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Taehyung

Eine ganze Weile lang weinte Jungkook einfach und schien sich gar nicht mehr einzukriegen. Aber er stieß mich auch nicht von sich und so saß ich einfach still neben ihm und strich ihm immer wieder über den Rücken.

Das Alles ergab für mich eigentlich überhaupt keinen Sinn, denn ich verabscheute Menschen, die anderen weh taten und auch Jungkook hätte ich verabscheuen müssen, aber ich tat es nicht. Irgendwas sagte mir, dass er nicht der Mensch war, den er nach außen hin zeigte. Das hatte er selbst mir schon ein paar Mal bewiesen.

„Was mache ich hier nur?“, wimmerte er und krallte sich plötzlich in den Ärmel meines Hoodies. Nicht so fest, dass es schmerzte, aber so fest, dass ich das Gefühl bekam er würde sich an etwas festhalten wollen. An mir. „Wieso bin ich so schwach?“, flüsterte er und ich weitete meine Augen. Jungkook hielt sich für schwach? Aber wieso? Ich wusste nicht so recht, was ich sagen oder machen sollte, also stoppte ich die Bewegung auf seinem Rücken und legte meine Hand auf seinen Kopf. Seine Haare waren genauso weich, wie sie aussahen...

Offenbar war das aber keine gute Idee, denn mein Mitschüler schreckte plötzlich hoch und rutschte sofort ein Stück von mir weg. Das tat schon weh, das muss ich zugeben, aber ich verstand den Grund dafür nicht, hatte er doch einen Moment vorher noch geweint. „Was willst du hier?“, stieß er aus und wischte sich aggressiv das Gesicht trocken. »Oh Jungkook, dafür ist es ein bisschen zu spät«, dachte ich mir nur und sah ihn genau an. Seine Emotionen zu kontrollieren, fiel ihm sichtlich schwer und immer wieder wanderte sein Blick ins Nichts. „Dir helfen“, antwortete ich entschlossen, denn mein Vorhaben, an diesem Tag wenigstens einem Menschen zu helfen, hätte ich noch nicht vergessen.

„Ich brauche keine Hilfe, schon gar nicht von dir“, sagte er, bemüht, so ernst wie möglich zu klingen. „Nein? Du kannst jetzt also aufstehen und nach Hause gehen mit deiner Verletzung?“, fragte ich und Jungkook sah mich ertappt an. Wusste ichs doch. „Das schaffe ich alleine“, brummte er als Antwort und ich musste schmunzeln. So ein Sturkopf. Ich streckte meine Hand nach ihm aus, um ihm beruhigend auf die Schulter zu klopfen, aber meine Finger kamen gar nicht bis zu dem Stoff seines Pullovers, denn er schlug sie weg. Mit voller Wucht. „Ich sagte, ich brauche keine Hilfe!“, brüllte er mich an und in diesem Moment kam es mir vor, als hätte sich ein Schalter in meinem Kopf umgelegt.

Ich stand nämlich auf, holte aus und gab ihm einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf. Natürlich nicht so, dass es ihm wirklich sehr weh getan hätte und ich hätte es besser wissen müssen, aber sein Gehirn musste wieder an die richtige Stelle gerückt werden und anders ging es nicht. „Ey! Sag' mal, gehts noch?“, zischte Jungkook und rieb sich den Hinterkopf, während ich aufstand. „Du hast Schmerzen und kommst jetzt mit, wir gehen in den Laden. Im Hinterzimmer haben wir Salbe und etwas zum Kühlen, los“, bestimmte ich und schob meinen Arm unter seinen und um seinen Rücken. Und eines sage ich euch: Hätte er diese Verletzung nicht gehabt, hätte ich mich das ganz sicher nicht getraut.

Murrend ließ der Jüngere sich von mir stützen und wir liefen los. Der Weg zum Laden war eigentlich nicht weit, aber zwischen uns herrschte eine unfassbar unangenehme Stille, weshalb die Zeit nur sehr langsam zu vergehen schien.

Als die Glocke über der Tür klingelte, kam Mr Kim nach vorn und sah mich irritiert an. „Taehyung? Was machst du denn hier? Bist du nicht für heute Abend eingeteilt?“, fragte er und wollte schon auf den Dienstplan schauen, aber ich klärte ihn sofort auf. „Ja schon, aber ich habe hier einen kleinen Notfall“, antwortete ich und nickte in Jungkooks Richtung, der das Gesicht verzog und schwer atmete. Kurz musterte mein Chef Jungkook mit skeptischer Miene, ließ sich aber offenbar erweichen und nickte kurz. „Na gut, dann geht nach hinten. Räumt aber bitte wieder alles weg, wenn ihr fertig seid“, bat er und ich stimmte sofort zu.

Im Hinterzimmer setzte ich Jungkook auf einem Stuhl ab und ging zu meinem Schrank, in dem ich mein eigenes Verbandszeug und die Salbe aufbewahrte. Traurig, ich weiß. Aber wenn mein Vater mal wieder ausrastete, hatte ich keinen anderen Ort, zu dem ich gehen konnte, denn Jin Hyung war auch nicht immer zu Hause. Wieder zurück bei Jungkook, kniete ich mich vor ihn und überlegte kurz. Um das richtig zu machen, musste ich meine Mütze runter ziehen und auf irgendwelche Fragen hatte ich wirklich keine Lust. Aber es musste sein.

Tief ein und ausatmend, zog ich mir den Stoff also vom Kopf und blinzelte kurz, bevor ich in Jungkooks erstauntes Gesicht sah. „Keine Fragen“, mahnte ich ihn und bereitete den Verband vor...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now