My Little Angel #81

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Wie jeden Morgen wurde ich mal wieder durch Jasons Gekreische geweckt. Ich schleppte mich müde aus dem Bett und schlenderte in sein Zimmer. Mein kleiner Engel saß mal wieder in seinem Bett und Tränen liefen ihm über seine süßen Bäckchen.
"Ma..ma", sagte er unter Tränen und streckte seine kleinen Arme aus, weil er zu mir wollte.
Jedes mal wenn ich das Wort 'Mama' aus seinem Mund hörte, schmolz in mir alles dahin. Nie hätte ich gedacht, dass die Wirkung dieses Wortes so enorm sein könnte.
"Mama ist da, Engel..", gab ich mit einem breiten Lächeln von mir, nahm ihn in meine Arme und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.
"..Nein, nicht weinen. Oma schläft im Nebenzimmer und auch Papa schläft noch."
"Pa..pa." Er richtete seine himmelblauen Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte, auf mich.
"Genau, Papa. Was müssen wir also tun?"
Er legte seinen Finger auf seinen Mund und klatschte dann erfreut. Ryan hatte ihm das beigebracht und seitdem nutzte er diese Geste in jeder Gelegenheit.
"Mein schlauer Junge..", sagte ich lachend und strich ihm durch seine dunklen Haare, die er ebenfalls von Ryan hatte. Die Frage sollte also eher lauten, was er denn nicht von seinem Vater geerbt hat, oder? Leicht deprimierend ist das ja schon.

Im Wohnzimmer setzte ich Jason auf seine Kuscheldecke und machte den Fernseher an, damit er seine Kinderserien schauen konnte. So war er für eine Weile ruhig und abgelenkt, sodass ich mich um das Frühstück kümmern konnte.
Ich wollte heute ungern Jason neben Ryan legen, weil er Ruhe und Zeit braucht. Schlaf tut ihm bestimmt gut. Die Beerdigung ist nun vier ganze Tage her und die ersten zwei Tage waren die Hölle auf Erden. Sowohl Ryan, als auch seiner Mutter, ging es gar nicht gut. Doch Ryan zeigte dies nicht vor seiner Mutter. Er unterstützte sie so gut es ging und auch ihr tat es gut, Ryan an ihrer Seite zu haben. Mit mir hat sie kaum gesprochen und das nehme ich ihr auch nicht übel. In so einer Situation würde ich auch nur ungern sprechen wollen.

In Gedanken versunken bereitete ich das Essen vor und bemerkte gar nicht, dass Jason nicht mehr auf seinem Platz war. Erst als ich nach ihm schaute, weil er ungewöhnlich leise war, bemerkte ich, dass von dem Kleinen jede Spur fehlte.
"Ach Jason, wo bist du schon wieder hin gekrabbelt?" Ich schlenderte durch das ganze Haus und schaute in jedem Zimmer nach, bis ich plötzlich die Stimme von Ryans Mutter hörte.
"...Wolltest du mich heute morgen wecken, Jason? Komm mal zu mir.." Leise schlich ich mich neben die Tür, um sie beobachten zu können, jedoch so, dass sie mich nicht sehen konnten. Jason saß vor ihr auf dem Bett und spielte mit ihrer Tablettenpackung. Seine Oma eben geweckt zu haben, schien ihn gar nicht zu stören.
"..Du erinnerst mich an Ryan. Weißt du das? Als er noch ein Baby war, sah er genauso aus. Das ist unglaublich. Von deiner Mutter hast du wirklich nichts geerbt.."

Ach wirklich? Vielen lieben Dank aber auch. Darauf wäre ich bestimmt nicht von alleine gekommen.

Jason versuchte die kleine Packung zu öffnen, doch als er keinen Erfolg dabei hatte, war seine Laune wohl dahin. Er warf die Packung auf den Boden und wollte wieder irgendwohin krabbeln, doch vergaß dabei völlig, dass er auf einem Bett war und nicht auf dem Boden.
"Nein, du fällst gleich. Komm mal zu mir." Sie nahm Jason in ihre Arme und lehnte sich dann nach hinten. Jason gähnte müde, nahm seinen Schnuller wieder in seinen Mund und spielte mit ihrer Kette, die um ihren Hals hing.
"Gefällt sie dir? Die Kette war ein Geschenk von Jack, deinem Opa, damals in unserer Jugendzeit zu meinem Geburtstag..." Ihre nun tränenden Augen waren nachdenklich nach vorne gerichtet.
"...Weißt du, dein Opa war kein schlechter Mensch, Jason. Auch wenn dein Vater ihn gar nicht leiden kann. Jack war kein schlechter Mensch. Er war zwar ziemlich kalt und distanziert Ryan gegenüber, aber er kannte es nicht anders. Dein Opa hat seine Mutter als kleines Kind an einer Krankheit verloren und seinen Vater nie kennengelernt. Er hat in schrecklichen Zuständen gelebt und hat deshalb versucht sich etwas aufzubauen, was er auch geschafft hat. Doch irgendwann hat sowohl er, als auch ich, unsere Grenzen vergessen und uns verleiten lassen. Wir haben unser einziges Kind vernachlässigt und das nur wegen Geschäften. Wir waren grausame Eltern und ich schäme mich wirklich dafür. Das Ryan uns nun hasst, nehme ich ihm nicht übel.." Sie richtete ihre Augen wieder auf Jason, der in ihren Armen lag und sie konzentriert beobachtete, so als ob er jedes Wort verstehen würde. "..Aber dennoch haben wir beide Ryan immer geliebt. Er war unser Sonnenschein, unser Baby, unser ein und alles. Auch wenn dein Opa das nie so oft gezeigt hat. Ryan war sein Stolz, Jason. Bei seiner Geburt hat er damals vor Freude sogar geweint und Jack weint normalerweise nie.." Bei ihrem letzten Satz huschte ein schwaches Lächeln über ihre Lippen, so als ob sie sich an die schönen Tage erinnern würde. Doch das Lächeln verschwand gleich danach wieder und Tränen fanden ihren Weg über ihre Wangen. "..Jack hat normalerweise nie geweint, meinte ich. Er ist ja jetzt weg.."

My little AngelWhere stories live. Discover now