"Fuck"

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Es war Nacht und Dad, Damian, Judy, Jayden, Bryan und ich waren im Clubhaus. Sally, Maya und Hannah hatten wie immer einiges zu tun. Ich saß an der Theke und sah Damian, Jayden, Bryan und Judy beim Billardspielen zu. Dad gesellte sich zu mir. Fragend sah ich ihn an.

„Komm mal mit", gab er leise von sich. Ich gehorchte, sprang vom Barhocker und folgte Dad aus dem Clubhaus raus über das dunkle Werkstattgelände, zu der Wellblechhalle. Wir drängelten uns zwischen all den zwischengeparkten Autos durch, bis wir an der Regalwand ankamen. Ein Regal, welches nur minimal anders aussah, als die anderen, ließ sich bewegen. Dad schob es zur Seite und ich folgte ihm in das Lager. Überall standen Metallkisten, welche zum Transport von Ersatzteilen genutzt wurden. Weiter hinten im Lager entdeckte ich Transportboxen für Hunde. An einigen waren bereits Schilder angebracht. Neugierig las ich. Duty, Bodo, Ben, Blacky, Deadline, Bobby. Kopfschüttelnd sah ich Dad an.

„Wann sind die Deals?", wollte ich wissen. Seufzend zog er die Decke vom Tisch und jede Menge Waffen kamen zum Vorschein.

„Sehr bald. Es wird schwer die abzuschließen. Die Cops haben uns auf dem Schirm", erwiderte er ernüchternd.

„Wir müssen im Zeitfenster bleiben, richtig?", hakte ich nach. Dad nickte.

„Die Hunde sollen demnächst nach Nevada rüber gebracht werden von Lance. Das sollte nicht allzu problematisch sein. Schwieriger wird's mit den Ersatzteilkisten, da vermuten die meist, dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte", entgegnete er.

„Aber die Transportboxen der Hunde passen nicht viele Waffen", merkte ich an. Dad nickte. Er begann die Waffen, welche auf dem Tisch lagen, nach und nach in dem doppelten Fußboden der Hundeboxen zu verstauen. Ich half ihm dabei. Jemand kam rein. Es war Bryan. Dad sah ihn kurz an und nickte dann in Richtung der Metallboxen.

„Du kannst die befüllen", ordnete er an. Bryan nickte und machte sich direkt an die Arbeit. Dad begann mit ihm ein Gespräch und es war interessant ihnen zuzuhören. Bryan war Dads bester Freund. Er war zwei Jahre älter als Dad und genau wie er, mit dem Club großgeworden. Die beiden wuchsen auf wie Brüder und das merkte man. Plötzlich unterbrach das Handy von Bryan die nächtlichen Arbeiten. Verwundert ging er ran, redete kurzangebunden mit seinem Gesprächspartner und legte nach kurzer Zeit auf.

„Raus hier!", kam es hektisch von ihm. Dad und ich fragten gar nicht erst nach, machten die schlechte Beleuchtung in dem Lager aus, verließen es, schlossen die Regaltür und gingen langsam durch die dunkle Wellblechhalle in Richtung des großen Garagentores, welches noch immer offen stand. Umso näher wir dem Garagentor kamen, umso besser erkannten wir die vielen Polizeiautos auf dem Werkstattgelände. Das rot blaue blinkende Licht der Streifenwagen erhellte das Gelände. Laut bellend hörte man, wie die Hunde immer wieder gegen die Zwingertür sprangen oder im Clubhaus randalierten. Schüsse fielen.

„Fuck", murmelte Dad, griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Wir kamen unbemerkt auf dem Werkstattgelände an und liefen hinter den draußen stehenden Autos entlang, damit, wenn die Cops uns sahen, sie nicht mitbekamen, dass wir aus der Wellblechhalle kamen. Wieder viel ein Schuss, daraufhin ein Schreien von einem der Mädchen.

„Ey! Was passiert hier?", kam es laut von Dad, welcher nun vor Wut brodelte.

„Hände hoch und auf die Knie!", reagierte auf einmal einer der Cops und richtete seine geladene Waffe auf uns. Sofort eilten ihm Kollegen zur Hilfe. Dad drückte mich runter, sodass ich neben ihm auf den Knien im Dreck hockte.

„Alle Waffen vor Ihnen auf den Boden", befahl einer der Cops. Zögernd zog Dad seine Waffe unter dem Sweatshirt hervor und legte sie vor sich ab. Er führte seine Bewegungen bewusst langsam durch, um keinen falschen Eindruck zu vermitteln. Bryan tat es ebenfalls. Wieder griff Dad in Richtung seines Oberkörpers und nahm die Waffe hinter seinem Rücken und legte sie ebenfalls vor sich.

„Und das Mädchen?", hakte einer der Cops laut nach.

„Sie ist unbewaffnet", erwiderte Dad monoton. Seine Aggression gegenüber den Cops konnte er nur schwer zügeln. Aus dem Clubhaus wurden Jayden, Damian, Judy, Sally, Maya und Hannah abgeführt. Alle in Handschellen. Auch Dad, Bryan und mir wurden Handschellen angelegt.

„Aufstehen", grummelte der Polizist hinter mir grimmig und zog mich, nicht gerade sanft, hoch.

„Was soll die Scheiße?", kam es aggressiv von meinem Vater.

„Charles Hudson, Sie und die anderen werden verhaftet wegen Verdachts auf die Brandschäden am Gebäude von Mr. Thompson.", verkündete einer der Cops laut. Nach und nach wurden wir in den Bus geladen, in welchem wir uns gegenüber saßen. Neben mir saß Judy, mir gegenüber Dad. Als der Bus sich in Bewegung setzte wurde mir bewusst, was jetzt gerade passierte. Wir wurden verhaftet und in den Knast gebracht. Mit 17 Jahren würde ich also das erste Mal auf der Verliererseite der Gitterstäbe sitzen. Ich sah stur meinen Vater an, welcher seinen Blick auf den Boden gerichtet hatte. Als er seinen Blick hob, den Kopf gegen die Karoserie des Busses lehnte und mich ansah, erblickte ich nur eine eiserne Mauer. Das war der Charles Hudson, den die Außenwelt kannte. Unerschrocken, kühl, emotionslos und stur.

„Stimmt es?", murmelte ich und durch den Lärm des Busses war ich mir sicher, dass niemand es gehört hatte, nicht mal mein Vater. Doch er hatte scheinbar meine Lippen gelesen, denn ich sah wie er tief einatmete und minimal nickte. Kopfschüttelnd brach ich den Blickkontakt ab und sah durch das kleine Fenster in der Hecktür auf den Highway. Zwei Polizeiautos mit Blaulicht folgten uns. Sie hatten auch Scott, Taylor und Ty aufgespürt und sie ebenfalls verhaftet. Als der MC Feuer legte und das Gebäude abbrannte, habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, dass dies das Geschäft von Mr. Thompson sein könnte. Ich dachte es wäre ein Gebäude des MC's, welches eh abgerissen werden sollte. Ich hatte aber auch nicht nachgefragt, weil es keine Relevanz für mich hatte. Schließlich ging ich davon aus, dass es Clubeigentum gewesen wäre. Jetzt hatten sie uns also wegen Brandstiftung, Hausfriedensbruch und weiteren Gründen verhaftet. Hätte Mr. Thompson das Geld früher überwiesen, wäre es nicht so weit gekommen und der Club hätte nicht solche Maßnahmen ergreifen müssen. Die Tatsache, dass er uns angezeigt hatte, würde für ihn noch Konsequenzen haben, denn schließlich saß nicht der ganze MC in diesem Bus auf dem Weg in Richtung Knast. Für Thompson startete jetzt ein Leben im Zeugenschutzprogramm.
,,Jedenfalls sitzen wir gemeinsam", kam es auflachend von Ty, am anderen Ende der Sitzreihe. Hannah wollte gerade etwas sagen, doch als sie den Blick von meinem Bruder sah, verstummte sie. Sally und Maya wirkten verängstigt und rückten ein Stück weg von ihm. Damian sah mit angespanntem Kiefer vor sich hin, hob dann den Blick und wandte sich erstaunlicherweise an mich.
,,Sie haben Buddy erschossen", kam es monoton von ihm. Ein Stich in der Magengegend, kurz zog sich mein Herz zusammen und dann hatte ich mir wieder gefangen. Mit versteinerter Miene sah ich geradeaus. Kurz sah ich meinen Bruder an und könnte schwören, dass er gesehen hat, wie meine Augen von Schmerz gezeichnet waren.

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt