"Big Ryan is watching"

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„Fährst du mit Damian mit?", wollte Lily an der Schule von mir wissen, als wir das graue Gebäude verließen und raus auf den sonnigen Schulhof traten

„Schön wär's. Der Idiot hatte vor einer Stunde Schluss und holt mich nicht ab", entgegnete ich augenrollend.

„Und wie willst du hier jetzt wegkommen?", hinterfragte sie verwundert.

„Mason", erwiderte ich seufzend

„Pass auf, dass er dir nicht zu nah kommt", gab sie leise von sich. Ich rollte nur die Augen und lachte leicht auf.

„Alle denken echt das Gleiche über ihn", stellte ich amüsiert fest.

„Der muss doch bald ne Strichliste führen, mit wem er schon was hatte und mit wem nicht", kommentierte sie lachend.

„Er kann auch ganz nett sein", nahm ich den großen schlanken Jungen in Schutz.

„Nett ist der Anfang von allem", meinte Lily grinsend

„Nicht bei mir. Big Ryan is watching", widersprach ich ihr ebenfalls grinsend

„Wo war er heute eigentlich?", hakte Lily fragend nach. Ich legte die Stirn in Falten und seufzte.

„Das wüsste ich auch gerne, darum erkunde ich mich jetzt mal bei ihm", entgegnete ich leicht genervt und verabschiedete mich von meiner Freundin. Ich stieg in den Pick Up von Mason und wir reihten uns in das Verkehrschaos der Highschool ein.

„Wo soll's hingehen?", wollte Mason wissen und ließ die Fensterscheibe runter, weil es so warm war.

„Zum Boxclub", gab ich seufzend von mir und sah aus dem Fenster.

„Du suchst Ryan, oder?", hakte er nach.

„Ja, wie immer eigentlich", erwiderte ich murmelnd.

„Ist das nicht auf Dauer anstrengend?", fragte er vorsichtig nach. Ich sah ihn amüsiert an und musste dabei den Kopf schütteln

„Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles", gab ich nur als Antwort von mir.

„Na wenn das so ist, kann er sich ja glücklich schätzen", entgegnete Mason

„Wieso?", wollte ich nun wissen.

„Weil es glaube ich, außer dir, niemand mit ihm so lange aushält", erwiderte er schulterzuckend. Ich nickte leicht

„Kann schon sein", meinte ich nur und erblickte das dunkel grüne Auto von Ryan vor dem Boxclub geparkt

„Danke fürs Fahren. Mein Bruder hatte es ja mal wieder nötig gehabt", bedankte ich mich bei Mason und stieg aus dem Auto. Zielstrebig betrat ich den Boxclub und augenblicklich war ich umhüllt von abgestandener und verbrauchter Luft. Es war relativ dunkel in dem großen Raum und im Ring standen zwei breitgebaute Männer. An dem Boxsack schlug sich jemand die Seele aus dem Leib und an den Reckstangen machten einige Klimmzüge. Auf dem, mit dünnen Matten ausgelegten Bereich, trainierte eine kleine Gruppe Kickboxer. Dies war der Rückzugsort von meinem Freund. Das hier war der Ort, an dem jede Uhr stillstand für ihn. Hier gab es nur ihn, seine Jungs und sein Trainer. Am Boxsack erblickte ich meinen breitgebauten, nassgeschwitzten und konzentrierten Freund. Er hatte wieder Schule geschwänzt, um hier zu sein. Ich legte meine Schultasche bei den Spinden ab und machte mich auf den Weg zu Ryan.

„Hey Elo", sprach mich Jax an, ein guter Freund von Ryan.

„Hi. Alles gut?", wollte ich wissen und lächelte ihn leicht an. Jax ließ seine Boxhandschuhe nacheinander auf den Fußboden fallen und nickte leicht

„Ja doch, aber Ryan ist wieder am Ende", erwiderte er und nickte in Richtung meines Freundes.

„Was meinst du damit?", hakte ich nach

„Er kam heute Nacht gegen 3am hier zu gedröhnt an. Wir haben ihn hier behalten und seit 10am trainiert er jetzt", erklärte Jax. Ich nickte in Gedanken.

„Ich guck mal was ich machen kann", erwiderte ich seufzend. Ich stellte meine Tasche bei den Spinden ab und ging auf Ryan zu. Er trug Kopfhörer und Boxhandschuhe und hämmerte im gleichmäßigen Rhythmus auf den Boxsack ein. Da ist keine Lust hatte aus dem Nichts aufzutauchen und ihn wohlmöglich auch noch zu erschrecken, stellte ich mich so neben ihn, dass er mich von alleine wahrnahm. Als er mich erblickte ignorierte er mich kurz, realisierte dann aber scheinbar doch, dass ich nicht irgendein Mädchen war, sondern seine Freundin. Schwer ausatmend ließ er vom Boxsack ab, hing sich seine Kopfhörer um Hals und sah mich mit schiefgelegtem Kopf fragend an.

„Was?", wollte er wissen.

„Eigentlich wollte ich wissen, warum du heute nicht in der Schule erschien bist, aber die Frage wurde mir schon beantwortet", erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ryan rollte die Augen und zog sich die Boxhandschuhe aus.

„Was hat Jax gesagt?", harkte er nach

„Ich denke mal die Wahrheit", konterte ich und sah ihn provokant an.

„Was hat er gesagt?", wiederholte Ryan sich und klang ein wenig gröber mit der Tonlage. Ich seufzte genervt auf und schüttelte in Gedanken den Kopf.

„Du kamst hier zu gedröhnt in der Nacht an, die haben dich hier behalten und dann hast du am Vormittag angefangen zu trainieren", entgegnete ich und sah ihn abwartend an. Ryan sah zu mir runter, biss nachdenklich auf seiner Unterlippe rum und sah sich dann im Boxclub um.

„Du verstehst es nicht", meinte er nur

„Wenn einer dich versteht, dann wohl ich. Du musst nur mit mir reden", widersprach ich.

„Elo, wen interessiert es ob ich in der Schule erscheine oder nicht? Die Lehrer haben mich eh aufgegeben und meine Eltern sind im Trennungsstress und interessieren sich einen Scheißdreck für mich. Ich verdiene nebenbei Geld im Restaurant und mit Kämpfen", gab er seufzend von sich.

„Das verstehe ich ja noch", erwiderte ich seufzend.

„Wo liegt denn das Problem, weswegen du hier ankommst und sauer bist?", wollte er gefrustet wissen.

„Wenn es dich glücklich macht so zu leben und du es in Kauf nimmst nie einen richtigen Abschluss zu haben, dann bitte. Zieh es durch und mach dein Ding. Ich kenne genug Leute in meinem Umfeld, die auch ohne Abschluss überlebt haben, aber was zum Teufel haben die Drogen in deinem Plan von Leben zu tun?", entgegnete ich wütend. Ryan schüttelte den Kopf, ging im Kreis und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?", kam es nur pampig von ihm.

„Gegenfrage: Wie kann ein Leistungssportler wie du es in Kauf nehmen, seinem Körper so mit Alkohol und Drogen zu schaden?", konterte ich.

„Eleanor!", machte er mich wütend an. Ich sah ihn unbeeindruckt an.

„Ryan", erwiderte ich mit ruhiger, aber bedrohlicher Tonlage. Mein Freund atmete sichtbar tief ein und ging dann schweigend in Richtung Umkleiden. Es war immer derselbe Punkt, weswegen wir stritten. Und jedes Mal endete es ohne Lösung.

O U T L A WWhere stories live. Discover now