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Jungkook

Ja, ich hatte mir das Image als Arsch mühsam aufgebaut, aber ein Monster war ich nicht und ich konnte einen verletzten Menschen nicht einfach so in einer dunklen Gasse liegen lassen, denn ich hätte nicht mehr in den Spiegel sehen können, sofern ich das überhaupt noch konnte bei diesem riesigen Lügenkonstrukt.

Langsam trat ich zwie Schritte vor und sah um die Ecke, in der Hoffnung, irgendetwas erkennen zu können, sah aber nichts, außer den überdimensionalen Mülltonnen, die mit teils offenen Deckeln an der Wand standen. Mit langsamen Schritten ging ich also weiter in die Gasse hinein und sah mich immer wieder um, schließlich hätte es ja sein können, dass diese Typen nochmal zurückkamen.

Mit jedem Schritt, den ich ging, wurde das schmerzvolle Stöhnen lauter und meine Augen weiteten sich, als ich einen übel zugerichteten Mann auf dem Boden liegen sah, der gerade dabei war, sich irgendwie aufzusetzen. Sofort ging ich auf ihn zu und hockte mich neben den Mann, von dem ein starker Geruch nach Alkohol und Zigarettenqualm ausging, aber davon durfte ich mich in diesem Moment nicht beeindrucken lassen. „Warten Sie, ich helfe Ihnen“, sagte ich vorsichtig und legte eine Hand auf die Schulter des Mannes, der sie aber sofort mit den wütenden Worten „Fass' mich nicht an!“ wegschlug.

„Ich möchte Ihnen wirklich nur helfen, Sir. Ich bin Jungkook, und wie heißen Sie?“, stellte ich mich vor, um ein wenig Vertrauen zu gewinnen, aber der Verletzte dachte gar nicht daran, sich von mir helfen zu lassen. „Geht dich gar nichts an!“, knurrte er und versuchte, sich an irgendetwas festzuhalten, um in eine sitzende Position zu kommen. Da es mir in dieser Gasse aber langsam wirklich zu unheimlich wurde, sagte ich das Einzige, was mir einfiel: „Na gut, entweder Sie lassen sich von mir helfen, oder ich rufe die Polizei und einen Krankenwagen, dann können Sie denen das erklären“, sagte ich, wohl wissend, dass dieser Mann Schulden bei irgendwelchen Typen hatte und ich war mir ziemlich sicher, dass er mit der Polizei nichts zu tun haben wollte, denn Leute wie diese Schläger zu verpfeifen, wäre garantiert eine dämliche und vor allem gefährliche Idee gewesen.

Schließlich knickte der Mann ein und ließ sich widerwillig von mir auf die Beine helfen. Ich fragte ihn noch nach seiner Adresse, die er mir nach einem abwertenden Vortrag endlich mitteilte und so konnte ich endlich aus dieser miesen Gegend verschwinden. Wurde auch Zeit.

Den ganzen Weg über beschwerte der stark alkoholisierte Mann sich über alles Mögliche und gestikulierte dabei wild mit seinen Armen umher, was es mir schwer machte, ihn vernünftig zu stützen. Vorrangig zog er über seinen Sohn her, der seinen Erzählungen nach wohl eine echte Enttäuschung gewesen sein musste. Aber dass man einem Betrunkenen nicht unbedingt alles glauben sollte, wusste selbst ich.

In einer Gegend angekommen, die nicht viel besser aussah, als die Gasse, aus dem ich den Mann geholt hatte, blieben wir vor einem Hochhaus-Komplex stehen und er versuchte wohl, seinen Schlüssel irgendwie aus seiner Tasche zu fummeln. Da sich meine Geduld aber langsam dem Ende zuneigte, griff ich kurzerhand in seine Tasche und zog den silbernen Schlüsselbund heraus. „Der Eckige“, nuschelte der Ältere und ich schloss die Tür auf, ehe wir umständlich in den Flur traten und ich das Bedürfnis hatte, mir die Nase zu zu halten, denn wirklich angenehm oder sogar frisch roch es da drin nicht.

„Da wohn' ich!“, zeigte er auf keine Ahnung welchem Stockwerk auf eine der Türen und ich schloss nickend die Tür auf. „Bring' mich einfach zur Couch, ich bin müde“, lallte der Mann, was ich auch tat, nachdem ich den Weg dorthin gefunden hatte. Die Wohnung war eher klein und mit alten Möbeln eingerichtet, aber trotzdem sah es ziemlich ordentlich aus. Nicht so, dass man von Boden hätte essen können, aber dreckig war es auch nicht.

Bevor ich ging, entschied ich mich dazu, ihm noch ein Glas Wasser zu geben, für das ich, wenn ich getrunken hatte, jemandem ziemlich dankbar gewesen wäre.

Als ich aber im Wohnzimmer ankam, hörte ich schon lautes Schnarchen und stellte das Glas auf dem Tisch ab, bevor ich die Decke nahm, die zusammengefaltet auf der Lehne lag und sie über dem Schlafenden ausbreitete. Auf dem Weg zur Haustür sah ich mich nochmal um und auf einer Kommode in der Nähe der Haustür fielen mir einige Bilder ins Auge, die ich mir neugierig ansah. Auf einem war eine Frau mit einem Mann, ich schätzte dem Betrunkenen, zu sehen und auf einem nur die Frau. Als ich noch einen Schritt näher trat, sah ich, dass hinter den beiden Bildern noch ein weiteres stand und ich streckte meine Hand aus, um es mir ebenfalls anzusehen.

Und als ich erkannte, wer das da auf dem Foto war, traf es mich wie ein Blitz. Diesen Jungen kannte ich. Er war zwar etwas jünger und ohne die Narben in seinem Gesicht, aber ich wusste genau wer das war. Und auf dem Rahmen stand fein säuberlich ein Name, zusammen mit einem Datum. „Taehyung“, flüsterte ich und stellte das Bild wieder weg, ehe ich die Wohnung verließ und mich auf den Weg nach Hause machte.

Nun kannte ich endlich seinen Namen...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt