"Denkst du, ich hol dich zum Spaß ab?"

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„Eleanor, hast du eben mal Zeit?", kam es aus der Küche von Mom.

„Nicht lange, wieso?", wollte ich wissen und kam die Treppe runter.

„Ich bräuchte jemand der mit Buddy geht", entgegnete sie, währenddessen sie die Küchentheke schrubbte.

„Owen holt mich gleich ab und fährt mich zur Werkstatt. Ich kann Buddy mitnehmen", schlug ich vor. Mom seufzte genervt und nickte dann.

„Ja, aber bitte achte drauf, dass er auch wirklich sein Geschäft macht. Ich habe keine Lust heute Abend nochmal mit ihm raus zu müssen. Euer Dad ist ja wieder was-weiß-ich-wo", erwiderte sie sichtlich genervt. Ich suchte nach der Leine des Pitbulls und hörte, wie Mom leise vor sich hin fluchte.

„Mom?", fragte ich vorsichtig. Sie putzte unbeirrt weiter und sah mich nur kurz an.

„Du hast den Club noch nie gemocht, oder?", wollte ich wissen und lehnte mich gegen den Türrahmen.

„Früher mal ja. Es hat sich aber viel geändert", erwiderte sie nur streng und wischte stärker über die Küchentheke. Ich sah nachdenklich auf die Küchenfliesen.

„Wie war es früher?", hakte ich nach. Sie unterbrach ihre Tätigkeit, stemmte ihre eine Hand in die Hüfte, strich sich eine blondgefärbte Strähne aus den Haaren und sah nachdenklich gegen die Wand. Dann sah sie mich an und atmete seufzend aus.

„Der MC glich eher einer Hippiebewegung. Einer positiven. Jeder tolerierte jeden.", meinte sie schlussendlich

„Und jetzt? Wie würdest du den MC jetzt beschreiben?", wollte ich wissen.

„Es ist kein lockerer Zusammenschluss mehr als MC. Viele Members sind zu Nomaden geworden und nur der Urkern ist geblieben. Es ist quasi eine enge Familie, die nach dem Beispiel der Anarchie leben.", erklärte sie. Ich nickte zustimmend. Genauso hatte sich der MC in den letzten zehn Jahren gewandelt.

„Du kannst die Lebensweise des MC's nicht mit deinem Verbinden, oder?", stellte ich fest.

„Wie soll ich, Elo? Ich hab einen sicheren Job, ich verdiene kein Geld mit der Werkstatt und irgendwelchen Deals.", kam es fast ein wenig vorwurfsvoll von ihr.

„Mit euch als Eltern hab ich keine Ahnung, wie meine Zukunft aussieht. Einerseits wird mir das seriöse Berufsleben von dir vorgelebt, andererseits das freie und gemeinschaftliche Leben von Dad", gab ich in Gedanken von mir. Mom lachte leicht auf und sah mich lächelnd an.

„Guck dich an. Du gehörst zum MC. Genau wie Damian", meinte Mom. Ich sah an mir runter. Schwarze Nike, eine schwarze enge Jeans, ein graues Guns n' Roses Shirt und eine schwarze Lederjacke.

„Ganz egal wie du dich entscheidest, einer von uns wird dir immer zur Seite stehen", versicherte mir meine Mutter und kam auf mich zu. Sie warf den Lappen auf den Küchentisch und legte ihre Hände auf meine Schultern.

„Lass dir von Dad und mir nichts vorleben. Nimm dir kein Beispiel an uns. Dein Vater sitzt für den Club regelmäßig im Knast und ich hab vor lauter Arbeit keine Zeit für meine Familie und lebe im Dauerstress. Geh deinen eigenen Weg, nur so kann dich niemand überholen", ermutigte sie mich.

„Danke", murmelte ich und drehte mich zum Flur, wo Buddy jaulend saß.

„Owen müsste gleich da sein, geh schon mal raus, dann muss er nicht zur Tür kommen", schlug Mom vor.

„Kommst du heute Abend zum Clubhaus?", wollte ich wissen. Sie schüttelte den Kopf

„Ich denke nicht. Ich muss noch etwas für die Arbeit tun", entgegnete sie und verschwand wieder in der Küche. Gemeinsam mit dem Pitbull Rüden verließ ich unser Haus und stellte mich an den Straßenrand. Kurz darauf hörte man schon den V8 des alten Muscle Cars von Owen brummend ankommen. Der Ende zwanzig jährige mit den braunen längeren Haaren, dem Vollbart und den tätowierten Armen hielt neben mir und ich ließ Buddy auf die Rücksitzbank springen. Ich selbst setzte mich auf den Beifahrersitz und Owen fuhr mit aufheulendem Motor los.

„Warum bist du eigentlich nicht mit nach Sacramento gefahren?", wollte ich wissen.

„Weil wir momentan so viele Aufträge haben, dass Tacca die niemals alleine alle schafft", rechtfertigte er sich.

„Ist die Werkstatt so voll?", hakte ich verwundert nach. Owen sah mich kurz lachend an und widmete seiner Aufmerksamkeit dann wieder der Straße.

„Denkst du wirklich, ich hole dich zum Spaß während der Öffnungszeit ab?", konterte er

„Ach, braucht ihr wieder ne billige Arbeitskraft?", wollte ich provokant wissen.

„So in etwa. Da dein Bruder und du ja nicht an einem Auto arbeiten könnt, ohne euch mit Schraubenschlüsseln abzuwerfen, darfst du mir bei einem Ford F-250 Allrad helfen. Der soll in zwei Tagen wieder raus aus der Werkstatt und ich muss noch das Getriebe überarbeiten und alle vier Stoßdämpfer erneuern. Außerdem will der Besitzer zusätzlich einen Bullenfänger angebaut bekommen, da er es scheinbar satt hat, ständig irgendwas gegen die Front des Autos zu bekommen", erklärte Owen mir.

„Klingt ganz nach einem Auto von der Farm", stellte ich fest.

„Gut erkannt", lobte der Ende zwanzig Jährige mich und bog ab in eine verlassenere Straße im Industriegebiet. Langsam rollte er vor das große geschlossene Metalltor und hupte. Die Hunde auf dem privaten Gelände bellten lautstark und Buddy hinter uns begann ebenfalls zu bellen.

„Geduld mein Lieber", murmelte Owen zu Buddy und grinste amüsiert. Zwei Leute von der Werkstatt schoben die knapp drei Meter hohen Metalltore zur Seite, sodass Owen auf das Werkstattgelände fahren konnte. Er parkte seinen Wagen in der großen Wellblechhalle gleich neben der Werkstatteinfahrt. Ich ließ Buddy aussteigen und er rannte freudig bellen auf die anderen Hunde zu. Endlich war er wieder bei seinem Rudel. Mein erster Weg führte durch die Stahltür, welche sich links neben den Garagen mit den Hebebühnen befand, in das unordentliche Büro. Auf dem Schreibtischstuhl saß einer der ältesten des Clubs – Thomas. Für mich war er etwas wie ein Onkel oder ein Grandpa.

„Eleanor", kam es freudig von ihm und er sah vom PC auf.

„Hey. Owen hat mich abgeholt, um euch in der Werkstatt zu helfen", meinte ich.

„Ja ich weiß, wir können Hilfe gebrauchen solange die anderen Männer in Sacramento sind", erwiderte er.

„Ich zieh mich eben um und komme dann in die Werkstatt", entgegnete ich und ging durch die Holztür ins Clubhaus. Links neben mir war die halbhohe Holzwand, hinter welcher sich mehrere Tische mit Stühlen befanden. Ich ging geradeaus weiter und erreichte die Theke, hinter welcher an der Bar drei Mädels standen, die vom Club aufgenommen wurden und hier als Barkeeperinnen, Köchinnen und auch als Spaßvertreib für die Männer dienten. Dafür bekamen sie ein Dach über dem Kopf, ein Schlafplatz und alles nötige zum Leben gestellt. Die drei, die gerade hier waren hießen Maya, Hannah und Sally. Ich mochte alle drei sehr gerne, und weil mein Freund nicht eins der Members war, mochten sie mich auch.

„Hi", grüßte ich kurz und ging vorbei an der Bar, durch den großen Raum, an der Sofaecke und den Harleys, welche auf Anhöhen platziert waren, bis in den Hinterraum, in welchem Arbeitskleidungen verstaut waren. Ich nahm mir meine zerrissene Jeans und ein altes graues Shirt von Dad und zog mir auch noch die zerfetzten Turnschuhe an, die Buddy mal kaputt gemacht hatte. In diesem wunderbaren Outfit machte ich mich auf dem Weg in die Werkstatt, um Owen zu helfen.

O U T L A WWhere stories live. Discover now