„War's das jetzt?"

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Alleine saß ich in dem kahlen, einsamen und kalten Verhörraum der Polizeiwache. Stur starrte ich auf die Tischplatte vor mir. Noch immer stand ich unter Schock. Ich konnte es einfach nicht begreifen und wollte es auch nicht. Es fühlte sich so unreal an. Das konnte alles nicht wahr sein. Es machte einfach keinen Sinn. Noch immer pochte mein Herz wie wild von innen gegen meinen Brustkorb und es fühlte sie an, als würde jemand von innen mit einem Hammer mich immer wieder schlagen. Die Tür zum Verhörraum wurde geöffnet und jemand kam hinein. Die Person kam immer näher, blieb schlussendlich neben mir stehen und legte seine Hand auf meine Schulter. Ich sah kurz über meine Schulter und erblickte den tätowierten Arm, den braunen Vollbart und die braunen Haare. Es war Owen. Wie in Trance wanderte mein Blick wieder zu der Tischplatte. Sie war braun, einfach dunkelbraun. Ich konnte sie anstarren ohne mir über sie Gedanken zu machen.

„Elo", kam es auf einmal behutsam von Owen, „wir müssen weg von hier"

„Warum?", wollte ich fast tonlos wissen. Owen seufzte leicht, packte mich unter den Armen und zog mich vom Stuhl hoch.

„Du kannst nicht hier bleiben", erwiderte er nur und legte einen Arm stützend um mich ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und wollte nicht weiter gehen, doch Owen schob mich behutsam weiter.

„Eleanor", kam es auf einmal von einer Männerstimme und als ich hochsah, erblickte ich das traurige, fassungslose und verletzte Gesicht von Mr. Carter. Hinter ihm stand seine Noch-Ehefrau, ebenfalls völlig aufgelöst. Ich schüttelte minimal den Kopf und Owen machte mit einer Geste deutlich, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Vor der Polizeiwache stand einer der Vans mit laufendem Motor. Thomas saß hinterm Steuer und als er uns sah, schaltete er von Standlicht auf Abblendlicht. Er atmete sichtbar ein und wieder aus, als ich hinten in den Van stieg und hinter mir die Schiebetür zufiel. Schweigend fuhr er uns zur Werkstatt. Da Werkstattgelände lag in der Dunkelheit dort. Einige Hunde bellten, als wir uns näherten und nur durch die Fenster des Clubhauses fiel Licht auf den Hofbereich. Das Flutlicht, welches eigentlich über der Tür zum Büro leuchtete, war nicht an. Owen öffnete die Schiebetür und ich kletterte aus dem Van. Schweigend und zügigen Schrittes lief ich in Richtung Büro, trat ein und ging direkt weiter in Richtung Clubhaus. An der Theke saßen drei Members, Sally stand am Tresen und am Billardtisch standen Jayden und Evan. Das Clubhaus war erstaunlich leer. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. 1am. In Gedanken schüttelte ich den Kopf. Vor 5 Stunden endete sein Leben. So plötzlich. So unerwartet. Das konnte doch nicht einfach so passieren?

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?", wollte Jayden skeptisch wissen. Ich sah ihn einfach nur mit meinem schmerzverzerrten und traurigen Gesichtsausdruck an und ging dann schweigend zu den Sofas. Buddy kam auf mich zu und sprang neben mich auf Sofa. Er kuschelte sich dicht an mich und ich legte mich so neben ihn, dass mein Kopf auf seinem Rücken lag. Stumm flossen einzelne Tränen meine Wagen runter. Ich konnte sie nicht kontrollieren, sie kamen einfach. Augenblicklich lief meine Nase und ich musste mit einem Taschentuch den doppelten Wasserfall bekämpfen.

„Alle mal her hören", hörte ich die ernste Stimme von Thomas. Kurz darauf bewegten sich die anderen und kamen zu einer Kreisförmigen Aufstellung zusammen. Ich verstand nicht genau, was Thomas sagte, doch ich konnte die Worte ‚Unfall', ‚Ryan' und ‚tot' hinaus hören. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Mein Kopf wurde leer. Er wurde einfach leer. Ich hörte Schritte, wie sie in meine Richtung kamen, doch unmittelbar danach ertönte ein „Evan, lass sie" von Jayden. Weinend schlief ich mit dem Kopf auf Buddy ein. Völlig erschöpft, ratlos und zu tiefst verletzt.

Erst am späten Nachmittag schaffte ich es, dass Sofa längere Zeit zu verlassen, als nur um aufs Klo zu gehen. Außer den Members und Sally, die in der Nacht im Clubhaus gewesen waren, wusste niemand von dem Geschehenen. Mit verschränkten Armen vor der Brust, zerzaustem Zopf, elendem Gesicht und den Klamotten vom Vortag ging ich in die Werkstatt. Der alltägliche Betrieb war in vollem Gange.

„Hi Eleanor", rief mir Steve zu. Ich nickte ihm nur zu, doch er bemerkte es gar nicht, schließlich hatte er genug zu tun. Owen kam großen Schrittes telefonierend vom Innenhof in die Werkstatt.

„Charles, einige Dinge kann man nicht am Telefon klären. Du musst herkommen!", gab er wütend in das Handy von sich und bemerkte erst dann mich. Er blieb stehen und lächelte mich liebevoll an. Dann hörte er meinem Vater zu.

„Nein, es ist niemand ein Auto über den Fuß gefahren und die Bullen sind auch nicht der Grund", erwiderte Owen genervt. Er atmete tief ein und schüttelte minimal den Kopf.

„Komm einfach her und seh es dir selbst an", meinte Owen nur noch seufzend und legte auf.

„Geh zu Sally und lass dir was zu essen machen", richtete er nun an mich. Ich schüttelte den Kopf.

„Kein Hunger", kam es nur schulterzuckend von mir.

„Lass dir jedenfalls einen frischen Kaffee kochen, verstanden?", wollte er fürsorglich wissen. Ich nickte und ging zurück ins Clubhaus. Sally stand in der Küche und räumte den Geschirrspüler aus, als sie mich hörte, sah sie mich erst besorgt und dann liebevoll an.

„Möchtest du etwas essen?", fragte sie. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Elo, du musst was essen. Ich koche dir jetzt einen Kaffee und mach dir einen leckeren Toast", schlug sie vor und machte sich direkt, ohne meine Zustimmung, an die Arbeit. Ich setzte mich auf einen Barhocker und wartete, bis sie wieder zu dem Tresen kam. Mit einem herzlichen Lächeln stellte sie mir das Tablett vor die Nase. Ich griff zu dem Becher mit Kaffee, setzte ihn an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck der schwarzen Brühe. Mein Blick lag starr auf der Wand mir gegenüber und ich spürte schon wieder Tränen, wie sie unkontrolliert meine Wangen runterliefen. War das jetzt das, was mich die nächste Zeit erwartete? Innere Leere, fokussierte Blicke gegen die Wand, um den Kopf leer zu behalten und unkontrollierbare Bäche aus Tränen?

„War's das jetzt?", wollte ich unter Tränen von Sally wissen und sah sie traurig an. Die Blondierte junge Frau atmete tief ein, ging hinter dem Tresen rum und stellte sich neben mich. Sie legte ihr Arme um mich und zog mich in eine warme Umarmung.

„Soulmates never die", hauchte sie in mein Haar.

O U T L A WWhere stories live. Discover now