Ich will diesen Club dorthin zurückbringen, wo er einst war

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Schweigen lag im Raum. Die Männer saßen versammelt um den großen Tisch und sahen abwartend den Präsidenten an. Dads Blick lag stur auf der Tischplatte und er schien nachzudenken. Lautlos blies er eine Rauchwolke aus. Ich stand mit in dem heiligen Raum, in welchem Clubentscheidungen getroffen wurden und lehnte mich gegen die Fensterbank. Dad wollte mich dabei haben. Mit einem lauten Seufzen unterbrach Dad die angespannte Stille und hob seinen Blick. Nacheinander sah er seine Members an.

„Es ist an der Zeit uns den Idioten zu stellen", kam es Zusammenhangslos von ihm. Wir sahen ihn erwartungsvoll an

„Die Devils haben über die strenge geschlagen. Sie sind in unser Gebiet eingedrungen und versuchen den Waffenhandel an der Grenze zu Nevada zu übernehmen. Das muss verhindert werden. Wir werden das Chapter aus der Gegend herausfordern. Mann gegen Mann ohne Waffen", meinte Dad und sah in die Runde. Scott sah ihn skeptisch an

„Wie willst du garantieren, dass sie wirklich ohne Waffen kämpfen? Du kennst die Devils. Sie sind skrupellos wie wir", hinterfragte Scott. Dad nickte

„Wir holen uns Rückendeckung und zwingen sie quasi dazu", erklärte Bryan.

„Wer gibt uns Rückendeckung?", wollte Evan nun wissen.

„Das Chapter Roseville", antwortete Dad und sah in die Runde. Niemand hatte mehr Fragen

„Wie sieht's aus, seid ihr dafür, dass wir die Devils konfrontieren?", wollte Dad von seinen Members wissen.

„Wer dafür ist hebt die Hand", meinte Bryan und hob seine Hand. Dad tat es ebenfalls. Dann Jayden, dann Damian, dann Evan und dann die restlichen Members.

„Okay. Das ist also beschlossene Sache. Die Runde ist damit aufgelöst", kam es streng von Dad und alle erhoben sich. Sie gingen in Richtung Theke. Dads Blicke landeten auf mir

„Ich brauche dich dafür", richtete er sich an mich. Ich hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn fragend an

„Wofür?", entgegnete ich überrascht.

„Wir müssen einen Treffpunkt finden, an welchem wir nicht so schnell gefunden werden, wenn wir auf die Devils treffen. Außerdem musst du den Jungs aus Roseville den Weg zeigen, wenn sie sich zurückziehen sollen. Sie kennen sich hier nicht aus", erklärte er und sah mich abwartend an. Ich nickte in Gedanken versunken.

„Das bekomme ich hin", versicherte ich ihm. Er nickte in Richtung Tür und erhob sich. Ich folgte ihm und er blieb vor einem der Tische stehen. Auf ihm lag eine ausgebreitete Karte von Ontario und Umgebung. Gemeinsam sahen wir auf sie. Ich scannte die gesamten Waldgebiete ab und zeigte mit dem Finger auf eine Stelle. Dad schüttelte den Kopf.

„Da ist ein Dorf in der Nähe. Zu große Gefahr", meinte er. Wir suchten weiter und er schlug einen Platz vor, doch nur eine einzige Brücke ermöglicht einem den Zutritt dorthin. Wenn die Devils diese Besetzen würden, könnten wir nicht fliehen. Nach einiger Zeit sah ich weg von der Karte und sah Dad an.

„Warum nicht einfach die alte Scheune?", fragte ich ihn. Dad überlegte kurz und nickte.

„Das ist gut. Die ist abseits und hinter der Scheune können die von Roseville ihre Maschinen parken", erwiderte er zuversichtlich.

„Wie kommt es, dass du auf einmal wieder auf Muskelkraft setzt und nicht mehr auf die eigentlichen Maßnahmen?", wollte ich verwundert von meinem Vater wissen. Er seufzte und lehnte sich gegen die Wand

„Manchmal muss man zurück zu den alten Sitten, um sich wieder genügend Respekt zu verschaffen", entgegnete er schulterzuckend.

„Ist es nur, weil du den Respekt zurück willst?", hakte ich nach. Dad holte tief Luft und sah zu mir runter.

„Naja, der Club hat genug getötet in den letzten Jahren. Es ist an der Zeit dahin zurückzukehren, wo wir eigentlich herkommen", erwiderte er seufzend.

„Und das wäre?", hinterfragte ich.

„Ich will diesen Club dorthin zurückbringen, wo er unter der Führung von dem Vorgänger meines Vaters einst war. Ein Motorradclub, bestehend aus einer Bruderschaft von Männern, deren Frauen und Kinder. Weitgehend reines Geld und nicht diese ganze Deal-Scheiße mit irgendwelchen mächtigen Männern. Zusammen im Clubhaus sitzen, Football oder Hockey gucken, Bier trinken und uns über unseren Alltag und das nervige Gesetz beschweren. Das will ich wieder. Ich hab's satt, in jeder dämlichen Zelle, in der ich in den letzten Jahren saß, den gleichen Scheiß aus dem Mund eines Cops zu hören. ‚Nur einer toter Rebel, ist ein guter Rebel'. Das ist nicht das, wie es vor all den Jahren mal begonnen hat. Mein Vater hat angefangen diesen Kram mit dem dealen einzufädeln. Er hat es allen Members schmackhaft gemacht, ihnen es für den Schlüssel zum Glück verkauft. Niemand hat an die Folgen gedacht. Tacca hat quasi mit Handkuss das Werk meines Vaters übernommen und den Club zu dem gemacht, was er heute ist. Uns allen geht es gut, keine Frage, aber außerhalb dieser vier Wände kannst du niemanden mehr trauen. Jeder würde uns an die Cops ausliefern. Jeder. Die Loyalität zwischen den Members ist zwar so stark wie nie, doch auch nie zuvor waren wir so brutal und skrupellos im Umgang unserer Nicht-Verbündeten", erklärte Dad. Ich hatte ihm aufmerksam zugehört und nickte verstehend.

„Komm mit", meinte er und ging vor in Richtung Tür des Clubhauses. Wir traten raus in die Dämmerung und setzten uns auf die Bank neben der Werkstatt. Schweigend starrten wir auf das Werkstattgelände und ich zündete mir eine Zigarette an. Dad tat es ebenfalls, nahm einen tiefen Zug und drehte sein Feuerzeug in den Fingern. Sein Blick lag auf Niner und den zwei Dobermännern, die immer wieder hinter den Autos tobend verschwanden und dann wieder auftauchten.

„Ich hab in den letzten Jahren so viele Menschen getötet", murmelte er vor sich hin und wandte seinen Blick nicht von den Hunden. Ich seufzte leise und biss mir nachdenklich auf die Unterlippe

„Du tust es jedes Mal für das Wohl des Clubs", gab ich leise von mir. Dad lachte heiser auf und schüttelte minimal den Kopf.

„Wieso sollte kaltblütiges Morden dem Club irgendwie zu Gute kommen? Ich kenne es nur so. Wir alle kennen es nur so. Die Devils, wir und alle anderen Clubs lösen so unsere Probleme. Wie können Menschen so unmenschlich handeln?", entgegnete er monoton.

„Seit wann bist du allem so kritisch gegenüber gestellt?", wollte ich erstaunt wissen. Dad sah mich von der Seite an und lehnte sich nach hinten. Er kaute auf seiner Unterlippe herum und reichte mir dann einen kleinen Zettel. Ich faltete ihn auseinander und stellte fest, dass er irgendwo rausgerissen worden sein musste. In Druckschrift stand auf ihm: ‚ Für meine Tochter Liz, welche bereits in Frieden ruht, für meinen Sohn Bryan und für Hudsons' Sohn Charles, mögen sie nie dieses Leben voller Chaos kennenlernen'

„Woher hast du das? Und wer hat das geschrieben?", fragte ich verwundert.

„Das ist aus einer Art Biografie über den MC von dem Vize-Präsident zu den Zeiten meines Vaters. Er war Bryans Vater und wurde damals im Knast ermordet. Zuvor starb seine Tochter durch Versagen des Clubs. Liz und ich sind wie Geschwister großgeworden gemeinsam mit Bryan.", meinte er. Ich schüttelte in Gedanken den Kopf

„Ist es deswegen, weswegen du jetzt alles ändern willst?", wollte ich wissen. Dad schüttelte den Kopf.

„Nicht nur", entgegnete er. Fragend sah ich ihn an.

„Die Tatsache, dass ich beim Ermorden anderer Menschen nichts mehr fühle, dass macht mir Angst. Ich morde ohne auch nur das geringste Gefühl Reue", kam es leise von ihm.

O U T L A WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt