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Jungkook

„...und was jetzt? Glaubst du, du kannst ihm helfen?“, fragte meine Mutter mich, nachdem ich ihr das mit Taehyung, seinem Vater und seinen Verletzungen erzählt hatte, aber ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Konnte ich ihm helfen? Wollte er meine Hilfe überhaupt? Und sollte ich ihm helfen? Ich wusste ja nicht einmal, was genau bei Tae los war. Wurde er von seinem Vater geschlagen, oder war er einfach nur extrem tollpatschig?

„Ich weiß es nicht, Eomma“, antwortete ich ehrlich und sank tiefer in den Sessel. „Naja, du musst das selbst entscheiden. Aber lass' mich dir einen Rat geben: Es kann sein, dass er deine Hilfe ablehnt, aber achte auf seine Reaktion. Seine Gesten und seine Mimik, denn das kann ein Mensch oft nicht verstecken und meistens zeigt dir genau das, ob er deine Hilfe braucht.“, sagte sie und ich schaute sie mit großen Augen an. „Guck' nicht so, mein Sohn. Die Art, wie du über ihn redest, verrät dich. Du magst den Jungen“, sagte sie noch und sofort war es mucksmäuschen still im Haus.

Ich... Mochte Taehyung?

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Eomma, wie kann ich ihn mögen, wenn ich ihn überhaupt nicht kenne? Das ergibt überhaupt keinen Sinn“, widersprach ich und meine Mutter zog eine Augenbraue hoch. „Nicht? Wieso haben wir dann in der ganzen Zeit, wo ich jetzt hier bin, nur über diesem Jungen geredet? Erklär mir das bitte“, brachte sie hervor und ich war wieder kurz sprachlos. Ja, wir hatten viel über Taehyung geredet, aber doch nur, weil so viel passiert war. Oder nicht?

„Wieso fällt es dir so schwer, das zuzugeben?“, bohrte sie weiter nach, aber es wurde mir in diesem Augenblick einfach zu viel. Ich stand auf und lief zur Treppe,  nachdem ich meiner Mutter einen Kuss auf die Wange gab. „Ich bin müde“, log ich schnell und stieg die Stufen hoch. In meinem Zimmer schmiss ich mich sofort auf mein Bett und breitete die Arme aus. Die Worte meiner Mutter drehten sich die ganze Zeit über in meinem Kopf, aber ich kam zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Wenn ich ihm helfen würde, wäre ich wieder der Loser gewesen und hätte alles verloren, was ich mir in der Schule aufgebaut hatte. Andererseits, hätte ich dann noch in den Spiegel sehen können? Aber was, wenn Taehyung wirklich keine Hilfe von mir wollte? Sollte ich es riskieren? Oder den ganzen Mist vergessen und weitermachen, wie zuvor? „Aish!“, zischte ich und versteckte mein Gesicht unter meinen Armbeugen. Das war doch einfach alles zum Kotzen!

„Jungkook?!“, rief meine Mutter eine gute halbe Stunde später von unten und ich ging schnaubend zur Tür. „Was ist?!“, brüllte ich zurück. „Die Parks kommen nachher zum Abendessen, zieh' dich bitte vernünftig an und räum dein Zimmer auf, sie bringen Jimin mit!“, fragte sie und ich klatschte mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Das auch noch. Auf Jimin hatte ich wirklich gar keine Lust. Ich war zwar nicht der Arsch, den ich allen vorspielte, aber Jimin war schon echt anstrengend. Ständig benahm er sich, wie ein kleines Mäuschen und sagte zu allem immer brav ja und amen. Gut, bis auf gelegentliche Ausrutscher, wenn er etwas besonders witzig fand, aber nichts desto Trotz, war es unglaublich schwer, mit ihm zurecht zu kommen.

Da ich mich aber nicht mit meiner Mutter streiten wollte, räumte ich mein Zimmer schnell auf und zog mir frische Klamotten an. Augen zu und durch war da wohl die Devise. Und zur Not konnte ich ja immernoch zocken und Jimin einfach ignorieren.

[....]

Nach dem Essen wollten die beiden Frauen sich noch unterhalten, während mein und Jimins Vater sich ins Büro verzogen und da wahrscheinlich Zigarren rauchten. Und wie zu erwarten, saß Jimin stocksteif auf meinem Schreibtisch-Stuhl und gab nicht einen Ton von sich. Man sah ihm an, dass er überall, nur nicht in meiner Nähe sein wollte und ich konnte es ihm nichtmal verübeln, denn der Netteste war ich wirklich nicht, im Gegenteil. Aber auch vor ihm durfte ich das Schauspiel nicht aufgeben, denn so wirklich trauen konnte ich niemandem. Das hatte ich einmal getan und das Ergebnis war der Wechsel auf eine andere Schule.

„Zock' halt mit, aber sitz nicht da, wie eine dieser Horrorpuppen!“, forderte ich ihn forsch auf und er zuckte sofort zusammen. „Nein, da-danke“, lehnte er ab und ich verdrehte die Augen genervt, schob aber noch ein „Dann nicht, selbst Schuld“, nach, bevor ich weiter spielte.

Das würde ein verdammt langer Abend werden, da war ich mir sicher...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now