• achtundfünzig •

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Spencer James

Ich hatte Dad noch nie so wütend gesehen. Und ehrlich gesagt war ich schockiert, dass er eine Schwester hatte. Wieso hatte nie jemand über sie erzählt? Ich hatte immer gedacht, dass Dad und ich eine besondere Beziehung hatten- das wir über alles reden konnten und alles über den Anderen wussten!

Aber ich hatte mich wohl getäuscht.

"Mommy, warum ist der Onkel böse?", fragte der kleine Junge. Es war englisch, aber ein anderes Englisch. Kein Amerikanisches.

"Du tauchst hier nach Jahren auf, als wäre nichts gewesen. Warum?!"

Mum stand auf. "Wir sollten unsere Koffer auspacken", meinte sie und sah mich auffordernd an, weshalb ich nickte und aufstand. Auch Finn tat es mir gleich. Mum nahm Kayden an die Hand und wir liefen zu viert nach oben.

"Wusstest du von einer Schwester?", fragte ich Mum. "Ja. Er hat es mir mal erzählt, danach haben wir nie wieder darüber gesprochen." "Warum? Wo war sie? Wer ist sie?" Doch Mum schüttelte nur mit dem Kopf. "Nicht jetzt, Spencer. Zeig Finn die Etage und packt ein bisschen was aus, bevor es Essen gibt." Ich nickte. "Okay."

Mit Finn lief ich in eines der Gästezimmer. Jedes Jahr nahm ich dieses. Es war groß und hatte sogar einen eigenen Balkon. "Wow", staunte Finn neben mir.

Doch diesmal war es anders. Es war in einem schönen Hellblau gestrichen, die Bettwäsche war ebenfalls blau. Es hingen Bilder und Poster an der Wand. Sogar ein Schreibtisch war nun in diesem Zimmer. Ein Regal mit ein paar Büchern und ein neuer, weißer Schrank.

"Ja, wow", erwiderte ich leiser. "Gefällt es dir?" Ich drehte mich zu Mum um, welche an der Tür stand. Ich nickte. "Sie haben es für dich eingerichtet. Sie hoffen, wenn du 18 bist, dass du die beiden dann auch mal alleine besuchst. Du sollst nur anrufen und sie buchen dir einen Flug." Ich lächelte. "Wie cool."

"Eldora! Verarsch' mich nicht!", schrie Dad. Ich hatte ihn noch nie so schreien hören. Also hieß diese Frau Eldora. Hm, typisch spanisch. "Warum hat Dad eigentlich keinen typisch-spanischen Namen?" Mum kicherte.

"Laut deiner Grandma hatte sie nach seiner Geburt ein Leonard! geschrien und schon hatten sie es eingetragen. Eigentlich sollte er Alejandro heißen. Aber ich bin ziemlich froh, dass es nicht so ist." Ich lachte. "Oh ja."

"Mum? Ich kann meine Plüschtiere nicht finden!", rief Kayden. Mum lächelte. "Ihr kommt zurecht, ja?" Ich nickte. Meine Mutter schloss die Tür und ich lief zum Bett, um mich zu setzen.

Finn öffnete seinen Koffer. "Du bist so still." "Ich bin ziemlich erledigt." "Dann komm mal her." Ich klopfte auf meine Oberschenkel. "Wieso?" Ich verdrehte meine Augen. "Komm her", meinte ich.

Zögernd setzte Finn sich auf meinen Schoß. "Und jetzt?" Sanft gab ich Finn einen Kuss. "Inwiefern soll mir das helfen? Ich muss noch alles auspacken und-" Wieder küsste ich ihn. "Hör auf zu reden. Wir haben Ferien. Wir haben Zeit."

Ich küsste Finn. Endlich erwiderte er. Recht schnell wurde er sogar fordernd, drückte sich an mich. Ich war überrascht, denn es war ganz und gar nicht seine Art, aber es gefiel mir, das musste ich zugeben!

"Spencer, ich-" Dad riss die Tür auf. Erschrocken lösten wir uns, Finn sprang auf. "Oh, tut mir leid, ihr zwei. Macht weiter." Dad wollte gehen. "Stop! Du bist mir eine Erklärung schuldig!", rief ich, nahm meine Krücken und stand auf.

Dad hielt inne und nickte. "Gut, dann gehen wir mal auf den Balkon." Ich folgte Dad nach draußen. Sofort wurde es wieder warm. Als ich mich gesetzt hatte, sah ich ihn an.

"Ich dachte immer, wir erzählen uns alles", meinte ich. "Das ist ein dunkles Kapitel in meinem Leben, mein Sohn. Eldora ist einiges jünger als ich. Sie war siebzehn, als sie abgehauen ist." Dad machte eine Pause und sah in den Himmel. "Sie hat uns einen Brief hinterlassen, dass sie mit ihrer großen Liebe nach Großbritannien geht und wir sie niemals finden würden."

Dad sah mich an. "Ein paar Jahre später haben wir durch einen Detektiv erfahren, dass sie mit dem Sohn eines Drogenbosses zusammen ist. Ab da war sie für uns gestorben. Wir redeten nicht mehr über sie. Wir waren einfach so enttäuscht. Deine Mutter hat mir dann viel geholfen. Und als ich dich kennenlernte, wusste ich, auf was ich mich wirklich konzentrieren muss und habe dann nie wieder an sie gedacht."

Einige Zeit war es zwischen uns still. "Warum ist sie hier?", fragte ich dann. Irgendwie war ich Dad gar nicht böse. Ich verstand ihn sogar. "Weiß ich nicht. Wahrscheinlich braucht sie Geld." "Du weißt es nicht?" "Es interessiert mich nicht." "Du solltest es klären."

Dad sah mich an. "Tut mir leid, Spence', aber halte dich da lieber raus. Ich will nicht, dass du da in irgendetwas hineingerätst." Ich verdrehte meine Augen.

"Hallo?" Ich drehte mich um. Der kleine Junge stand mit seinem Plüschbären vor uns. "Hey, kleiner Mann", lächelte ich. Der kleine Junge hatte kohlrabenschwarze Haare, stechendblaue Augen. Er war ziemlich süß und sah meinen Vater an.

Nervös drückte er den Bären an sich. "Du bist Onkel Lennie?" Ich sah zu Dad, welcher den Kleinen überrascht ansah. "Verrätst du mir auch deinen Namen?" "Ben. Aber meine Mommy und mein Daddy nennen mich immer Bennie."

"Und woher kommst du?" Ben setzte sich zu uns. "Aus London. Aber Daddy meinte, es wäre zu gefährlich für Mommy und mich. Deswegen sind wir hier. Ich vermisse ihn."

Ben sah auf den Bären. "Den hat er mir zum Abschied gegeben", flüsterte er traurig. "Aber er hat versprochen, dass er bald kommt." Hoffnungsvoll sah der kleine Ben in den Himmel.

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now