My Little Angel #12

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Sehr langsam und bemüht öffnete ich meine Augen. Zuerst konnte ich nur verschwommene Umrisse erkennen, bis dann nach einigen Sekunden alles wieder eine klare Gestalt bekam.

Ich war in einem hellen Raum mit großen Fenstern. An den Wänden waren große Bilder, auf denen Menschen glücklich lächelten. Irgendwie fand ich diese Bilder so paradox. Als ob das Leben immer nur 'Friede-Freude-Eierkuchen' ist! Das ich nicht lache!

Bis zu dem Moment konnte ich immer noch nicht klar sagen, wo ich mich eigentlich gerade befand oder was genau passiert war. Natürlich wusste ich, was ich gemacht hatte, aber danach war alles nur noch schwarz in meinem Gedächtnis. Deswegen wollte ich irgendjemanden finden, der mich aufklären konnte. Also versuchte ich mich langsam aufrecht hinzusetzen, was mir aber misslung.
Ich spürte stechende Schmerzen im Bauchbereich und war gezwungen mich langsam wieder hinzulegen.

Die Schmerzen ähnelten tausend Messerstichen. Sie raubten mir für ein paar Minuten meine ganze Kraft und Puste, bis sie sich dann wieder legten.

In dem Moment öffnete sich die Tür und eine Frau kam in den Raum. Sie trug weiße Klamotten und sah aus wie eine typische Krankenschwester. Nun wusste ich eigentlich auch sicher, wo ich mich gerade befand.

"Ahh..Sie sind wach! Wie geht es Ihnen? Haben Sie große Schmerzen, Miss Dorn?", fragte sie mich besorgt und stellte sich neben mein Bett.
"Eben ja, jetzt geht es wieder..", antwortete ich mit einem schwachen Lächeln. "..Bin ich eigentlich tot?"
"Nein, Sie sind definitiv am Leben..", gab sie lachend von sich. "..Sie hatten echt Glück gehabt, muss ich sagen! Hätte dieser junge Mann sie nicht rechtzeitig gerettet und hierher gebracht, wären sie jetzt höchstwahrscheinlich nicht mehr am Leben."
"W..Wie? Welcher junge Mann?", fragte ich sie verwirrt und schaute sie fragend an.
Ich fühlte mich gerade wie im falschen Film und verstand echt gar nichts.
"Sie wurden gestern Nacht von einem jungen Mann gerettet und hierher gebracht. Er war auch die ganze Nacht hier bei Ihnen und ist heute morgen dann gegangen, weil Ihre Familie kam. Er hat Ihnen also Ihr Leben gerettet, kann man sagen", erklärte sie mir mit einem strahlenden Lächeln.

Diese Person hat mir also mein Leben gerettet, obwohl es eh nichts wert war.
Plötzlich fiel mir auch noch etwas ein! Das Baby! Ist es noch am Leben..?

"Ähm...Was ist eigentlich..äh..mit dem Baby? Ist es.."
Meinen Satz konnte ich nicht beenden. Die Worte fehlten mir und ich wollte es einfach nicht aussprechen. Wenn dem Kind wirklich etwas passiert sein sollte, - und das nur wegen meinem Egoismus -, dann werde ich es mir niemals verzeihen! Wirklich nie! Zwar will ich das Kind eigentlich nicht, aber ein unschuldiges Wesen hat so ein hartes Schicksal wegen mir nicht verdient. Ich kann das einfach nicht.

"Keine Sorge! Ihrem Baby geht es super gut! Anscheinend ist das süße Kindchen echt stark und mutig, genau wie die Mutter."

Ihre Worte ließen mir einen großen Stein vom Herzen fallen und ich konnte wieder normal atmen. Für einen kurzen Moment dachte ich echt, es sei wirklich tot! Vor allem auch durch die großen Schmerzen von vorhin. Aber Gott sei Dank ist es noch am Leben! Irgendwie machte mich das schon glücklich.
"Danke für alles", sagte ich leise, während mir eine Freudenträne über die Wange lief.

Die Krankenschwester, die meine Erleichterung sah, lächelte.
"Sie haben das alles dem jungen Mann zu verdanken, nicht uns!"

Ja, das stimmt. Ich habe alles dieser Person zu verdanken.
Zwar war ich schon etwas glücklich immer noch am Leben zu sein und auch dankbar, aber trotzdem spürte ich auch einen Hauch von Enttäuschung und Trauer, weil ich selbst bei meinem Selbstmord gescheitert bin.
Ich hatte mein Ziel also mal wieder nicht erreicht! Ich habe immer noch das große Problem mit dem Kind auf mir sitzen, dem ich ohne diesen Mann, ein Ende gesetzt hätte!
Nun stieg in mir die Wut gegenüber dieser Person.
Das ständige Wechseln meiner Stimmung gehörte wahrscheinlich auch zur Schwangerschaft.

"Wissen Sie seinen Namen? Ich möchte mich...äh..bedanken!", log ich und hoffte das sie es mir abkaufen würde, was sie - zu meinem Glück -  auch tat.
"Hm..wie hieß er gleich nochmal..ähm...Ach, tut mir Leid! Die Funktion meines Gehirns ist wie die von einem schlechten Motor! Ich frage aber gleich mal die Kollegen. Die wissen bestimmt Bescheid", sagte sie lachend.
"Ich danke Ihnen."
"Es ist schön, dass Sie sich bedanken wollen! Ich geh dann mal weiter. Falls irgendwas los sein sollte, drücken Sie einfach auf den roten Knopf über Ihrem Kopf."
Ich nickte lächelnd.
Sie erwiderte mein Lächeln und ging.

Natürlich wollte ich mit bei Ihm 'bedanken', oder? Definitiv nicht!
Diese Person hat mir meine letzte Chance auf ein Ende genommen!
Was soll ich denn jetzt tun?

Ich legte langsam und zögernd meine Hand auf meinen flachen Bauch.
"Es tut mir so Leid! Ich war sehr egoistisch und habe in dem Moment nicht an dich gedacht! Ich hoffe du kannst mir verzeihen", seufzte ich und schloss die Augen, um mich ausruhen zu können. Mein Körper sehnte sich nämlich danach.

Die restliche Zeit verlief eigentlich ganz normal. Meine Eltern und Lene waren die ganze Zeit bei mir. Meinen Eltern gegenüber bewahrte ich eine kühle Distanz und sprach nicht oft mit ihnen. Auch sie schienen nicht das Bedürfnis zu haben mit mir zu sprechen. Das verletzte mich schon ziemlich, aber da ich wusste das meine Eltern nun mal so waren,  konnte ich gut damit umgehen und meine Gefühle unterdrücken.

Als meine Eltern dann am Abend weg waren, weil sie dringend zur Arbeit mussten, war ich nun alleine mit Lene. Ich erzählte ihr alles. Angefangen von dem Streit mit meinen Eltern, bis hin zu meiner unüberlegten Handlung. Lene tröstete mich die ganze Zeit und hörte mir einfach nur zu.
Sie schaffte es sogar mich mit anderen Themen zum Lachen zu bringen und mir meine Laune etwas zu verbessern.

Die Krankenschwester von vorhin kam auch währenddessen in mein Zimmer und schaute nochmal nach mir. Als sie dann das Zimmer verlassen wollte, fiel ihr noch etwas ein.
"Ahh..Miss Dorn! Der junge Mann, der Sie gerettet hat, hieß übrigens Ryan Draville!"

My little AngelWhere stories live. Discover now