• sechsunddreißig •

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Damit es mal etwas spannender wird, schreibe ich das Kapitel erst einmal in Leonards Sicht und das nächste in Spencer's. Warum? Das erfahrt ihr, wenn ihr es lest!🥺🙈

Leonard James

Mit meiner Tasse Kaffee lief ich in mein Büro. Gott sei Dank war die Nacht einigermaßen ruhig verlaufen. Nur eine Operation, mehr nicht.

Ich sah auf meine Armbanduhr. Ich hatte noch eine gute halbe Stunde, bevor ich zu Dr Hart, dem Klinikleiter, gehen musste. Warum er mich sprechen wollte, war mir allerdings unklar. Ich hatte nichts falsches getan oder gesagt, erledigte meine Arbeit immer mit reinem und gutem Gewissen und hielt die Vorschriften ein. Okay, in der letzten Zeit musste ich öfter für meine Familie da sein, da sie mich brauchten, aber war das gleich ein Grund, um mit mir zu sprechen?

Mein Blick fiel auf die Pinguinfigur, welche ich damals von Spencer bekommen hatte, als er drei Jahre alt gewesen war. Lächelnd nahm ich die Figur. Wenn Spencer damals nicht so hartnäckig gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich niemals mit seiner Mutter zusammen gekommen. Immer wieder hatte sie sich geweigert- was ich vollkommen verstehen konnte. Doch Spencer hatte mich sofort in sein kleines Herz geschlossen und wollte immer wieder, dass ich zum Essen erschien, damit ich ihm anschließend etwas vorlesen konnte.

Ich verstand Lou. Sehr sogar. Auch heute noch. Diese Ungewissheit, welche sie noch immer jeden Tag mit sich herum schleppen musste, musste fürchterlich sein. Ich hatte damals meine Verlobte verloren, sie zu diesem Zeitpunkt ihre Tochter. Jedoch wusste ich, dass meine Liebe nie wieder kommen würde und sie keine Schmerzen mehr ertragen musste, doch Lou wusste bis heute nicht, ob ihre Tochter Laia lebte, oder nicht. Und das war mit Sicherheit schlimmer als der Tod.

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als es an meiner Tür klopfte. Schwester Kathryn sah mich an. "Ihr Sohn ist hier." Ich zog eine Augenbraue hoch. Beide sollten in der Schule sein. Lou hatte Kayden mit Sicherheit zu seiner Schule gebracht, also konnte es nur Spencer sein. Und wenn Spencer hier, und nicht in der Schule, war, hieß es nichts Gutes.

"Bringen Sie ihn bitte zu mir", erwiderte ich und seufzte leise, trank meine Tasse leer. Nach nicht einmal einer Minute betrat Spencer den Raum. Er hatte eine Schnittwunde auf der rechten Wange.

"Setz dich auf die Liege", erwiderte ich ruhig. "Ich muss in die Schule. Du musst mich in die Schule fahren. Ich kann nicht noch mehr versäumen!" Ich stand auf und schnappte mir ein paar Handschuhe, zog diese an. "Erst einmal kümmere ich mich um dich." Spencer seufzte.

"Wie ist das passiert?" "Bin hin gefallen. Auf eine Glasscherbe." Ich drehte seinen Kopf und tupfte vorsichtig das Blut ab. Es war ein gerader und glatter Schnitt. "Klar, deswegen ist der Schnitt auch so sauber", erwiderte ich sarkastisch.

"Das muss genäht werden. Drei Stiche sollten reichen." Da ich auch hier in meinem Büro gut ausgestattet war, holte ich ‚Nadel und Faden zum Puppennähen'. Ich lächelte, als ich daran denken musste. "An was denkst du?" Ich sah Spencer an. "Als du klein warst, hast du immer gedacht, ich würde Puppen mit Nadel und Faden verarzten, und keine Menschen", antwortete ich lächelnd.

Nachdem ich die Wunde desinfiziert hatte, fing ich vorsichtig an. "Also, dieser Unfall..., fängt der mit A an?", fragte ich ruhig. "Und wenn schon, ich habe keine Beweise." Ich seufzte. "Das nehme ich mal als ein Ja."

Zum Schluss klebte ich ihm ein Pflaster darauf. Sicher war sicher. "Hör zu, ich weiß noch nicht, wie wir dieses Schwein festnageln können, aber ich werde alles dafür tun, um dich zu schützen, okay? Morgen Nachmittag gehe ich mal zu unserem Anwalt, okay?" "Okay."

Spencer lehnte sich an mich. "Ich will nicht mehr, Papá." Sanft legte ich meine Arme um ihn. "Halte durch, Spencer. Ich sorge dafür, dass er verschwindet", flüsterte ich und legte meinen Kopf auf seinen. "Ich will nicht mehr durchhalten. Und ohne Finn schon gleich gar nicht", erwiderte er ganz leise.

Ich schloss meine Augen, damit ich mir die hochkommenden Tränen verkneifen konnte. "Das mit Finn wird wieder. Du musst nur mit ihm reden, hörst du? Schreib ihm am besten. Ihr habt ihm doch ein iPhone geschenkt." "Habe ich schon. Er antwortet nicht." "Schreib ihm noch mal. Schreibe ihm alles, was du für ihn empfindest."

Sanft gab ich ihm einen Kuss auf die Stirn. "Jetzt muss ich aber schnell zu meinem Chef, sonst wird der sauer. Ich bin schon viel zu spät. Danach fahren wir nach Hause, okay? Morgen kannst du ja wieder in die Schule." "Und der Test?" Spencer sah mich müde an. "Den wirst du bestimmt nachholen können. Ich lasse dir einen Krankenschein für heute ausstellen. Und zu Hause schläfst du erst einmal ein bisschen."

"Kann ich heute vielleicht bei Milo schlafen? Dann muss ich morgen nicht alleine zum Bus." Ich nickte. "Klar. Ich rufe nachher mal bei seinen Eltern an."

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now