefer, bis er fast auf dem Boden hockte. Ich wollte mich zu ihm runter beugen, da kroch er unter meinem Arm weg und rappelte sich schnell auf, um zur Tür zu gehen. „Warte, ich tu dir doch nichts!“, wollte ich ihn aufhalten, aber alles, was er noch murmelte war: „Halt' dich von mir fern.“

Nur leider bewirkte er damit genau das Gegenteil...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now