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Jungkook

Ich sah Taehyung eine ganze Weile bloß an, konnte nicht glauben, was ich da eben gehört hatte. Es fühlte sich an, als hätte man das letzte Puzzlestück in das fast fertige Puzzle gesteckt und es überwältigte mich, wie ich es noch nie erlebt hatte.

Ich war eigentlich nie ein Mensch, der, bis auf diese blöde Wut, besonders emotional wurde. Aber Taehyung hatte es vom ersten Tag an geschafft, die Fassade zu durchschauen und sie am Ende einfach nieder zu reißen. „Sa-Sag' doch was...", hörte ich seine Stimme dumpf in meinen Kopf dringen und zuckte leicht zusammen. Als ich dann aber in seine funkelnden, wunderschönen Augen sah, befand ich wieder im hier und jetzt. Ich konnte nicht anders, als mich wieder zu ihn runter zu lehnen und diese weichen Lippen erneut zu küssen.

Taehyung hatte recht. Es fühlte sich an, wie zu Hause.

„Muss ich es wirklich noch sagen?", fragte ich Taehyung, als ich mich schließlich wieder von ihm gelöst hatte und sein Gesicht betrachtete. Langsam strich ich mit den Fingerspitzen über seine Narben und hauchte den ein oder anderen Kuss darauf, was dem Älteren sofort eine Gänsehaut bescherte. „Du bist der stärkste, mutigste und schönste Mensch, der mir je begegnet ist. Du hast nicht nur meine Maske durchschaut, sondern auch meine Welt auf den Kopf gestellt", sprudelten die Worte nur so aus mir raus, ehe ich mich aufsetzte und vom Bett aufstand.

Taehyung setzte sich ebenfalls auf und bedeckte mich mit einem mehr als irritierten Blick. Ich konnte mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, während ich zu meiner Anlage ging und den Jazz-Sender einstellte. Sofort danach drehte ich mich um, ging wieder auf Tae zu und streckte ihm meine Hand entgegen. Ich war nie gut darin, mich mit Worten zu entschuldigen oder über meine Gefühle zu sprechen und nach diesem Tag hätte es dafür wohl auch niemals die richtigen Worte gegeben. Ich hatte mich verhalten, wie der letzte Idiot und war abgehauen...

Also sagte ich es eben auf diese Art.

Taehyung brauchte einen Moment, um zu verstehen was ich von ihm wollte. Als er es aber begriff, legte er seine Hand in meine und ließ sich von mir auf die Beine ziehen. Als er vor mir stand, legte ich meine Hand auf seinen unteren Rücken und zog ihn etwas näher zu mir, ehe ich seine Hand an meine Brust drückte und mich zur Musik zu bewegen begann. Der Ältere machte automatisch mit, sah mir dabei aber die ganze Zeit über skeptisch in die Augen.

„Ich liebe dich, Taehyung", brachte ich dann endlich raus und spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine Tomate, aber das war mir egal. Alles war mir egal, bis auf Taehyung. Er war hiergeblieben, als jeder andere sicher gegangen wäre, tat sich meine Launen an und gab mir das Gefühl, eben nicht dieses riesige Arschloch zu sein. Was ich aber leider war. „Und es tut mir leid, dass ich abgehauen bin", schob ich deshalb, und vielleicht auch um meine Nervosität zu überspielen, hinterher. „Du bist so ein Idiot!", grinste mein gegenüber aber bloß und ehe ich mich versah, küsste er mich ein weiteres Mal.

Dieses Mal allerdings, seufzte ich erleichtert in den Kuss hinein und meine Mundwinkel zuckten nach oben. Als er zurückwich, sah er mich noch einen kurzen Augenblick lang an und legte seinen Kopf dann, ebenfalls lächelnd, auf meiner Brust ab. Wir tanzten noch eine ganze Weile lang zu den seichten Klängen des Klaviers, bis wir schließlich doch müde wurden.

Wir sprangen nacheinander noch schnell unter die Dusche, bevor ich mich in meinen Shorts ins Bett legte und darauf wartete, dass der Ältere sich zu mir legte. Tat er aber nicht. Nach weiteren Minuten des Wartens stand ich schließlich auf, um nach ihm zu sehen und drückte die Tür zum Gästezimmer leicht auf. Tae saß im Schneidersitz auf dem Bett und hielt einen Stift in der Hand, auf dem er mit nachdenklicher Miene herumkaute. Vor ihm auf dem Bett waren einige Zettel ausgebreitet und ein aufgeschlagenes Buch lag neben ihm. „Was machst du?", erschreckte ich ihn offenbar, denn er zuckte zusammen und biss dabei so fest auf den Bleistift, dass es kurz knackte. „Ehm, Hausaufgaben. Ich dachte, du schläfst schon...", gab er zurück und ich zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe auf dich gewartet."

Sofort wurden seine Augen riesig und er bekam einen rosanen Schimmer auf den Wangen. Um aber keine unangenehme Stille entstehen zu lassen, kletterte ich dann aber einfach zu ihm aufs Bett und legte meinen Kopf auf seinem Bein ab. „Wie geht es Jimin eigentlich?", kam aus mir, während ich mir eines der Blätter schnappte und las, was darauf stand. Allerdings verstand ich kein Wort. Tae atmete kurz tief durch, antwortete dann aber: „Besser. Er hat mir vorhin geschrieben, dass er morgen zum Arzt geht und Jiyong anzeigen wird. Ich halte das für eine gute Idee...", bevor er das Buch nahm und eine Seite weiterblätterte.

„Mhm...", stimmte ich zu und legte das Blatt wieder hin. „Was für Hausaufgaben musst du machen?", schob ich aber noch hinterher und der Ältere gab „Ein Referat" zurück. „Kann ich dir irgendwie helfen?", wollte ich wissen, spürte aber, wie meine Augenlider immer schwerer wurden. „Würdest du dir anhören, was ich bisher habe und mir sagen, ob das so in Ordnung ist?"

Als Zustimmung nickte ich bloß und Tae holte kurz Luft, bevor er anfing zu lesen. Anfangs bekam ich noch alles mit, als er aber anfing, durch meine Haare zu kraulen, konnte ich die Müdigkeit nicht mehr aufhalten und schlief schließlich einfach ein. Ich fühlte mich wohl in Taes Nähe und es fühlte sich fast schon an, als hätte ich auf weichen Wolken gelegen mit lauem Wind, der mir durch die Haare wehte.

Da wusste ich aber auch noch nicht, was am nächsten Tag für ein Sturm folgen sollte. 

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now