„es gibt böse Menschen und es gibt gute Menschen"

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Es war eigentlich ein relativ ruhiger Tag an der Werkstatt. Die Männer waren relativ gut vorangekommen mit den Aufträgen und die Unfallwagen waren entweder beim Lackierer oder direkt zum Schrottplatz gebracht worden. Nur wenige Members waren zum Abendessen geblieben.

„Wir fahren nochmal zur Scheune und holen die restlichen Ersatzteile", rief Thomas durchs Clubhaus. Dad saß mit Bryan an der Theke und beide hielten eine Flasche Bier in der Hand. Nickend sah Dad Thomas an und hob zum Gruß sein Bier.

„Bis später", entgegnete er noch, bevor die Tür ins Schloss fiel. Die beiden widmeten sich wieder ihrem Gespräch und ich erhob mich von einem der Sofas

„Na komm", gab ich leise von mir und sah runter zu Marc. Doch der vierjährige rührte sich nicht vom Fleck und umklammerte seine Spielzeugautos nur.

„Was ist los?", wollte ich von ihm wissen und setzte mich wieder aufs Sofa.

„Wo ist Dad?", fragte er mit großen Kulleraugen. Kurz hielt ich Inne

„Arbeiten", erwiderte ich schlussendlich

„Aber die Werkstatt ist doch zu", entgegnete der Kleine. Ich atmete tief ein. Marc war ein schlaues Kind, ein sehr schlaues. So schlau, dass er die meiste Zeit bei Scotts Frau und dessen Kindern verbrachte, weil er sonst zu viel vom Clubgeschehen mitbekommen würde.

„Dein Dad hat zwei Jobs. Jetzt gerade arbeitet er woanders", versuchte ich Marc zu erklären.

„Was arbeitet er denn", hakte mein Neffe nach.

„Weißt du", begann ich, „es gibt böse Menschen und es gibt gute Menschen. Dein Dad kümmert sich darum, dass die bösen Menschen bestraft werden"

„Aber wenn er die bestraft, tut er ja etwas, was denen schadet", stellte er fest. Ich nickte minimal. Mir war ein Rätsel, wo dieses Kind seine Intelligenz her hatte. Garantiert nicht von meinen Bruder oder Chantal.

„Elo?", kam es von Marc und er tippte gegen meinen Oberarm. Fragend sah ich ihn an.

„Ist Daddy ein böser Mann?", wollte er kleinlaut wissen. Ich sah ihn kurz an, schüttelte dann aber leicht den Kopf.

„Dein Daddy tut das, was getan werden muss", erwiderte ich leise und strich über seinen Kopf.

„Eleanor", lies mich die Stimme von Jayden zusammenschrecken. Verwundert sah ich ihn an.

„Zieh Marc an. George bringt ihn zu Scotts Frau. Sie fährt mit den Kindern vier Tage ans Meer nach Long Beach", meinte er zu mir und mixte sich ein Glas Cola-Whiskey. Ich nickte minimal und hob meinen Neffen hoch. Binnen fünf Minuten war Marc bereit, um vier Tage bei seiner Zieh-Tante und seinen Cousin zu verbringen. Mein Dad verabschiedete seinen Enkelsohn liebevoll und trug ihn ins Auto. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht fuhr Marc auf der Rücksitzbank des Geländewagens vom Hof. Als die beiden Rücklichter in der Dunkelheit verschwanden sah Dad seufzend zu mir runter.

„Setz bitte kein Kind in die Welt. Das hier ist kein guter Ort um ein Kind großzuziehen. Das war bei Damian so, das war bei dir so und es ist bei Marc so", gab er frustriert von sich und ging wieder ins Clubhaus zu seinem besten Freund.

Der Abend neigte sich und nach und nach verließen die restlichen Members das Clubhaus. Ich verkroch mich nach oben auf mein Zimmer, zog meine kurze Schlafhose und ein Top an und kuschelte mich in mein Bett. Ich las ein Buch, welches sehr sozialkritisch war und erkannte immer wieder den Club und seine Vision in ihm. Plötzlicher Lärm ließ mich zusammenschrecken. Erschrocken warf ich mein Buch weg und rannte zum Fenster. Augenblicklich erblickte ich das Polizeiauto, wie es mit seinem grellen blauen und roten Licht das Werkstattgelände erleuchtete. Zielstrebig verließ ich mein Zimmer und lief die Treppe in den gemeinschaftlichen Raum des Clubhauses hinunter. Noch während ich die Treppe hinunter ging sah ich, wie vier Polizisten sich an meinem Vater und Bryan zu schaffen machten, sie von ihren Barhöckern zogen, auf die Knie und anschließend auf den Boden fallen ließen. Gewaltsam schnallten sie die Hände der beiden auf deren Rücken in Handschellen und begannen mit einem Hund das Clubhaus zu durchsuchen. Ich erblickte Niner, wie er verschlafen aus einem der Zimmer von den Mädels kam und reagierte sofort. Instinktiv befahl ich dem Hund sich hinzusetzen und umfasste mit beiden Händen das breite Halsband. Nur Millisekunden später begann die schwarze Dogge mit ihrem Theater und bellte aggressiv die Cops und deren Suchhund an. Dabei flogen einzelne Fäden Sabber meines Hundes in Richtung der Cops, welche angewidert das Tier ansahen.

„Wer sind Sie?", richtete einer der Cops sich nun an mich.

„Ich wohne hier", entgegnete ich nur.

„Leinen Sie den Hund an", befahl einer der Cops. Kurz fiel mein Blick auf meinen, am Boden liegenden, Vater. Sah zu mir hoch mit ernster Miene und nickte minimal. Ich ließ mit einer Hand das Halsband los und griff zu der Leine, harkte sie am Halsband ein und befestigte sie an der Treppe. Ein Cop trat auf mich zu und packte mich am Arm.

„Setzen Sie sich dort hin. Tragen Sie scharfe Gegenstände oder Waffen bei sich?", richtete er an mich. Ich sah ihn skeptisch an und blickte dann an mir runter.

„Nein. Sagen Sie mir bitte wo ich diese verstauen sollte?", entgegnete ich provokant und deutete auf mein kurzes Top, die Shorts und meine Badelatschen hin, welche ich trug. Ich sah, dass Bryan sich über meinen Kommentar amüsierte.

„Okay gut. Der Hund sucht jeden einzelnen Raum nach Drogen ab. Wir nehmen Sie mit auf die Wache. Gegen Sie besteht Verdacht des Drogenhandels", erklärte einer der Cops. Dad und Bryan hatten die meiste Zeit finster vor sich hingestarrt, doch jetzt sahen sich die beiden, auf dem Boden liegend und mit den Händen auf dem Rücken, an und grinsten breit. Wenn sie Scheiße bauten, dann zusammen. Ich glaube zu keinem Member aus dem MC war Dads Bindung so eng, wie zu Bryan. Bryans Vater ließ sein Leben für den Club, so wie es jeder hier tun würde. Er war der Vize-Präsident zu der Zeit, als mein Grandpa Präsident war. Bryan und Charles wuchsen auf wie Geschwister und auch wenn man die beiden nicht so häufig zusammen sah, wie man es unter diesen Umständen erwarten würde, die beiden liebten sich. Genauso wie ich mein Bruder liebte.

„Aufstehen!", kam es schroff von einem der Cops, als der Hund ohne Drogen aus einem der Zimmer zurückkam. Vier Cops machten sich daran zu schaffen die beiden Members vom Fußboden hoch zubekommen, damit sie auf ihren eigenen Füßen standen. Als Dad einer der Cops ins Gesicht sah, biss er sich wütend auf die Unterlippe. Bryan wurde zuerst abgeführt, da Dad noch die Waffen abgenommen werden musste.

„Baby, ich bin bald wieder da", rief er mir noch zu.

„Hab dich lieb, Baby", kam es von weiter weg von Bryan. Ich verschränkte amüsiert auflachend die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. ‚Baby' so nannten mich viele der Members im Club, wenn sie betrunken waren, oder rumalberten. In diesem Fall wollten mein Vater und Bryan scheinbar nur den Schein aufrechterhalten, dass ich eines der Thekenmädchen bin, mit dem jedes Member mal ins Bett sprang.

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