"Das Haus hier, ist nicht mehr unser Zuhause"

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„Dad", jaulte ich und tippte ungeduldig mit dem Kugelschreiber auf der Tischplatte rum.

„Hm?", kam es nur von ihm murmelnd zurück, weil er seine Zigarette zwischen den Lippen geklemmt hatte.

„Ich brauch Hilfe bei den Hausaufgaben", meinte ich und stützte genervt den Kopf in meiner Handfläche ab.

„Worum geht's denn?", wollte er wissen und ließ sich auf den Küchenstuhl gegenüber fallen.

„Es geht um Wirtschaft und Politik", begann ich.

„Und da fragst du allen Ernstes mich. Frag lieber Damian", entgegnete er.

„Ja, aber wir sollen jeweils einen kurzen Text darüber schreiben, als was unsere Eltern berufstätig sind und wie sich das Unternehmen/deren Job in den Wirtschaftszyklus einbringt", erklärte ich. Dad lachte auf, stand von seinem Stuhl auf lehnte sich schief grinsend gegen die Küchentheke.

„Kannst ja schreiben, dass mein Beruf die Jobs der Polizisten und Staatsanwälte sichert", gab er amüsiert von sich. Ich musste leicht lachen. Dann wurde Dad wieder ernst und dachte nach.

„Eure Mom kannst du selbst fragen und über mich kannst du schreiben, dass ich eine Werkstatt leite. Mehr weiß ich auch nicht", erwiderte er schulterzuckend und sah auf die Tischplatte, auf welcher meine Schulsachen lagen.

„Es tut mir leid, dich in so einem Umfeld aufgezogen zu haben", kam es plötzlich von ihm.

„Ich kann mir kein anderes Leben vorstellen. Es ist gut so, wie es läuft", meinte ich. Dad lächelte leicht und sah nachdenklich zu Boden.

„Die nächste Zeit wird zeigen, wie sich alles entwickelt", murmelte er vor sich hin "Wir schaffen das schon. Irgendwie", stimmte ich zu.

„Der Club wird es schon irgendwie richten. Eine große Familie", gab er deutlich optimistischer von sich und machte sich eine Tasse Kaffee.

„Hat Mom sich gegen dich oder gegen den Club entschieden?", wollte ich wissen.

„Ich glaube gegen beides", entgegnete er und füllte Kaffeepulver in die Kaffeemaschine.

„Es hat immer gekriselt zwischen uns. Es lag vielleicht auch daran, dass wir ja sehr früh Eltern wurden", fügte er hinzu. Sein Handy durchbrach die Stille. Mit einem kleinen Seufzer ging er ran.

„Charles", meldete er sich.

„Hi... Ja, ist unten in der Werkstatt. Guck mal bei den Schraubenschlüsseln. Hab letztens die Zündkerzen beim Jeep ausgetauscht. Hab das da eigentlich wieder hingelegt. ... Guck mal dahinter. Hast du sie? ... Okay bitte sehr ... Was denn noch?", sprach Dad mit seinem Gesprächspartner. Er klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter und nahm Milch aus dem Kühlschrank. Dad hörte konzentriert zu und hielt kurz inne.

„Shit", fluchte er leise.

„Ne ne, hör mal eben zu", unterbrach er seinen Gesprächspartner, nahm sein Handy in die Hand und schüttete ein wenig Milch in seinen Kaffee.

„Du sagst jetzt den Männer Bescheid, ich kläre das hier Zuhause. Ist Buddy an der Werkstatt?", kam es von Dad und er sah kurz aus der Küche raus ins Wohnzimmer.

„Das mit Buddy hat sich gerade erledigt, der ist hier. Ich bring ihn mit. Pack alles Nötige ein. Thomas soll die anderen Alten mitnehmen und mit den Frauen und den Kindern weg fahren.", ordnete er an und griff zum Griff seiner Tasse. Sein Blick fiel kurz auf mich.

„Ja, Eleanor und Damian sind Zuhause", erwiderte er. Wieder hörte er konzentriert zu.

„Die findest du in den Kisten hinter dem Ersatzteillager", antwortete er wieder, auf die mir unbekannte Frage.

„Ja okay, bis gleich.", entgegnete Dad noch und legte auf. Er ging zur Tür zum Flur.

„Damian! Pack deine Sachen", rief er die Treppe hoch.

„Warum?", kam es von oben zurück

„Erklär' ich dir später. Wir treffen uns an der Werkstatt. Bring Eleanor mit, verstanden?!", meinte unser Vater ernst.

„Okay", war die Antwort meines Bruders. Jedenfalls vor Dad hatte er noch Respekt. Kopfschüttelnd kam Dad in die Küche und sah auflachend auf meine Hausaufgaben und nahm einen Schluck seines Kaffees.

„Falls deine Lehrer fragen, was mein Job für besondere Anforderungen mit sich bringt, kannst du ihnen sagen, dass ich irgendwann mit meinem Leben für ihn bezahlen werde", gab er amüsiert von sich und trank den Kaffee in großen Zügen aus. Er nahm seine Kutte vom Stuhl, zog sie sich über und griff zu der Waffe, welche auf dem Küchentisch lag. Er steckte sie sich in den Hosenbund, nahm eine Zigarette aus seiner Zigarettenschachtel und zündete sie an. Seufzend sah er zu mir runter, wuschelte durch meine Haare und gab mir einen Kuss auf den Scheitel.

„Wir sehen uns an der Werkstatt. Noch heute Abend verlassen wir die Stadt", meinte er und verließ die Küche, pfiff nach Buddy und verließ im Anschluss das Haus. Schweigend blieb ich zurück. Mit einem unwohlen Gefühl im Bauch packte ich meine Sachen zusammen. Damian tauchte im Türrahmen auf.

„Pack deine Sachen. Wir haben keine Zeit", hetzte er mich.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?", wollte ich augenrollend wissen. Damian nahm sein Handy und rief irgendwen an.

„Ey Jayden", begann er und ging in der Küche auf und ab. Ich versuchte dem Gespräch zu folgen, doch Damian machte mir mit einem wütenden Blick und einer Kopfbewegung klar, dass ich hoch gehen sollte. *Sachen packen. Toll, und was soll das heißen?* Ich hatte keine Ahnung wie lange wir weg wären. Ich stopfte einfach ein paar Klamotten in meinen Rucksack und suchte mein Ladekabel. Meine Zimmertür ging auf und im Türrahmen stand Damian.

„Pack deine Schulsachen auch ein und geh ins Auto. Ryan kommt auch mit", kam es monoton von ihm.

„Was zum Teufel passiert hier?", hinterfragte ich verunsichert und skeptisch.

„Die Devils haben uns ein kleines Geschenk überreicht", erwiderte er, nahm sein Handy und warf es mir zu. Noch immer skeptisch sah ich auf den Bildschirm und erblickte das Foto, welches den Innenhof zeigte. Ein Auto stand ausgebrannt vor der Werkstatt.

„Eine Autobombe?", hakte ich nach. Damian nickte.

„Wir müssen das jetzt erstmal klären, bevor wir hier wieder ohne weiteres leben können", meinte er

,,Das hier ist unser Zuhause. Schon vergessen? Wir sind hier sicher", widersprach ich. Damian lachte heiser auf.

,,Das du immer noch so naiv bist, hätte ich gar nicht gedacht", stellte er augenrollend fest.

,,Was willst du mir damit sagen?", entgegnete ich

,,Das Haus hier", er zeigte um sich, ,,ist nicht mehr unser Zuhause." Ich seufzte leise. Mit dem Gedanken müsste ich mich wohl jetzt anfreunden müssen.

„Und warum muss Ryan mit?", wollte ich wissen.

„Weil er ebenfalls ins Schussfeld gerückt ist", kam es auf einmal von Jayden, der hinter Damian in der Tür auftauchte. *Wann war er reingekommen?* Hinter Jayden sah ich, wie drei der Pitbulls von Tacca aufgeregt im Haus umher liefen.

„Ist das deine Tasche?", nickte Jayden mir zu und zeigte auf den Rucksack neben mir. Ich nickte nur und reichte sie ihm.

„Kommt jetzt", gab er noch seufzend von sich und ging vor die Treppe runter. Ich folgte beiden stumm. Es erinnerte mich auf einmal an das, was Dad gesagt hatte. ‚Wirst du Präsident, rückst du in die Schusslinie von jedem'. Damian und ich waren nun auch in die Schusslinie gerückt, da wir die Kinder des Präsidenten waren. Ryan wurde nun auch mit in die Clubangelegenheiten gezogen, weil er mein Freund war. Wie um Himmelswillen hat Mom es geschafft, sich jahrelang so aus den Beziehungen zum Club rauszuhalten. Sie hat nie die Stadt verlassen, wenn der MC samt meinem Bruder und mir es tat. Sie lebte ein Leben in völliger Isolation zum Club. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass gemeinsam mit einem Rebel Rider zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte.

O U T L A WWhere stories live. Discover now