• siebenundsechzig •

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Spencer James

"Spencer!" Milo zog mich hoch. "Scheiße, du blutest!", rief er panisch und zog mich mit sich. "Milo!", erwiderte ich und sah ihn wie in Trance an. "Es war kein Autounfall, oder?", fragte ich ihn. "Was?" Er zog mich unter einen Baum. "Er hat mich vergewaltigt, oder?" Ich sprach leise, doch trotzdem schien er mich durch den Regen zu hören. "Ähm, nein. Ich... nein... ich weiß es nicht! Wie kommst du darauf?", fragte er. "Und wir sollten uns um deine Stirn kümmern."

"Scheiß doch auf meine Stirn!", schrie ich ihn an, weshalb er zusammen zuckte. "Er hat mich vergewaltigt! Ihr habt mich angelogen!" "N-nein, ich... ich.., dein Dad meinte, es war ein Autounfall. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich glaube ihm!"

"Aber es war kein Autounfall!", schrie ich wieder. "Er hat mich angelogen! Ich dachte, wir haben keine Geheimnisse voreinander!" Ich ließ von Milo ab und lief los. Ich war wütend, enttäuscht und traurig. Haben sie mir es alle verheimlicht? Finn auch? Und Mum? Kayden? Nein, Kayden war zu jung dafür. Er hätte das mit dem Autounfall locker geglaubt.

"Spencer, warte!" Milo folgte mir. "Ich will es wissen, Milo! Sag es mir!" Ich drehte mich um und sah ihn wieder an. "Ich weiß es nicht! Ehrlich!" Wieder drehte ich mich um und ging weiter. Immer und immer schneller.

Ich wollte zu meinen Eltern. Ich wollte es wissen. Doch im Inneren wusste ich, dass ich es bereits wusste.

Auch ignorierte ich Milo, welcher immer wieder meinen Namen rief und mir hinterher lief. Irgendwann sah ich die Stadt und meine Schritte wurden noch größer.

Milo schien es aufgegeben zu haben, mir zu folgen.


Als ich zu Hause war, schloss ich die Haustür auf und lief klitschnass ins Wohnzimmer. Meine Eltern sahen mich erschrocken an. "Spencer, was-" "Ich hasse dich!", schrie ich ihn an. "Ich hasse euch beide! Ihr habt mich angelogen!"

Ich sah sofort, dass mein Vater wusste, was ich meinte. "Er hat mich vergewaltigt! Und ihr wusstet das! Es war kein Autounfall!" Ich rannte hoch in mein Zimmer, schloss die Tür ab und nahm eine Tasche, schmiss ein paar Kleidungsstücke hinein, nahm mein Portmonee und sah mich um. "Spencer, lass uns darüber reden!" Dad versuchte, die Tür zu öffnen.

Mit meiner Tasche in der Hand öffnete ich die Tür und sah meinen Vater an. "Ich bin fertig mit euch." Ich schubste ihn weg, rannte nach unten und schnappte mir den Autoschlüssel, riss die Haustür auf und entsperrte das Auto, stieg schnell ein und startete den Wagen. Meine Eltern folgten, doch ich war schon vom Grundstück gefahren und machte mich auf den Weg zum New Yorker Flughafen. Drei Stunden Fahrt, wenn ich langsam fahren würde. Doch ich fuhr nicht langsam, nein, das Gaspedal war durchgedrückt.

***

Ungefähr einen Tag später war ich an meinem Ziel angekommen: bei meinen Großeltern in Spanien.

Fast den ganzen Flug hatte ich in den selben nassen Klamotten verbracht. Wahrscheinlich würde ich eine Erkältung bekommen, aber es war mir egal.

Ich klopfte an der Tür. Kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet und meine Abuela sah mich an. "Oh, Kind. Komm rein! Als dein Vater anrief, waren wir mehr als besorgt!" Stumm betrat ich die Finca meiner Großeltern. "Hast du Hunger? Oder Durst?" Ich schüttelte meinen Kopf.

"Du solltest dich ausruhen. Nimm ein heisses Bad und geh schlafen. Es ist sowieso schon fast dunkel. Ich rufe deine Eltern an und sage ihnen, dass du hier bist."

"Ich hasse sie. Ich hasse ihn", flüsterte ich und lief langsam der Treppe hoch. "Ich hasse ihn", wiederholte ich immer und immer wieder.

Als ich das große Bett erblickte, ließ ich die Tasche auf den Boden fallen und legte mich direkt in das Bett. Erst jetzt bemerkte ich meine Müdigkeit, weswegen ich augenblicklich einschlief.

"Du hast mein Leben zerstört!", schrie er mich an und drückte mir seine Waffe an meine Stirn. In diesem Moment wusste ich, dass ich sterben würde.

Wütend biss er seine Zähne zusammen, ehe er ausholte und mir mit der Waffe eine verpasste. Immer und immer wieder. Doch ich wurde nicht ohnmächtig, nach dem vierten oder fünften Mal spürte ich nicht einmal mehr einen Schmerz. Ich wollte sterben, doch ich lag einfach nur da, unfähig, mich zu bewegen.

Schweißgebadet wachte ich auf. Es war dunkel, weshalb ich mich an die Wand presste. Ich sah eine Person auf dem Stuhl. Mein Herz schlug schneller. Wer war das? Etwa Alex? War er nicht tot, sondern wollte sich rächen?

"Bitte nicht", flüsterte ich. "Bitte...", schluchzte ich, denn die ersten Tränen liefen über meine Wangen. "Bitte tu' mir nichts", flehte ich und zog meine Beine an.

"Spence'?" Es war eine Frauenstimme. Dann wurde das Licht auf dem Tisch angeknipst. "Tante El", flüsterte ich erleichtert.

Sie stand auf und kam zu mir ins Bett. "Du solltest weiter schlafen." Stumm kuschelte ich mich an sie. Liebevoll strich mir Tante El durch meine Haare, doch an Schlaf war nun nicht mehr zu denken.

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now