My Little Angel #1

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Mein Herz pochte.
Mein Körper zitterte.
Mein Atem stockte.
Ich griff an die Türklinke mit meiner zitternden Hand, doch drückte sie nicht nach unten.
Jetzt hatte ich noch die Möglichkeit abzuhauen. Einfach zu verschwinden. Frei zu sein.

Jedoch musste ich mir sicher gehen, dass ich falsch liege mit meiner Vermutung. Deswegen habe ich diesen Termin beim Frauenarzt überhaupt erst gemacht. Das Ergebnis des Schwangerschaftstests muss nicht immer der Realität entsprechen. Diese Hoffnung prägte mein Herz weiterhin und half mir bislang Ruhe zu bewahren.
Es war ein Horror diesen Termin am Telefon zu vereinbaren. Der Gedanke, das ich schwanger sein könnte, weckte wieder die unerträgliche Übelkeit in mir, die ich mit tiefen Atemzügen einigermaßen verdrängte.
Okay, jetzt oder nie.
Ich öffnete die Tür und lief langsam zur Rezeption. Meine Nervosität stieg mir bis zum Hals. Mein Puls schlug immer schneller und mein Herz pochte wie verrückt.

"Guten Morgen", gibt die Frau an der Rezeption lächelnd von sich.
"Morgen", stotterte ich und lief zu ihr.
"Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"
"Ich habe einen Termin für heute", antwortete ich und schluckte ängstlich.
"Wie ist denn Ihr Name?"
"Helena Dorn."
Sie tippte eine Weile auf den Tasten des Computers, bis sie dann sagte, dass ich im Wartezimmer Platz nehmen darf. Dort setzte ich mich auf einen freien Stuhl und versuchte mich mit langweiligen Zeitschriften abzulenken, jedoch ohne Erfolg. So ließ ich schließlich meine Blicke über den Raum schweifen, welcher ziemlich voll war. Viele junge Mädchen mit ihren Müttern, aber auch viele Schwangere. Ich versuchte sie nicht direkt anzustarren, aber ich konnte meine Blicke nicht von ihnen abwenden.
Was wenn ich wirklich schwanger bin?
Dann würde mein Bauch irgendwann auch so groß und rund werden. Ich könnte mich dann nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen.
Wie soll ich so in die Schule gehen?
Oder wie soll ich es meinen Eltern sagen?
So eine große Kugel kann man doch nicht verstecken.

Ich kann einfach nicht schwanger sein. Ich darf es einfach nicht.
Ich bin erst achtzehn. Das kann ich einfach nicht. Ich habe noch eine tolle Zukunft vor mir und muss dafür meine Schule schaffen. Ich möchte schon irgendwann Kinder, aber nicht jetzt mit achtzehn. Nicht von ihm!
Ich weiß, dass ich in gewisser Weise auch selber Schuld daran bin, wenn ich wirklich schwanger sein sollte. Ich hätte nicht auf die Party gehen und trinken sollen.
Aber ich war halt neugierig und wollte dazu gehören. Ich wollte mich nicht immer ausgrenzen.

"Miss Dorn?", rief eine Stimme von der Rezeption und riss mich aus meinen Gedanken.
Ich stand auf und lief zu ihr.
"Zimmer drei. Die Ärztin kommt gleich", teilte sie mir höflich mit und führte mich zum Raum.
"Danke."
Sie lächelte und ging.
Ich setzte mich auf den freien Stuhl und war froh, dass wir in einem normalen Raum waren. An den Wänden hingen Bilder von Babys mit ihren Müttern.
Warum sehe ich in letzter Zeit überall Babys?!

In dem Moment öffnete sich die Tür und eine Frau mittleren Alters mit einem strengen Zopf und einem strahlenden Lächeln kam in den Raum.
"Guten Morgen, Miss Dorn. Ich bin die neue Ärztin, Katherine Lond", sagte sie höflich und gab mir die Hand.
"Guten Morgen."

Sie setzte sich auf ihren Platz vor den Computer und tippte auf den Tasten. Danach schaute sie mich lächelnd an und fragte mich, was denn los sei.
Bei dieser Frage musste ich schlucken.
Mir stockte der Atem und ich konnte keine Worte formulieren.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Jetzt realisierte ich nochmal, dass das alles kein Traum war, sondern die pure Realität.

"Miss Dorn? Ist alles okay?", fragte sie mich mit besorgten Augen.
"Ja, mir gehts gut. Ich bin hier, weil ich glaube, das..äh..ich schwanger bin", stotterte ich und wurde dabei immer leiser. Ich schaute auf meine Schuhe, weil es mir echt unangenehm war, dies zuzugeben.
"Entspannen Sie sich. Sie brauchen keine Angst zu haben. Also warum glauben Sie das denn? Haben Sie schon einen Schwangerschaftstest gemacht?", fragte sie nett. Ihre Stimme und ihre Art konnten mich irgendwie beruhigen und ich konnte wieder klar denken.
"Ich habe mit einem Jungen auf einer Party geschlafen. Da ich etwas angetrunken war, weiß ich nicht mehr, was im Detail passiert ist. Bislang war ich der Meinung, dass wir auch wirklich verhütet haben, doch seit fast zwei Monaten habe ich nun meine Periode nicht mehr bekommen. In letzter Zeit habe ich ständig Übelkeit und muss erbrechen. Dazu ist mir auch oft schwindelig. Ich habe einen Schwangerschaftstest gemacht und er war positiv", erklärte ich ihr.

Ich bin selber Schuld daran.Wie konnte ich einfach mit ihm schlafen? Warum?

"Machen Sie sich erstmal keine Sorgen. Vielleicht sind Sie auch einfach nur krank. Legen Sie sich erstmal auf die Liege und wir schauen mal mit dem Ultraschall nach. So können wir die Wahrheit erfahren", erklärte sie mir, während ich mich auf die Liege legte.
Ich zog mein Oberteil nach oben und machte meinen Bauch frei.
Sie schmierte mir ein kaltes, glitschiges Zeug auf meinen Bauch und schaltete das Gerät ein.
Mein Herz pochte wie wild.
Angst, Verzweiflung, Nervosität..All das breitete sich in meinem Körper aus. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so schlecht gefühlt. So einsam, hilflos und verzweifelt.

Das Display an der Seite ging an und zeigte alles schwarz.
"So jetzt schauen wir mal", sagte die Ärztin, setzte das Gerät auf meinen Bauch und suchte.
Ich wendete meine Blicke weg vom Display. Ich wollte es nicht sehen.
Ich hatte Angst, dass es wirklich wahr sein konnte.
Nach ein paar Minuten, bemerkte ich, dass sie mich ernst anschaute und in dem Moment wusste ich, dass mein schlimmster Albtraum wahr wurde.

My little AngelWhere stories live. Discover now