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Taehyung

Ich stand einfach regungslos da.

DAS war der Grund, wieso Jungkook Jimin geschlagen hatte? Weil er nicht wollte, dass jemand erfährt, dass er ebenfalls schwul war? Ich konnte das einfach nicht glauben. Ich wusste ja, dass etwas dahinter steckte, aber damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. „Sag' doch was“, kam es schon fast unsicher von Jungkook, während ich damit beschäftigt war, meine Gedanken zu sortieren.

Das Alles brachte aber nichts, denn noch bevor ich darüber nachdenken konnte, sprudelten die Worte aus meinem Mund. „Du bist so ein unfassbarer Idiot, Jeon Jungkook. Es verlangt ja niemand von dir, dass du dich, vor wem auch immer, outest, aber einen Anderen für genau das Gleiche zu verdreschen, ist einfach das Dämlichste, was ich je gehört habe. Hast du mal eine Sekunde lang darüber nachgedacht, wie Jimin sich dabei gefühlt hat?“, warf ich ihm vor und hatte Mühe, meine Wut unter Kontrolle zu halten. Nicht, weil es Jungkook war, sondern weil es genau das war, was mein Vater tat:

Er ließ seinen Frust an anderen aus.

Jungkook schluckte und blinzelte ein paar Male. „Ich... Ehm... D-Du sagst nichts dazu, dass ich schwul bin?“, stotterte er perplex und ich brauchte einen Augenblick, bevor ich mir selbst mit der flachen Hand gegen die Stirn klatschte. „Das ist alles, was du dazu sagst? Ernsthaft?“, fragte ich ihn und warf ihm eines der Kissen von der Couch direkt ins Gesicht. „Ey!“, beschwerte der Dunkelhaarige sich und rückte seine Frisur wieder zurecht. Ich dagegen, machte einen Schritt nach vorn und packte ihn am Kragen.

„Hör' zu: Es ist mir scheiß egal, auf wen oder was du stehst und ob du dich outest oder nicht, okay? Nur hör' endlich auf, andere dafür verantwortlich zu machen. Jimin kann nichts für das Chaos in deinem Kopf und auch sonst niemand. Ich weiß nicht, wieso du mit dieser Maske rumrennst, aber sie steht dir nicht!“, schrie ich schon fast und schüttelte ihn dabei sogar ein bisschen. Als mir aber klar wurde, dass ich das tat, ließ ich sofort von Jungkook ab und wich zurück. Ich wusste nicht genau, wieso ich das getan hatte und wieso mich das so wütend machte, aber ich konnte diesen Sturm aus Worten einfach nicht aufhalten.

Ich wollte mich schon entschuldigen, als mein Mitschüler plötzlich schnell auf mich zukam und mich in seine Arme zog. Er drückte mich fest an sich, während meine Arme einfach runter hingen. Ich war viel zu überrascht, als dass ich hätte reagieren können. „Du bist was besonderes, Taehyung. Danke, dass es dich gibt“, flüsterte er mir ins Ohr und meine Wangen wurden ganz warm. Ich hatte mich schonmal so ähnlich gefühlt, als wir im Personalraum des Supermarktes standen, aber das hier war anders. Es fühlte sich an, als würde Jungkook mich aus purer Verzweiflung nicht loslassen wollen und ich spürte, wie zittrig er direkt neben meinem Ohr ausatmete. „Ich weiß nicht, wie du das machst, aber du siehst alles.“

Es ergab in diesem Moment keinen Sinn für mich und es war nicht logisch, dass er genau das sagte, aber meine Arme hoben sich fast automatisch und legten sich um seinen Rücken. Ich wollte gerade etwas erwidern, als Jungkook plötzlich von mir weggerissen wurde. „Was machst du in meiner Wohnung? Verpiss' dich ganz schnell, du dreckige Schwuchtel!“, brüllte mein Vater stark lallend und schubste ihn in den Flur, wobei er gegen die Wand prallte und aufzischte.

Es war das erste Mal überhaupt, dass ich nicht einfach dastand und wie ein verängstigter Junge alles geschehen ließ. Im Gegenteil, ich eilte zu meinem Vater und packte ihn an der Schulter, um ihn nach hinten zu ziehen, da er gerade wieder auf Jungkook losgehen wollte. „Appa, bitte! Lass' ihn in Ruhe, er hat nichts getan! Bitte hö-“, ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, da drehte mein Vater sich um und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. „Du Drecksbengel sollst mich nicht so nennen, wie oft habe ich dir das schon gesagt?“, brüllte er und mir wurde ganz schwummerig. Mein Kopf pochte heftig und ich spürte den bekannten, metallischen Geschmack in meinem Mund, bevor etwas hartes meine Zunge berührte.

„Und jetzt raus hier!“, wütete der Mann, zu dem ich als Kind immer aufgesehen hatte und ich bekam nurnoch verschwommen mit, wie er Jungkook aus der Wohnung schubste und die Tür zuknallte. Hustend hielt ich mir die Hand vor den Mund und spuckte das Blut, das sich darin gesammelt hatte aus. Ich konnte es nicht fassen. Mein Vater hatte mir einen Zahn ausgeschlagen. Pure Angst machte sich in mir breit, als er sich umdrehte und mit einem zornigen Gesichtsausdruck auf mich zukam. Ja, ich liebte ihn...

...aber dieses Monster war nicht mehr mein Vater.

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt