"Du weißt gar nichts"

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„Dad, brauchst du noch was?", rief ich durch die Wohnung und wartete auf eine Antwort.

„Nein", kam es laut von ihm und er betrat die Küche, „ich nehme Niner mit zur Werkstatt". Ich nickte stumm und sah runter zu Marc, welcher vergnügt mit den leeren Bierflachen spielte. Ich rollte genervt die Augen, hob ihn hoch und setzte ihn in seinen Stuhl.

„Damian, kannst du einmal im Leben die Bierflachen wegräumen, oder willst du deinen Sohn direkt als Säufer großziehen?", meckerte ich vor mich hin und räumte die Flaschen weg. Mein Bruder tauchte im Türrahmen auf und sah mir rauchend zu.

„Machst du gut", gab er neckisch von sich. Wütend funkelte ich ihn an und verließ die Küche.

„Zieh Marc an und komm", gab ich monoton von mir und griff zu seinen Autoschlüsseln.

„Elo, reg dich ab", erwiderte Damian seufzend und kam mit großen Schritten auf mich zu. Er griff nach meinem Arm und sah mir prüfend in die Augen

„Was stresst dich so?", wollte er wissen

„Nichts", entgegnete ich wütend.

„Daddy? Was ist mit Elo?", kam es auf einmal von Marc. Damian sah mich kopfschüttelnd an, gab mir seine Zigarette und nahm seinen Sohn auf den Arm

„Elo ist nur gestresst, da sie in letzter Zeit so viel zu tun hat", meinte mein Bruder und griff nach den Schuhen von Marc. Ich sah ihm dabei zu, wie er ihm die Schuhe anzog und nahm einen Zug an der Zigarette

„Ich parke schon mal aus", meinte ich und ließ die beiden alleine. Die Wahrheit war, dass mich Brylen verrückt machte. Er war gerade mal eine Woche in der Stadt und wusste sofort wer ich war und das ich zu den Rebel Ridern gehörte. Das machte mir Sorgen, denn das bedeutete, dass er mehr wusste. Er wusste wahrscheinlich viel über den Club – zu viel. Niemand kommt neu in die Stadt und weiß sofort wer wir sind. Ich musste mich fernhalten von ihm und dennoch herausfinden wer Brylen Archer genau war. Doch ich konnte Damian nichts davon sagen, denn sonst würde daraus wieder eine Clubangelegenheit werden.

Ich fuhr gemeinsam mit Marc und Damian zum großen Supermarkt. Damian parkte sein leicht verrostetes Muscle Car weiter hinten auf dem Parkplatz. Gemeinsam gingen wir durch die Gänge des Supermarkts. Marc saß im Kindersitz des Wagens und wirkte zufrieden. Er beschäftigte sich die ganze Zeit mit einem Spielzeugauto, währenddessen mein Bruder und ich alles für das gemeinsame Abendessen im MC einkauften. Damian versuchte irgendwas auf dem Einkaufszettel zu entziffern.

„Kannst du nochmal Toastbrot holen?", bat mein Bruder mich und schob den Wagen weiter. Ich bog ab in den nächsten Gang und nahm fünf XXL Pakete aus dem Regal. Mein Handy gab einen Ton von sich und ich sah nach was Judy von mir wollte. Unachtsam wie ich war stand ich auf und prallte augenblicklich mit jemanden zusammen. Ich wollte etwas wie ‚Sorry' nuscheln, doch als ich hochsah erblickte ich die blauen Augen von Brylen.

„So sieht man sich wieder", gab er amüsiert von sich.

„Das hier ist nicht LA. Hier läuft man sich öfter mal über den Weg", erwiderte ich nur und steckte mein Handy in die Hosentasche. Brylen sah auf meine Arme, welche die fünf Pakete hielten.

„Gibt es eine Naturkatastrophe von der ich nichts weiß?", fragte er skeptisch

„Das ist zweimal Frühstück", konterte ich. Prüfend musterte er mich

„Ey Elo", kam es von Damian unerwarteter Weise. Fragend sah ich an Brylen vorbei und sah wie mein Bruder auf uns zukam mit dem schlafenden Marc im Einkaufswagen.

„Jayden hat angerufen. Er holt mich ab", gab er kurz von sich und holte seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche.

„Wir sehen uns an der Werkstatt", meinte er noch, drückte mir einen Kuss auf den Kopf, sah Brylen bedrohlich an und verschwand. Brylen sah ihm nach und als er aus unserer Hörweite war, sah er mich wieder an. Dann sah er auf Marc und fragend lagen seine Blicke auf mir.

„Dein Neuer?", fragte er provokant. Ich sah ihn prüfend an, ließ das Toastbrot in den Wagen fallen und sah ihn dann ernst an

„Mein Bruder", entgegnete ich monoton. Brylen runzelte die Stirn und sah dann auf Marc.

„Sein Sohn", gab ich nur als Antwort von mir. Verwundert sah er mich an.

„Seine Mutter?", hakte er nach.

„Geht dich Nichts an", erwiderte ich nur und strich über den Kopf meines Neffen

„Warum bist du so angepisst? Ich habe dir nichts getan", meinte Brylen amüsiert

„Warum soll ich einem Fremden was über mich erzählen?", konterte ich

„Du tust es doch trotzdem", wiedersprach er mir.

„Du weißt gar nichts", erwiderte ich auflachend

„Ist das so?", stellte er meine Aussage in Frage. Ich sah Brylen finster an

„Was ist dein Problem mit mir? Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Wir waren beide besoffen im Box Club. Vergiss es doch einfach", gab ich ruhig, aber bedrohlich von mir. Brylen grinste schief.

„Weiß nicht, du hast was Provokantes an dir. Macht dich irgendwie interessant", erwiderte er schulterzuckend.

„Geh zur Highschool, da sind lauter provokanter Mädchen. Such dir eine von denen aus, mit denen hast du es auch einfacher", entgegnete ich und sah abweisend auf meinen Einkaufszettel

„Einfach ist langweilig", widersprach er auflachend. Ich sah Brylen finster an.

„Weißt du, wenn du denkst, dass du ein verwöhnter und reicher Sohn bist, der hier einfach nach Ontario kommen kann und sich wie was Besseres aufführt und ihm dann alle Frauen zu Füßen liegen, dann hast du dich geirrt. Hier gelten nicht die gleichen Gesetze wie in anderen Städten. Sei dir das bewusst", meinte ich ernst und sah ihn abwartend an. Er schüttelte amüsiert den Kopf.

„Wo bin ich hier bloß gelandet? Du verkaufst mir Ontario so, als wäre ich nicht in Amerika, sondern auf einem anderen Planeten. Wir sind immer noch alle freie Menschen unter dem Schutz des Gesetzes", erwiderte er auflachend.

„Oh, jetzt wirst du sogar politisch", gab ich gekünstelt beeindruckt von mir und legte den Pulli von Damian unter Marcs Kopf.

„Was ist denn bitte an Ontarios Gesetzen so anders, als an denen anderer Kleinstädte hier in Kalifornien?", wollte Brylen wissen.

„Das einzige Gesetz, dass hier regiert ist die Anarchie", erwiderte ich monoton, sah ihn finster an und griff zu dem Einkaufswagen. Ohne ein weiteres Wort ließ ich Brylen im Gang stehen und verließ den Supermarkt mit den Einkäufen. Dieser Typ würde noch für ordentliches Chaos in meinem Leben sorgen. Das spürte ich. Er musste mich in Ruhe lassen, denn er schien wirklich mehr zu wissen als mir lieb war.

O U T L A WWhere stories live. Discover now