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Taehyung

Meine Beine schmerzten und in meinen Seiten stach es, während ich kaum noch Luft bekam. Ich war mir sicher, durch die ganze Stadt gerannt zu sein, auf der Suche nach meinem Vater und nirgends fand ich ihn. Mein Herz raste und wollte gar nicht mehr damit aufhören, denn die Sorge um ihn fraß mich langsam aber sicher auf. Mir war kalt und ich zitterte am ganzen Körper, als ich nach Hause lief und immer wieder vor Schmerzen die Augen zusammen kniff.

Fast bei mir zu Hause angekommen, kreisten meine Gedanken wild durcheinander. Was war mit meinem Vater passiert? Die Theorien darüber reichten in diesem Moment von einer leichten Verletzung, die er vielleicht hatte, über eine Entführung, bis hin zu seinem Tod und jede Einzelne Vermutung bohrte eine riesiges Loch in mein Herz. Es musste ihm einfach gut gehen! Egal, was er mir antat oder wie er mich behandelte, ich liebte diesen Mann und daran konnte auch dieser scheiß Alkohol nichts ändern.

Mit fast tauben Fingern, kramte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche und hatte Mühe, ihn ordentlich ins Schlüsselloch zu bekommen, daher dauerte das auch eine ganze Weile. Als ich dann aber endlich im Hausflur stand und die Tür hinter mir zufallen ließ, lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen und atmete tief durch. Sicher, es war nicht sehr viel wärmer, als draußen, aber jeder Grad mehr half mir in diesem Moment ungemein.

Mit schweren, langsamen Schritten, stieg ich die Treppen hoch, bis ich vor der Wohnungstür stand und glücklicherweise waren meine Gliedmaßen wieder ein wenig aufgetaut, sodass ich ohne zu zögern die Tür aufschloss und die Wohnung betrat. Sofort fiel mir auf, dass das kleine Licht im Wohnzimmer brannte und ich hastete durch den kurzen Flur direkt dorthin.

Eine Welle der Erleichterung überrumpelte mich und die Tränen liefen mir wieder unkontrolliert über die Wangen, als ich meinen Vater auf der Couch liegen sah. Er schlief offenbar, denn sein schnarchen war nicht zu überhören und trotzdem war es das schönste Geräusch, das ich mir in diesem Moment vorstellen konnte. Er lebte und war wieder zu Hause.

Die Erschöpfung brach über mich herein und meine Beine drohten, nachzugeben, aber noch wehrte ich mich wehement dagegen. Erst musste ich sehen, ob es ihm gut ging. Also lief ich leise um die Couch herum und versuchte, einen Blick auf das Gesicht meines Vaters zu erhaschen, als ich das aber schaffte, stockte mir wieder kurz der Atem. Auf seiner Wange prangte ein riesiger Bluterguss, der in dem seichten Licht schon fast lila leuchtete und an seiner Lippe klebte getrocknetes Blut, das ihm aus dem Mund gelaufen sein musste, denn es klebte auch an seinem Kinn. „Oh Gott“, stieß ich aus, schlug mir aber sofort die Hand vor den Mund, aus Angst, ihn aufzuwecken.

So leise wie möglich, ging ich in mein Zimmer und holte aus meiner kleinen Kiste ein Plaster und Desinfektionsmittel, womit ich geradewegs wieder zu meinem Vater zurück ging und anfing, sein Gesicht zu säubern. Währenddessen strich ich ihm die Haare aus dem Gesicht und betrachtete es eine Weile. Und in diesem Moment fiel mir auf, dass es nicht meine Mutter war, der ich so ähnlich sah. Sicher, die Mundpartie hatte ich von ihr, aber der Rest sah dem Gesicht meines Vaters deutlich ähnlicher. Wieso ich gerade in diesem Moment auf so einen Gedanken kam, wusste ich nicht, aber jeder Gedanke war mir lieber, als die erdrückende Sorge und die Erinnerung an die Stunden zuvor.

Nachdem ich noch ein Pflaster auf eine kleinere Wunde auf seiner Stirn geklebt hatte, setzte ich mich seufzend auf den Boden und wischte mir mit dem Ärmel meines Hoodies durchs Gesicht. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht...“, murmelte ich leise und nahm seine Hand. Meine Lider wurden immer schwerer, genau wie mein Kopf, der langsam auf das Polster der Couch sank. Die Müdigkeit hatte endgültig gewonnen und ich schlief schließlich einfach ein.

„... so froh.“

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now