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Taehyung

„Das kann so nicht weitergehen, Mr Kim. Irgendwann werden sie am Sportunterricht teilnehmen müssen und dass Sie noch nicht dazu aufgefordert wurden, die Mütze abzumachen, liegt nur daran, dass ich mit Ihrer Mutter zur Schule gegangen bin. Sie müssen sich mehr am Unterricht beteiligen, Ihre mündlichen Noten sind im Keller! Wenn das so weitergeht, sehe ich Ihren Abschluss ernsthaft gefährdet.“ redete die Direktorin am nächsten Tag auf mich ein, während ich zusammen gesunken auf dem unbequemen Stuhl saß.

Mein Rücken schmerzte noch immer und ich zog mir den Ärmel so weit es ging über mein Handgelenk, damit sie die blauen Flecken nicht sah. Hätte sie das nämlich getan, hätte sie nachgebohrt und um keinen Preis der Welt hätte ich meinen eigenen Vater verraten. Deshalb saß ich bloß da und starrte auf meine Hände. Die ganze Zeit über konnte ich nichts anderes tun, als zu starren und an das Gesicht meines Vaters zu denken.

Er hat mich so wütend angesehen, wie schon lange nicht mehr. Wie eine Krankheit, mit der er sich auf keinen Fall anstecken wollte. Als wäre ich das Einzige in seinem Leben, das er niemals lieben könnte. Und ich wusste auch, wieso.

Ich wusste, wieso er mich so ansah. Wieso ihn mein Anblick so wütend machte und wieso es ihn so viel Kraft kostete, meine Existenz zu ertragen. Es waren nicht die Narben. Nicht meine Stimme, oder mein Charakter. Es war mein Gesicht. Denn ich sah aus wie sie.

Und trotzdem liebte ich meinen Vater.

Ich liebte ihn so wahnsinnig, dass ich alles hinnahm und ihm jedes Mal verzieh. Er war der Mann, der mich großgezogen hatte. Der zu Schulaufführungen kam und zu jedem meiner Fußballspiele. Wenn ich nachts Albträume hatte, war er es, der mich beruhigt und die Monster unter meinem Bett verjagte. Und nun sollte er zu einem dieser  Monster geworden sein? Nein, niemals.

Ich war an der Reihe, ihn zu beschützen, auch wenn das bedeutete, dass ich das Alles ertragen musste. Wenn es ihm half, über sie hinweg zu kommen und es zu verarbeiten, hätte es nichts gegeben, was ich nicht für ihn getan hätte.

Die Verletzungen an meinem Körper interessierten mich nicht, genauso wenig, wie die unzähligen Blessuren meiner Seele, solange er nur irgendwann wieder zu dem Mann werden würde, der mich mit unendlicher Liebe ansah und mich "Mein Junge" nannte, wie er es früher so oft getan hatte.

Sicher war es nicht gesund, so zu denken und so hätte sich auch Niemand behandeln lassen sollen, das wusste ich. Ich war keiner Illusion verfallen oder hoffnungslos optimistisch und ich sah mich auch nicht als Opfer. Ich wollte einfach meine Familie zurück.

Oder wenigstens einen Teil davon...

Scars ⇴ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋ ✓Where stories live. Discover now