My Little Angel #27

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Mirco hatte Recht. Das Erzählen hat mir echt gut getan. Ich fühlte mich befreit und irgendwie 'leichter'. Ich war ihm gerade echt dankbar. Er hatte mir einfach zugehört, ohne mich für irgendwas zu verurteilen. Das habe ich die ganze Zeit gebraucht. Eine Person, die mir einfach mal zuhört und mich nicht sofort zwingt etwas zu ändern. Vielleicht hatte meine Klassenlehrerin ja wirklich Recht und ein Psychologe könnte mir helfen.

Selbst der Gedanke, dass ich ihr gerade zum ersten mal in meinem Leben Recht gab, brachte mich zum schmunzeln. Dass ich das mal denken würde! Die Schwangerschaft ändert einen wirklich komplett.
Man ist super emotional und kriegt ständig Heulattacken. Mal ist man glücklich und gut drauf, - ohne einen wirklichen Grund - , aber dann im nächsten Moment heult man und ist wütend. Die arme Männerwelt, die das Opfer der Frauen dabei sind und alles ertragen müssen!
Dann gibt es Zeiten, in denen man einen extremen Fressanfall hat. So wie ich jetzt. Ich konnte es auf der langen Heimfahrt nicht mehr aushalten und hatte Mirco dazu gezwungen zum Mc Drive zu fahren.

Nun hatte ich endlich was ich wollte. Selbst ich muss mir selber eingestehen, dass ich gerade fresse wie ein Schwein. Ich hatte mir so viel bestellt, sodass mich neben Mirco, auch die Frau an der Kasse komisch angeschaut hat, als sie bemerkte, dass die ganze Bestellung nur für mich war.
Schon etwas peinlich, aber naja kann man jetzt auch nicht ändern. Ich habe nun mal Hunger.
Ich biss voller Genuss in meinen Burger. Eigentlich war ich nie der Fan von Fastfood, aber wenn man einmal am verhungern ist, ist selbst das lecker. Mirco, der neben mir am Lenkrad saß, begann zu lachen.

"Was denn?", fragte ich mit vollem Mund und ließ mich nicht beim Essen stören.
"Ich bin nur..äh..baff."
Ich kaute fertig und nahm einen Schluck von meinem Sprite.
Als ich dann fertig war, konnte ich endlich normal reden.
"Warum?"
"Nun ja..äh..ich bin begeistert, dass du so viel essen kannst! Echt krass!" Seine Blicke wendete er wieder auf die Straße.
"Bitte? Das tu ich doch gar nicht", erwiderte ich beleidigt.
Mirco konnte sich das Lachen wieder nicht verkneifen.
"Nein, gar nicht! Du doch nicht!" Die Ironie in diesem Satz hätte jeder Dumme hierbei gehört.
"Ha Ha Ha...und außerdem darf ich das, ja? Ich bin schwanger und mein Baby muss groß und stark werden! Also muss ich mich ausreichend und gesund ernähren. Sonst esse ich auch nicht so viel",erklärte ich ihm überzeugt.
"Gesund, ja?" Man sah deutlich, dass er gerade versuchte sich das Lachen zu verkneifen.
Ich schaute auf meine Bestellung.
"Nun ja, heute ist eine Ausnahme. Ihr Männer könnt das eh nicht verstehen. Ihr habt es immer leichter im Leben."
"Wer sagt das denn?", fragte er nun lachend und hielt dabei seine Blicke auf die Straße gerichtet.
"Das ist die Wahrheit! Ihr habt keinen Blutverlust jeden Monat und dabei Krämpfe bis zum geht nicht mehr. Außerdem müsst ihr euch auch nicht schminken und stylen, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Nein, ihr müsst nichts! Eure Beine rasieren müsst ihr auch nicht. Weißt du wie oft ich mich schon dabei geschnitten habe?! Dann auch beim Sex, ja? Da habt ihr nur euren Spaß und habt keine Sorgen. Ihr habt ja nichts zu verlieren oder zu befürchten dabei! Aber wir Frauen? Wir können schwanger werden. Dann werden wir fett und hässlich! Am Ende müssen wir unter Wehen ein Kind auf die Welt bringen und das durch ein kleines Loch, ja?! Das ist hart und schmerzhaft! Und ich habe jetzt schon Angst davor. Ihr Männer könnt das niemals verstehen. Ihr könnt einfach nur euren Spaß beim Sex haben und dann abhauen." Die letzten zwei Sätze schluchzte ich. Selbst ich war leicht verwundert über mein Verhalten gerade.

Auch Mirco starrte mich verwirrt an.
"Was ist los? Warum weinst du jetzt?", fragte er mich mit großen Augen.
"Ich weiß auch nicht. Stimmungsschwankungen gehören nun mal zur Schwangerschaft. Ich darf das." Nun lachte ich wieder.
Mirco wirkte nun noch verwirrter.
"Muss ich das verstehen?", fragte er lächelnd.
"Nein, das kann man nicht verstehen. Ich versteh es ja selber nicht mal", antwortete ich lachend und steckte ihn damit an.

Das ging dann die ganze Fahrt lang so. Ich laberte irgendeinen Mist und dann lachten wir wieder. Ich hatte schon extreme Bauchschmerzen vom ganzen Lachen bekommen. Aber dennoch tat es gut.
Das Treffen mit Mirco war zwar ein Zufall, aber ein wirklich schöner. Denn genau so eine Person habe ich gebraucht. Zwar konnte ich auch durch Mirco ihn nicht vergessen, aber ich glaube das es auch immer so bleiben wird. Ihn vergessen werde ich nie. Ich kann es einfach nicht. Mein Herz will es einfach nicht. Er ist eine schöne und gleichzeitig schmerzvolle Erinnerung. Das wird auch immer so bleiben.

"Wir sind da." Mircos Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich bemerkte das wir schon vor meinem Haus standen.
"Danke für alles, Mirco. Und tut mir Leid, wenn ich dich durch mein scheiß Gelaber genervt habe."
Sein Grinsen zauberte mir ein Lächeln über die Lippen.
"Nein, definitiv nicht! Eher im Gegenteil. Ich habe schon so lange nicht mehr so viel gelacht und Spaß gehabt. Ich hoffe, dass wir uns auch wiedersehen können?", gab er grinsend von sich und schaute mich mit großen Augen an.
Seine Frage erfreute mich sehr.
"Ja, klar! Warte, ich gebe dir meine Nummer." Ich kramte schnell einen Kugelschreiber aus meiner Tasche, aber ein Blatt fand ich leider nicht. Plötzlich hielt er seine Hand vor mein Gesicht und lächelte.
Lachend schrieb ich ihm dann meine Nummer auf seine Hand, verabschiedete mich von ihm und stieg aus. Dann war er auch schon weg.
Abends in meinem Bett drehten sich meine Gedanken nur um den heutigen Tag und endlich konnte ich mal wieder entspannt einschlafen.

My little AngelWhere stories live. Discover now