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Jungkook

Es dauerte eine ganze Weile, bis Taehyung sich ein wenig beruhigt hatte und mittlerweile kribbelten meine Körperteile schon, weil sie eingeschlafen waren. Aber das hätte mir an diesem Abend nicht egaler sein können. Taehyung brauchte mich und ich musste, nein wollte für ihn da sein.

„Geht es?“, fragte ich ihn ruhig und wich ein kleines bisschen zurück, während er sich noch immer fest an mich klammerte. Das Beben seiner Schultern hatte nachgelassen und er schluchzte nurnoch dumpf in den Stoff meines Pullovers, als er mit dem Kopf schüttelte. „W-Wo soll ich denn jetzt hin?“, flüsterte Tae und ich musste nicht lange überlegen, bevor ich ihm antwortete. „Du bleibst erstmal hier, meine Mutter ist sowieso nicht da. Und morgen gehen wir zur Polizei, dein Vater darf damit nicht durchkommen“, sagte ich und bereute es sofort, denn Tae zuckte sofort zusammen.

„Nein! Ich werde ihn nicht anzeigen, niemals!“, wich diesmal Taehyung zurück und rappelte sich mühsam auf. Er wollte schon zur Tür eilen und murmelte dabei immer wieder irgendwas, aber glücklicherweise konnte ich ihn gerade noch am Hosenbein festhalten. „Ist ja gut! Aber lauf' nicht wieder weg, bitte!“, keuchte ich, denn ich hatte mich so blöd nach vorn geworfen, dass ich direkt auf dem Bauch und damit auch auf meiner Rippe gelandet war. „Fuck!“, stieß ich aus und rollte mich zur Seite, während ich meine Hand zischend auf die schmerzende Stelle drückte. „Tut mir leid!“, entschuldigte Tae sich hastig und kniete sich besorgt neben mich.

„Das ist- Au! Nicht deine Schuld“, warf ich sofort zurück und setzte mich wieder auf. Das Letzte was ich wollte war, dass Taehyung sich meinetwegen Sorgen machte, wo doch er derjenige war, der es verdient hatte, dass sich mal jemand nur um ihn sorgte.

Nach einigen Malen tief durchatmen, hatte ich mich dann auch wieder beruhigt und sah zur Seite. Taehyung saß neben mir und starrte wieder auf seine Hände. Diesmal aber nicht apathisch, sondern traurig. Wirklich, wirklich traurig. Und das ließ mein Herz fast explodieren. Noch nie hatte mein Herz sich so schwer angefühlt. Nichtmal, als ich in meiner letzten Schule ohne Klamotten durch die Sporthalle gejagt und als Schwuchtel beschimpft wurde. Ja, ich war dieser Loser. Ich war dieser erbärmliche, schwule Nerd, auf dem alle mit Freude herumgehackt haben. So lange, bis ich die Schule gewechselt habe und mir schwor, nie wieder der kleine, wehrlose Junge zu sein.

Und dann kam Taehyung.

In seiner Gegenwart konnte ich meine Maske einfach nicht aufrecht erhalten. Sie fiel einfach, ohne, dass er auch nur das Geringste dafür tun musste. Und irgendwie war ich ihm dankbar dafür. „Ehm... Möchtest du duschen gehen?“, fragte ich Tae zögerlich, denn er hatte noch immer die dreckigen Sachen an und er hob tatsächlich den Kopf langsam an. „A-Aber ich habe gar keine Sa-Sachen hier“, stotterte er und bekam ganz rote Wangen. Damit sah er so niedlich aus, dass ich mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen konnte und auf meinen Schrank deutete. „Nimm' dir einfach raus, was du brauchst. Ich sehe solange nach, ob wir noch irgendwas zu essen im Haus haben. Wollen wir vielleicht einen Film schauen?“, schlug ich vor und dachte erst, mich verguckt zu haben, denn über seine Lippen huschte für den Bruchteil einer Sekunde ein Lächeln.

„Ja, das wäre schön“, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen bevor er tief durchatmete und mich ansah.

„Danke, Jungkook.“

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now