My Little Angel #21

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"N..Nein, ich will das nicht", stotterte ich und versuchte mich aus seinem festen Griff zu befreien.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Obwohl ich nun wusste, dass ich keine Abtreibung wollte, konnte ich nicht entkommen.
"Keine Angst! In einer Stunde ist alles vorbei! Sie werden mir dann danken! Und jetzt hören Sie auf ihren Arm zu bewegen", seufzte er genervt und verstärkte seinen Griff.

Bei was für einem Psychopathen bin ich denn gelandet?!

"Nein! Bitte lassen Sie!"
Egal was ich auch tat, dieser kranke Kerl wollte einfach nicht locker lassen. Die Krankenschwestern schauten ihn ebenfalls geschockt an.
"Herr Will? Sie können Sie doch nicht dazu zwingen. Sie hat doch nein gesagt..-", gab die alte Krankenschwester geschockt von sich.
"Ruhe da! Miss Dorn! Bleiben Sie nun ruhig", befahl er mir mit einem ernsten Ton.
Nun reichte es mir.
"Nein, verdammt nochmal! Ich habe nein gesagt", schrie ich und das, was ich dann tat, realisierte ich erst danach.
Mit meinen Füßen verpasste ich ihm einen kräftigen Stoß zwischen seine Beine, woraufhin er die Spritze fallen ließ und sich, seinen 'Motor' haltend, auf den Boden kniete. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen.
"Du kleines Miststück", zischte er wütend.
Ich war vor lauter Angst wie in eine Schockstarre versetzt. Während die jungen Krankenschwestern sich zu dem Mistkerl knieten, um ihm zu helfen, nahm die Ältere meine Hand und führte mich aus dem Raum.
"Keine Angst! Sie haben das Richtige getan", flüsterte sie mir dabei liebevoll zu.

Im Vorraum stand Lene entsetzt vor mir, weil sie meine Schreie wahrscheinlich mitbekommen hatte. Sie nahm mich sofort in ihre Arme und strich sanft durch meine Haare, während ich nun, durch die Angst die ich eben hatte, laut zu heulen begann.

"Alles ist vorbei! Ich bin bei dir, Schatz. Alles wird gut", flüsterte sie und drückte mich fest an sich.
"Lene, ich will mein Baby behalten. Du hattest Recht. Es ist auch mein Kind", schluchzte ich und Lenes Augen strahlten voller Freude.
"Ich werde Tante", murmelte sie mit einem breiten Lächeln.
Selbst mir huschte ein Lächeln über die Lippen bei dem Satz.
"Und ich Mutter", schluchzte ich mit einem schwachen Lächeln.

Die Krankenschwester, die die ganze Zeit bei uns stand, lächelte erfreut.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und der Psycho von vorhin kam mit den zwei Krankenschwestern aus dem OP-Raum.
Als er mich sah, nahm sein Gesicht eine gruselige Gestalt an.
"Das wirst du noch bereuen! Hörst du?", zischte er wütend und verließ den Raum.
"Was ist denn das für ein Arzt?!" Lene schaute ihm geschockt hinterher.
"Naja, liegt auch an seiner Vergangenheit", sagte die Krankenschwester leise.
Als sie unsere fragenden Blicke darauf bemerkte, schlug sie uns vor in ein Café zu gehen, damit ich mich beruhigen und sie uns alles erzählen konnte.

Das taten wir dann auch. Wir fuhren in das nächstbeste Café und bestellten uns unsere Getränke. Wir setzten uns danach an einen freien Tisch und sie begann zu erzählen.
"Seine geliebte Ehefrau hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, schwanger werden zu können, obwohl sie beide es aus tiefstem Herzen wollten. Sie nahmen jede Beratung an und nutzten alle Therapiemöglichkeiten, die es gab. Doch es brachte nichts.
Gerade als sie ihre Hoffnungen aufgegeben hatten, wurde sie plötzlich doch schwanger.
Sie waren beide sehr glücklich. Das sah man jeden Tag an ihren strahlenden Gesichtern. Ah, sie haben beide übrigens in der Klinik gearbeitet als Ärzte, daher kannte ich auch seine Frau. Naja, die Schwangerschaft verlief bei ihr sehr gut und Herr Will tat alles, um sie glücklich zu machen. Aber dann geschah kurz vor der Geburt diese Tragödie."

"T..Tragödie? ", ertönte es aus Lenes und meinem Mund gleichzeitig.

"Ja, seine Frau erlitt einen großen Unfall. Sie wurde von einem rasenden Auto angefahren, als sie über die Straße gelaufen ist. Das paradoxe daran ist ja, dass der Mann in dem Wagen so schnell gefahren ist, weil seine schwangere Frau hinten in ihren Wehen lag. Nun ja..letztendlich konnten sie sein Kind im Krankenhaus nicht mehr retten", seufzte sie traurig und senkte ihre Blicke.

"Ach du meine Güte", gab ich leise von mir. Ich konnte mir gerade nichts schlimmeres vorstellen. Irgendwie hatte ich gerade doch Mitleid mit ihm.
"Aber die Geschichte geht noch weiter. Seine Frau hatte danach große Depressionen. Sie fühlte sich sehr schuldig und schließlich nahm sie sich ihr eigenes Leben, indem sie von einer Brücke sprang. So verlor er gleich beide innerhalb von einem Monat und seitdem ist er so eingebildet und distanziert.
Aber in der Klinik kann auch jeder sein Handeln verstehen, denn das was er durchmachen musste, ist nicht gerade leicht. Nun ja...Deswegen macht er seinen Beruf sehr gerne, also das mit den Abtreibungen. Er kann es nicht ertragen andere Leute mit ihren Babys zu sehen, weil sein Kind niemals das Licht der Welt erblicken konnte. Ich kann Sie natürlich verstehen, wenn Sie sauer auf ihn sind. Sie haben auch das gute Recht dazu! Oft steigert er sich zu sehr in seine Arbeit. Vor allem wenn Schwangere ihr gesundes Kind mit ihren eigenen Händen töten wollen, während er damals mit seiner Frau alles dafür getan hätte, um ein Kind zu kriegen. Da erledigt er es liebend gerne, weil er denkt dass solche Mütter kein Baby verdienen."

So eine Geschichte hatte ich echt nicht erwartet. Die Vergangenheit macht Menschen zu denen, die sie heute sind. Er tat mir gerade sehr Leid. Ich kann seine Handlung wirklich voll nachvollziehen. Ich war nun mal egoistisch mit meiner Entscheidung und habe nie an diese Seite der Dinge gedacht.

"Aber dennoch kann er seine Wut doch nicht an fremden Leuten auslassen?!", sagte Lene empört.
"Ja, da haben Sie natürlich Recht. Aber manche Menschen können auf eine andere Art und Weise nicht mit ihrer Wut umgehen."

"Lene, ich verstehe ihn. Ich war wirklich sehr egoistisch und habe nicht nachgedacht. Aber das ganze Geschehen hat mir etwas gezeigt.." Ich legte meine Hand auf meinen Bauch und lächelte.
"..Nämlich das ich mein Baby haben will! Und mir ist dabei völlig egal, ob sich die ganze Welt gegen mich stellt! Das wichtigste ist nämlich mein Kind."

My little AngelWhere stories live. Discover now