• vierundfünfzig •

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Spencer James

"Können wir vielleicht reden?" Phillip sah mich an. Leicht nickte ich und setzte mich auf. Das Gespräch war ich ihm wohl schuldig.

"Danke", erwiderte ich und sah auf meine Hände. "Nicht dafür. Ich hätte dir auch mein ganzes Blut gespendet, solange du überlebt hättest." Leicht nickte ich.

"Warum hast du alle meine Briefe immer zurück geschickt?" Ich sah meinen Erzeuger an. "Weil ich dir nicht verzeihen konnte." Er sah genau so aus wie ich. Mit dem Unterschied, dass er einen Bart besaß. Vielleicht sollte ich mir auch einen wachsen lassen.

"Wie das damals alles gelaufen ist, tut mir leid. Ich hätte besser auf dich und deine Schwester aufpassen sollen." Ich zog eine Augenbraue hoch. "Das meine ich nicht", erwiderte ich. "Was dann?" Phillip sah mich an.

"Dir die Schuld geben, dass Laia entführt wurde, wäre nicht fair. Du hast schließlich nur das Eis des Verkäufers entgegen genommen, als Laia von hinten gepackt wurde." Ich machte eine kurze Pause. "Ich verzeihe dir die Monate danach nicht. Du hast Mum und mich im Stich gelassen. Du warst nicht mehr zu Hause, als wir dich gebraucht hätten. Ich war damals so froh, als ich Dad hatte. Er hat sich um uns gekümmert. Er war ein Vater. Er ist mein Vater." Ich blieb ruhig. Wahrscheinlich hatte ich noch keine Kraft, um ihn anzuschreien, wie er es verdient hätte.

"Es ging nicht mehr, Spencer. Wenn ich nicht nach Laia gesucht habe, saß ich im Wohnzimmer und habe mich betrunken. Als ich deine Mutter geschlagen hatte, wusste ich, dass ich gehen musste."

Einige Minuten war es still.

"Hör zu, ich bin nicht dein Vater, das ist mir klar. Der Zug ist abgefahren, als ich abgehauen bin. Ich bin froh, dass du Leonard hast, auch wenn ich ihn damals nicht leiden konnte." Phillip seufzte. "Aber ich bin seit ein paar Jahren trocken und ich habe eine Frau gefunden, die alles für mich ist. Und ich möchte Laia kennenlernen. Und dich. Wenn du es zulässt."

Ich zog die Decke höher und blieb stumm. "Ruh' dich erst mal aus, okay? Deine Mutter hat meine Nummer. Ich lasse euch erst mal ein bisschen Freiraum. Ich will es nicht noch schlimmer machen." Phillip lächelte kurz und ließ mich allein.

Allerdings war ich nicht lange einsam, denn Mum kam mit Kayden herein. "Kayden!", lächelte ich. "Spence!" Sofort kam er mit Hilfe seines Blindenstocks auf mich zu. "Darf ich mich zu dir legen? Bitte, bitte!" "Natürlich." Ich rutschte vorsichtig zur Seite und half Kayden.

"Ich hab dich vermisst", flüsterte er und kuschelte sich an mich. "Wieso hast du so lange geschlafen? Und so fest!" "Manchmal braucht der Körper Zeit, um sich zu erholen", erwiderte ich leiser und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

"Aber so lange? Ich hab bestimmt schon den Weihnachtsmann verpasst!" "Na so lange habe ich nicht geschlafen!", lachte ich. "So kommt es mir aber vor! Mach das nie wieder! Sonst bekommst du Ärger!" "Von wem denn?", fragte ich ihn, um meinen kleinen Bruder zu ärgern. "Na von mir!"

"Ich habe schlechte Neuigkeiten." Dad kam zurück zu uns. "Was denn?" "Wir können den Kleinen nicht zu uns holen. Es hat sich eine Tante aus México gemeldet, die ihn zu sich holt." Dad seufzte.

"Aber wir konzentrieren uns jetzt auf dich, junger Mann." Dad zeigte auf mich. "Wieso denn auf mich?", fragte Kayden verwirrt. "Ich bin verwirrt", fügte er hinzu. "Er meint mich", lächelte ich und sah meine Eltern an. Sie waren traurig, das sah ich. Aber vielleicht war es besser so. Noch ein Kind für meine Eltern? Das würde viel zu schwer werden.

"Wo ist Finn?" "Er beschwatzt die Schwester, um mir irgendwelche Aufgaben kopieren zu lassen." "Wieso? Du gehst die letzten Wochen nicht mehr zur Schule." Dad setzte sich. "Doch. Das werde ich." "Nein, wirst du nicht." "Doch." "Nein!" "Doch!"

"Schluss jetzt!", rief Mum genervt, weshalb wir verstummten.

"Warum willst du dir das antun? Es wären dann noch drei Wochen." Ich seufzte und sah Mum an. "Ich habe dort Freunde gefunden. Richtige Freunde. Und es macht Spaß." Dad lachte. "Mutierst du jetzt etwa zu Finn? Du hasst Schule."

Ich seufzte. "Ich wurde dort in der Band aufgenommen, Okay? Ich habe vorgesungen und es hat Spaß gemacht. Und ich möchte zur Aufführung dabei sein." Ich sah auf die Bettdecke. "Sie sagen, so ein Talent haben sie noch nie gehört." Mum seufzte. "Das hast du von deinem Vater. Er ist auch Sänger." Mein Blick fiel auf Mum. "Wirklich? Warum weiß ich davon nichts?" "Darf ich dich daran erinnern, dass du nie etwas von ihm wissen wolltest?" Leicht nickte ich.

"Philipp ist ziemlich bekannt- unter anderem Namen. Seine Lieder sind gut." Mum seufzte. "Aber du solltest dich weiter ausruhen." Sie setzte sich auf mein Bett und fuhr mir durch meine Haare. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht", lächelte sie.

"Spanisch ist das einzige Fach, wo ich bei dir nicht Schwarz sehe. Ich habe hier Geschichte, Literatur,-" Finn platzte mit einem Haufen Unterlagen hinein und hielt inne, als er meine Eltern sah. "Oh", erwiderte er und sah mich an. "Wir haben keine Zeit zu verlieren!", erwiderte er dann und kam zu mir, legte den Stapel Blätter auf meinen Schoß.

"Finn? Wie hast du es geschafft, an den Kopierer zu kommen?", fragte Dad. "Es geht hier um Ihren Sohn! Er muss etwas lernen!", antwortete Finn knallhart. "Das war nicht die Frage. Und du sollst mich nicht Siezen." Dad sah ihn an.

"Ich werde FBI Agent! Denkst du, ich schaffe es nicht in einen Kopierraum?" Finn holte eine Karte aus der Hosentasche. "Hier. Deine Kopierkarte. Das Guthaben ist erschöpft", erwiderte er trocken und wandte sich mich mir zu.

Hatte er etwa die Karte von Dad gestohlen?!

The Tape ∣ boyxboy ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt