My Little Angel #85

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"Das Schicksal deines Kindes liegt in deinen Händen, Helena."

Manchmal muss man Dinge tun und Wege gehen, die man normalerweise niemals in Betracht ziehen würde. Das Leben stellt uns auf die Probe und testet unserer Stärke.
Die Stärke, die ich im Moment nicht mal annähernd besitze, da mir mein Lebensgrund an dem Abend entrissen wurde. In meinem Innern toben Stürme, bei dem Gedanken daran, wie es meinem Engel wohl gerade geht. Ob er Hunger hat. Ob er weint. Ob ihm kalt ist. All diese Fragen quälen mich Tag und Nacht. Den Schmerz in meinem Inneren kann man nicht in Worte fassen und mit jeder Minute ohne mein Baby, wird es immer unerträglicher. Ich kann es nicht mehr aushalten und habe keine Wahl. Deswegen musste ich diesen Weg wählen und stehe nun vor der alten Kirche. Es ist noch ziemlich früh am morgen und außer ein paar älteren Menschen, die mit dem Sonnenaufgang zur nächsten Bäckerei eilen, ist niemand unterwegs. Ungeduldig starre ich auf meine Armbanduhr, als plötzlich ein roter Wagen neben mir hält. Ein Mann mittleren Alters steigt aus dem Wagen und kommt mit langsamen Schritten auf mich zu. Mit jedem Schritt von ihm, steigt meine Nervosität und Angst.
"Du bist ja gekommen, Helena. Ich wusste doch, dass du ein braves Mädchen bist", gab er mit einem scheußlichen Lachen von sich, als er direkt vor mir stand. Seine dunklen Haare und sein langer Bart kombinierten sich perfekt zu seinem emotionslosen Gesicht. An dem Abend konnte ich nämlich nicht sein Gesicht erkennen.
Ich reagierte nicht auf seine Aussage, sondern schaute ihn wütend an.
"Bring mich nun zu meinem Kind. Los, ich bin hier."
"Immer mit der Ruhe, Mädchen. Glaubst du echt, ich bin so blöd?" Er schaute sich erstmal gut um, um sich sicher zu gehen, dass ich ihn nicht verarsche.
"Es ist niemand da. Ich bin ganz alleine hier. Das Leben meines Kindes kann ich nicht in Gefahr bringen", gab ich ernst von mir. Er richtete seine Blicke wieder auf mich und schaute mich einige Sekunden ernst an. Er suchte nach Hinweisen, doch diese würde ich ihm niemals geben.
"Das ist gut. Würde ich an deiner Stelle auch nicht machen, denn mit einem Anruf wäre das Leben deines Kindes beendet. So und nun gib mir dein Handy. Wir wollen ja nicht, dass du doch eine Dummheit begehst", sagte er mit einem grässlichen Lächeln.
Ohne etwas zu sagen, kramte ich mein Handy aus der Tasche und übergab es ihm.
"Noch was? Willst du auch noch meine Hosentaschen durchsuchen, oder was? Glaubst du echt, ich würde so ein Risiko eingehen?! Bring mich jetzt zu meinem Kind", seufzte ich genervt. Seine skeptischen Blicke durchbohrten mich, bis er mir dann die Autotür öffnete. Ohne ihn anzuschauen, stieg ich ein und nach ein paar Sekunden saß er er auch schon vor dem Lenkrad. Jedoch fuhr er nicht los, sondern richtete seine Blicke auf mich.

In seinen Händen hielt er einen Halstuch. Fragend schaute ich ihn an.
"Damit werden wir nun verhindern, dass du siehst wohin wir fahren, Helena. Wir wollen ja kein Risiko eingehen." Bevor ich erwidern konnte, hatte er es auch schon um meinen Kopf gebunden und ich konnte nichts mehr sehen.
Nach ein paar Sekunden fuhr er auch schon los. Mein Herz klopfte vor Nervosität und meine Angst stieg, obwohl ich wusste, dass ich nicht direkt alleine war.
Was dieser Typ nämlich nicht wusste, ist die Tatsache, dass sowohl die Polizei, als auch Ryan eingeschaltet sind und gerade alles mit verfolgen. Die Polizei hat mir eine kleine Kamera an mein Oberteil befestigt, die ziemlich gut verdeckt und winzig ist, sodass man sie definitiv nicht sehen kann. Sie hören gerade alles und folgen uns, ohne dies deutlich zu machen. Ich wusste ganz genau, welches Risiko ich mit dem Schritt eingegangen bin, doch ich musste es tun. Ich habe Ryan ein Versprechen gegeben und zudem besitze ich auch nicht die Kraft, alles alleine zu bewältigen. Ich will einfach nur mein Kind endlich in meinen Armen halten können. Mehr nicht.

"Dein Schritt war gewagt, Helena. Dein armer Freund wird dich bestimmt vermissen", sagte der Typ am Steuer plötzlich und ein hinterhältiges Lachen ertönte kurz darauf. Als ich nicht auf seinen Kommentar einging, sprach er weiter.
"Du fragst dich sicherlich wer ich bin und warum ich bei so einer Aktion mitgemacht habe, oder? Das kann ich dir aber gerne erklären. Ich hasse Menschen wie euch. Deshalb plagt mich mein Gewissen überhaupt nicht." Nun packte mich meine Neugier. "Warum? Was haben wir getan?", fragte ich ihn, doch er antwortete zunächst erneut mit seinem Lachen, welches mich mehr als nur aufregen konnte. Nachdem er nach einigen Sekunden anscheinend genug gelacht hatte, kam er dann doch zu Wort. "Die Frage lautet doch eher was ihr nicht getan habt, Helena. Der Vater deines Freundes hat mein Leben damals völlig zerstört. Ich habe alles verloren!"

My little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt