"Das ist es nun mal, wenn du jemanden liebst"

649 49 0
                                    

Es war der Tag von Judys Beerdigung gekommen. Dad hatte Judys Geheimnis nicht an den großen Tisch gebracht und damit sein Versprechen eingelöst, dass die Wahrheit über Judys Vater mit Judy zusammen in ihr Grab wandern und dort verschwinden würde.

Zu Judys Beerdigung waren nicht viele gekommen. Zumindest nicht so viele, wie zu den Beerdigungen von Tacca oder Bryan. Es waren nur das Chapter Rebel Rider Ontario und einige Bekannte von ihr anwesend. Der Sarg der Blonden stand auf einer Anhöhe unter den Bäumen und war nur dezent geschmückt. Nicht weil Judy es nicht wert war, sondern weil sie es selbst nicht gewollt hätte. Sie war immer bescheiden gewesen und gab sich mit wenig zufrieden.

Wie ich hier so stand, in mitten der ganzen Members, und auf ihren Sarg sah, kam mir wieder ein Satz in den Sinn, den sie einst zu mir sagt, als wir gemeinsam am Bett des sterbenden Taccas saßen. ‚Familie ist, für wen du stirbst'. Judy starb für die Rebel Rider. Die Tatsache, dass ihr Vater ein Devil war, hatte ich so schwer zu schaffen gemacht, dass sie in den vergangen Wochen noch stärker Heroin konsumiert hatte. Es muss sie so in die Verzweiflung getrieben haben, dass sie sich schlussendlich den Golden Schuss setzte. Die Angst, dass einer der Members die Wahrheit rauskriegen und sie dann an den großen Tisch bringen würde, war einfach zu groß gewesen. Sie wollte schlichtweg kein Teil der Devils sein. Judy hat sich immer voll und ganz als ein Rebel Rider gefühlt und das sollte sich nicht ändern. Ich konnte sie einerseits verstehen, doch andererseits erschrak ich vor dem Egoismus, den sie uns durch ihren Tod gegenüber brachte. Es gab keinen Tag, an denen ich mich erinnern konnte, an welchem Judy egoistisch gehandelt hatte. Sie war vorlaut, selbstbewusst und vielleicht ein wenig grob gewesen, aber nie hat sie nur an sich gedacht, wenn sie Entscheidungen getroffen hat. Umso wunderte es mich, dass sie es jetzt getan hatte. Sie nahm es in Kauf, dass wir hier alle mit dieser Leere zurückblieben, währenddessen sie durch ihren Tod den Frieden fand. Wobei, ich war mir nicht sicher, ob Judy sich bewusst war, dass ihre letzte hohe Dosierung sie umbringen würde. Vielleicht hatte sie sich nur ins Clubhaus eingeschlossen, um ihre Ruhe zu haben und nicht, weil sie wollte, dass er die Members sie finden würden. Dieser Gedanke trieb mir die Tränen in die Augen. Was wenn sie sich ausversehen umgebracht hat? Es war sehr unwahrscheinlich. So ziemlich alles sprach dafür, dass sie es bewusst tat.

„Elo?", raunte Dad mir auf einmal zu. Ich sah fragend zu ihm hoch und er nickte leicht nach rechts. Fragend folgte ich seiner Geste.

„Kennst du den Jungen? Er hat dich die ganze Zeit angestarrt", wollte er von mir wissen. Ich scannte die kleine Gruppe Menschen und erblickte jemanden, der hier eigentlich nichts zu tun hatte. Brylen. Er sah sich suchend nach jemanden um.

„Ja. Das ist Brylen Archer. Ich hab ihn vor über einem Monat im Box Gym kennengelernt.", erwiderte ich skeptisch. Dad spannte sich an.

„Was hattest du bis jetzt mit ihm zu tun?", hakte er forschend nach.

„Es ist total seltsam. Damals im Gym waren wir beide angetrunken und kamen uns näher,  aber als er Ähnlichkeiten zwischen mir und dir erkannte, bin ich abgehauen. Dann hab ich ihn irgendwann nochmal im Supermarkt getroffen und letztens vor dem 181-North. Er wusste seltsamer Weise sehr viel über mich. Er ist komisch", entgegnete ich. Dad seufzte laut

„Halt dich fern von ihm. Verstanden?!", ordnete er streng an

„Ich hab mit überhaupt nichts zu tun. Er taucht immer aus dem Nichts auf", meinte ich daraufhin nur. Dad senkte seinen Kopf bedrohlich nah an mein Gesicht und sah mich finster an.

„Sein Vater ist der Agent vom FBI, der versucht uns in die Karten zu schauen. Sein Sohn wird genauso spionieren.", erklärte er mir leise. Ich nickte verstehend und sah wieder zu Brylen. Er hatte jetzt meinen Bruder angepeilt und verfolgte jeden seiner Bewegungen.

„Jayden!", rief Dad den großen Jungen, welcher sich fragend in unsere Richtung bewegte.

„Was ist?", wollte der 23-jährige wissen

„Du bist heute auf Eleanor auf. Den ganzen Tag. Archers Sohn ist hier", kam es nur kurz von meinem Vater, dann verschwand er. Jayden sah meinem Vater hinterher und runzelte dann die Stirn

„Archer hat einen Sohn?", gab er fragend von sich

„Ja, warum wundert dich das?", wollte ich wissen

„Das eine Frau sich freiwillig von dem vögeln lässt. Archer ist so ein Dreckskerl", erwiderte Jayden nur heiser auflachend. Ich sah ihn kurz amüsiert an und schüttelte dann den Kopf. Mein Blick wanderte zu dem hölzernen Sarg. Seufzend nickte ich in die Richtung des ewigen Bettes von Judy.

„Ich bin so traurig darüber, dass sie es getan hat, aber gleichzeitig hasse ich sie dafür, dass sie einfach so gegangen ist. Aber am meisten lieb' ich sie. Es ist so schrecklich verwirrend", gab ich leise von mir und kaute auf meiner Unterlippe rum. Jayden legte seine Arme um mich und zog mich an sich.

„Ich weiß Elo, ich weiß. Das ist es nun mal, wenn du jemanden liebst. Du musst immer damit rechnen zu tiefst verletzt zu werden", entgegnete er. Fürsorglich strich er über meinen Kopf. Meine Tränen waren getrocknet, mein Blick ging stur geradeaus in die Leere. Ich lehnte meinen Kopf gegen Jaydens Brust, hörte seinen Herzschlag und spürte wie sein Brustkorb sich leicht hob und senkte.

„Hey Eleanor", kam es auf einmal, von einer mir leider bekannten Stimme. Ich drehte meinen Kopf, sodass ich in das Gesicht von Brylen sehen kann

„Tut mir leid, dass mit Judy", begann er und sah mich bemitleidend an. Irgendwas in seinem Blick machte mich wütend. Es war nicht nur die Tatsache, dass ich jetzt wusste, dass er der Sohn eines Agenten war, sondern irgendwie auch das Gefühl, dass er es nicht ernst meinte. Ich nickte nur desinteressiert. Brylen ging jedoch nicht, sondern blieb weiterhin vor Jayden und mir stehen.

„Du kannst jetzt gehen", kam es auf einmal schroff von dem Jungen mit den kurzrasierten Haaren. Brylen sah seinen gegenüber verwundert an.

„Und warum sollte ich?", entgegnete er provokant

„Weil du nicht erwünscht bist", erwiderte Jayden mit zusammengebissenen Zähnen schroff. Brylens Blicke wanderten zu mir, doch ich zündete mir nur eine Zigarette an und sagte nichts.

„Zieh Leine!", machte Jayden nun den Braunhaarigen an, der daraufhin kehrt machte und ging. Ich seufzte genervt und spürte, wie Jayden seinen Arm über meine Schulter legte.

„Judy hat dich sehr geliebt. Sehr", murmelte er leise.

O U T L A WWhere stories live. Discover now