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Taehyung

An sich mochte ich Regen wirklich gern, das war nicht das Problem.

Bloß wäre meine Mütze dabei so schwer geworden, dass sie mir noch tiefer ins Gesicht gerutscht wäre und ich nichts mehr gesehen hätte. Nun hatte ich die Wahl: Mich so lange irgendwo im Schulgebäude aufhalten, bis es nicht mehr so stark regnete und die meisten Schüler weg waren, oder so schnell rennen, dass ich weit genug von der Schule entfernt wäre und die hängende Mütze nichts mehr ausmachte.

Entgegen meines natürlichen Instinktes, einfach zu warten, rannte ich kurzerhand los und hielt mit einer Hand meine Mütze fest. Erst auf dem Waldweg, der mittlerweile komplett matschig war, blieb ich stehen, um Luft zu holen. Und mit Luft holen meine ich, dass ich Geräusche gemacht habe, wie ein kaputter Lüfter. Und das war dann auch der Nachteil daran, dass ich mich nie am Sportunterricht beteiligt habe: Meine Kondition.

Nach ein paar tiefen Atemzügen, leckte ich mir die Regentropfen von den Lippen und lief weiter, bis ich vor dem schäbigen, grauen Wohnkomplex stand und es von außen betrachtete. Es hatte sich nichts verändert. Natürlich nicht, ich war ja auch nur ein paar Stunden in der Schule, aber irgendwie hoffte ein winzig kleiner Teil in mir doch jedes Mal, dass sich etwas verändern würde, vielleicht sogar verbessern.

Nach einem allerletzten, tiefen Ein- und Ausatmen, zog ich die Schultern hoch und nickte mir selbst zu, was eigentlich nie wirklich was brachte. Aber was soll ich sagen? Ich konnte und wollte die Hoffnung nicht aufgeben, denn sie war das Einzige, an das ich mich noch klammern konnte.

Aber nun hieß es: Augen zu und durch.

Normalerweise wäre ich, wenn ich solche Geräusche gehört hätte, zu Jin oder aufs Dach gegangen, aber es regnete immer noch und Jin kam erst später von der Arbeit zurück, also war ich gezwungen, meinen Schlüssel aus meiner nassen Hose zu kramen, als ich vor der Wohnung stand, die schon lange nichts liebevolles mehr hatte. Die Frau, die gerade bei ihm war, stöhnte laut und schrill, meinem Vater dagegen hörte ich nicht. Glücklicherweise.

So leise es ging, schloss ich die Tür auf und streifte mir die Schuhe von den Füßen, bevor ich auf Zehenspitzen in mein Zimmer schlich, bemüht, ja kein Geräusch zu machen.

Als ich die Tür hinter mich zu gemacht hatte, atmete ich kurz durch und zog mir dann sofort die nassen Sachen aus, um nicht auch noch krank zu werden. Baden oder duschen konnte ich nicht, denn dann hätte mein Vater mich gehört und das wäre schlimmer gewesen, als jede Erkältung.

Also trocknete ich mich ordentlich ab und wechselte meine Klamotten, bevor ich meine Kopfhörer aus der Schublade holte und mich mit meinem Handy ins Bett kuschelte.

Musik half einfach immer.

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now