"Du bist das stärkste Mädchen, dass ich kenne"

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„Der Motorradclub Rebel Rider, dessen Haupt-Chapter sich in der Nähe von Los Angeles befindet, ist erneut wegen Straftaten auffällig geworden. 10 Members sollen dafür verantwortlich sein, dass ein großes Geschäftsgebäude völlig ausbrannte. Dabei wurde ein Sicherheitsmann schwer verletzt, da er im Leichtschlaf von den Flammen überrascht wurde. Die Täter sind zwischen 17 und 42 Jahren alt. Unter ihnen auch zwei junge Frauen im Alter von 17 und 25 Jahren und der 39 Jährige Präsident Charles Hudson, welcher schon des Öfteren im Gefängnis saß. Die Members der Rebel Rider werden nun nach Sacramento ins Folsom State Prison verlegt. Heute werden die Angeklagten in einem Konvoi mittels eines Zuges nach Sacramento überführt. Auf sie kommen Haftstrafen zwischen 8 und 12 Wochen zu, da es den Richtern an Beweisen mangelt. Ihnen kann nicht nachgewiesen werden, dass sie sich der Tatsache bewusst waren, dass sich Menschen in dem Gebäude befanden. Der Inhaber des Geschäfts möchte aus persönlichen Gründen anonym bleiben". Das waren die Nachrichten. Das war es, was Los Angeles und Umgebung von dieser Tat erfuhren. Acht Wochen würden Judy und ich sitzen. Acht Wochen isoliert von der Außenwelt in einer Zweierzelle mit Judy. Ich hatte keine Ahnung was mich erwarten würde. Jedoch wusste ich, dass der MC diesmal anders handeln würde, als es gewöhnlich war für uns. Thompson würde ins Zeugenschutzprogramm gehen, solange wie wir im Knast sitzen würden, da die Polizei damit rechnete, dass der Rest des Clubs in der Zeit eine Vergeltung plante. Dies würde allerdings nicht der Fall sein. Dad hatte mir erklärte, wie es alles ablaufen würde.

„Anfangs werden sie eine große Story darüber schreiben. Alle Medien werden sich darum reißen. Der böse MC hat Scheiße gebaut und die Bürger müssen geschützt werden. Auf gar keinen Fall darf Thompson etwas passieren. Sie werden alle damit rechnen, dass er von uns angegriffen wird, solange wir drinnen sitzen. Aber es wird nicht passieren. Wir werden alles dafür tun, damit wir nicht auffallen. Dann werden sie nichts mehr haben, worüber sie berichten können. Die Polizei wird kein Interesse mehr am Zeugenschutzprogramm haben, da sie genug zu tun haben. Wir kommen ausm Knast und schlagen zu. So einfach geht das", erklärte Dad mir mit ruhiger Stimme.

Jetzt standen wir alle, mit einer Kette um die Taille gebunden und daran unsere Handschellen befestigt, in einer Reihe und wurden nacheinander fotografiert. Es waren die ‚Passfotos für unsere Akte', so hatte es jedenfalls der Polizist formuliert. Wir schwiegen alle eisern. Selbst wenn uns einer er Cops ansprach, wurde dies ignoriert. Wir zeigten auch keinerlei Emotionen zwischen uns. Denn die Cops sollten nichts von unseren zwischenmenschlichen Beziehungen erfahren. Wir verhielten uns wie Fremde. Sally, Hannah und Maya wurden fotografiert und abgeführt. Thomas würde sie abholen. Ty, Tyler, Jayden, Scott, Bryan, Damian, Owen, Dad, Judy und ich würden mit einem Zug nach Sacramento fahren. Das letzte Mal würden wir uns für mindestens 8 Wochen sehen. Judy und ich würden in den Frauenknast kommen, die Männer in den normalen Vollzug. Sie würden sich also täglich mit anderen Schwerverbrechern auseinandersetzen müssen. Dad hatte gesagt, dass sein einziges Ziel wäre, alle Members lebend aus dem Knast zu bekommen. Das war nicht immer einfach, denn im Knast traf man meist nur den Feind, denn der Freund wanderte gemeinsam mit einem in den Knast. Dies bedeutete für uns, dass wir auf Devils Members treffen würden, unsere Erzfeinde. Im Knast konnte man niemanden trauen, außer den eigenen Members, denn sogar die Wärter konnten dafür sorgen, dass einer von uns sterben würde. Im Frauenknast sah es nicht besser aus, aber Judy war erprobt und konnte mich aus der Scheiße ziehen, wenn es darauf ankommen würde.

„So, Abmarsch. Sträfling Nummer 1023 voran", befahl ein der Cops und zog Damian grob am Arm nach vorne. Mein Bruder sah mit eiskaltem Blick dem Polizist in die Augen, ging einen Schritt auf ihn zu und blieb stehen. Er baute sich groß vor ihm auf und sagte nichts. Er tat auch nichts. Er stand einfach angsteinflößend vor dem Cop und wartete darauf, dass etwas passierte. Der Polizist war sichtlich beeindruckt von Damians Auftreten und sah sich hilfesuchend zu seinen Kollegen um.

„Na los, so ein Sonderzug muss angekündigt und pünktlich sein", meckerte ein anderer der Polizei uns an. Schweigend liefen wir in zweier Gruppierungen nebeneinander her zu einem der Transporter, welche uns bereits von der Werkstatt zum örtlichen Knast gefahren hatten. Wir würden außerhalb Los Angeles in den Zug verfrachtet werden und nach Sacramento fahren. Ich saß da auf der harten Sitzbank, hatte meinen Blick zu Boden gerichtet und dachte nach. Nie in meinem Leben hatte ich Ontario länger als zwei Wochen verlassen. Die kleine Stadt zwischen Los Angeles und San Bernardino war meine Heimat. Sie jetzt für 8 Wochen Knast einzutauschen war grauenhaft. Mir graute es nicht vor dem Knast selbst, sondern vor der Tatsache, die Werkstatt und die anderen Members zurück zulassen. Ich wusste, dass eigentlich die Members mein Zuhause sein sollten, doch die Kleinstadt mit 150.000 Einwohnern war über die Jahre meine Heimat geworden.

Der Wagen wurde langsamer und fuhr über unbefestigte Straßen. Es holperte und wir wurden von einer Seite zur anderen geschubst. Als wir endlich zum Stehen kamen, war ich mir sicher, dass ich so einige blaue Flecken bekommen hatte. Die Hecktür wurde aufgerissen und wir wurden zur Eile getrieben. Wie ungeliebte Hunde zogen sie uns zu dem ausrangierten Wagons. Jeweils zu fünft kamen wir in einem Wagon unter, welcher früher einmal als Schlafwagon genutzt wurde. Hinter uns fielen die Türen zu und man hörte, wie wir eingeschlossen wurden. Seufzend, und noch immer mit Handschellen um den Handgelenken, ließ ich mich auf eins der durchgelegenen Betten fallen und sah raus, aus dem großen Fenster.

„Ob das so viel billiger ist, als wenn man uns in Autos transportieren würde?", gab Dad genervt murmelnd von sich.

„Es ist sicherer", erwiderte Owen.

„Inwiefern das denn?", wollte Jayden mit hochgezogenen Augenbrauen wissen.

„Die haben doch immer Angst, dass was passiert. Wir haben befreundete Clubs. Die Gefahr, dass wir in den Autos von den anderen Bikes ausgebremst werden und die Cops sich ein Schusswechsel mit denen liefern müssten, ist ziemlich hoch", entgegnete Owen. Dad nickte zustimmend.

„Die haben einfach pure Angst", meinte er. Unschlüssig sah ich zwischen Jayden, Damian, Owen und Dad hin und her, lehnte mich gegen die Wand und sah in den Sonnenuntergang.

„Muss ich irgendwas tun, wenn ich vor dir rauskomme?", richtete ich nachdenklich an meinen Vater. Er sah mich an und nickte minimal

„So hart es ist, such' dir einen neuen Hund", erwiderte er zögernd. Ich seufzte und sah zu Boden. Buddy war ein stummer und unscheinbarer Begleiter all die Jahre lang gewesen. Er bedeutete der Familie Hudson viel. Dieser Platz musste nun wieder gefüllt werden.

Die Fahrt würde einige Stunden dauern, da wir zwischenzeitlich auf Abstellgleisen warten müssten. Schließlich lief der normale Verkehr weiter. Es dämmerte bereits, als Damian sich auf einmal neben mich setzte. Er trug die orangene Gefängnishose und ein weißes Tanktop. Seine Handgelenke wurden ebenfalls von Handschellen geziert.

„Wie fühlst du dich wegen heute Nacht?", wollte er murmelnd von mir wissen. Ich saß mit den Beinen an meinen Oberkörper gezogen in meinem Bett und dachte nach.

„Furchtbar. Einfach schrecklich. Eigentlich hab ich mich nie zuvor so gefühlt", erwiderte ich leise.

„Ich fühle mich genauso. Ich bin mitverantwortlich dafür, dass du in den Knast musst. Mein Sohn wird zur Welt kommen, währenddessen ich noch im Knast sitze", gestand er und sah kopfschüttelnd zu Boden.

„Mach dir keine Vorwürfe. Ich werde es überleben und der Club regelt den Rest", gab ich nur seufzend zurück.

„Vielleicht bin endlich erwachsen nach all dem", kam es murmelnd von ihm.

„Ich will dich eigentlich jetzt nicht gehen lassen. Nicht in dieser Zeit.", erwiderte ich schulterzuckend. Damian nickte und biss sich auf seine Unterlippe.

„Ich weiß", entgegnete er, „ich hätte nie gedacht, dass du mich mal brauchen wirst"

„Ich auch nicht", stimmte ich ihm leise zu und schüttelte leicht den Kopf. Wir schwiegen einige Zeit und ich sah aus dem Fenster, welches uns gegenüber lag. Die Dämmerung wurde zur Nacht.

„Lass dir von niemanden sagen, dass du nicht stark wärst. Du bist das stärkste Mädchen, dass ich kenne", meinte er auf einmal zu mir. Ich musste leicht lächeln und sah ihn an.

„Warum sagst du das?", wollte ich wissen

„Weil die acht Wochen dich prägen werden", erwiderte er

„Inwiefern?", entgegnete ich skeptisch. Er zuckte mit den Schultern.

„Es liegt an dir, was du daraus machst", erklärte er nur

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt