• vier •

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Spencer James

Erleichtert ging ich zu Milo. "Endlich Wochenende! Dieses Genie hatte heute noch zwei gleiche Kurse wie ich! Das ist so ätzend! Wie soll ich denn heute Nachmittag überstehen?", regte ich mich direkt auf, weshalb Milo lächelte. "Das wird schon. Komm, wir müssen zum Bus. Der fährt in 15 Minuten und ich habe keine Lust, diesen zu verpassen und gefühlte 30 Jahre auf den nächsten zu warten."

Wir beide liefen los, als Milo mir sein iPhone hin hielt. "Ich will unbedingt deine Nummer haben. Wir sind seelenverwandt, das spüre ich." "Gut. Aber stellen wir gleich klar, dass-" "Keine Sorge, mein Schatz. Ich bevorzuge ältere Männer." Ich sah Milo an. "Du... stehst auf alte Knacker? Mit schlaffen Würstchen?" Milo lachte herzhaft. "Nein. So alt nun auch wieder nicht. Aber so 25 bis 30 Jahre alt dürfen sie schon sein. Aber ich bin leider minderjährig. Das erschwert die Sache. Mein erstes Mal hatte ich mit einem 18 jährigen. Der war ja vielleicht unreif", erzählte er mir kopfschüttelnd.

Dann packte er mich an den Schultern. "Aber wenn du mal guten Sex brauchst, ruf mich an und ich komme vorbei", sagte er ernst. "Ich glaube, das wird eher nicht passieren." "Hätte ja sein können."

Nach kurzem warten kam unser Bus und wir stiegen ein, setzten uns in die letzte Reihe. "Wo musst du aussteigen?", fragte ich Milo. "Am Park. Du?" "Zwei Stationen weiter."

Während der Busfahrt lernten wir beide uns besser kennen, hatten viele Gemeinsamkeiten. Milo war ein Pflegekind, hatte zwei ältere Brüder, welche er aber nicht kannte, da sie alle getrennt wurden. Trotz allem liebte er seine Pflegeeltern, welche alles für ihn taten.

Seine Lieblingsfarbe war blau und er liebte Filme jeglicher Art mit gutem Sex- egal, ob auch Frauen dabei waren. Außerdem wollte er Medizin oder Jura studieren, beides interessierte ihn sehr.

"Okay, wir sehen uns Montag. Und berichte mir bitte heute Abend ausführlich von dem Treffen mit Finn", grinste mein neuer Freund. "Mache ich." Milo umarmte mich zum Abschied und lief dann zur Tür.

Ich blieb noch kurz sitzen, dann wurde auch schon meine Haltestelle angesagt, weshalb ich aufstand und zur Tür lief. Der Bus hielt und ich stieg aus, lief gemütlich nach Hause.

Es war mittlerweile kurz vor drei, als ich die Haustür aufschloss. "Bin Zuhause!", rief ich, doch es blieb ruhig, weshalb ich mein iPhone nahm. Dabei fiel mir auf, dass Kaydens Blindenstock und Binde fehlten. Auf meinem Display stand außerdem eine Nachricht von Dad:

Ich habe kurzfristig Urlaub genommen und bin mit Kayden beim Arzt. Mach dir keine Sorgen, wir sind zum Spätnachmittag zurück.

Kaydens Arzt war ungefähr eine Stunde entfernt. Wir selbst durften von Dad nicht behandelt werden, da er es zum einen nicht wollte. Er meinte immer, er hätte Angst, dass er einen Fehler bei uns macht, da er sich nicht konzentrieren könne. Wir waren hier in den USA seine einzige Familie. Meine Großeltern waren, als ich ungefähr fünf Jahre alt war, wieder zurück in ihr Heimatland Spanien gezogen.

Spanien war toll. Wir verbrachten dort jeden Sommer ein paar Wochen, meistens drei. Je nachdem, wie meine Eltern sich frei nehmen konnten. Meist nahmen sie zwei Wochen Urlaub und eine Woche konnten sie ihre Überstunden abbummeln. Über das Jahr kamen da nämlich ganz schön viele zusammen!

Als es klingelte, zuckte ich zusammen. Noch immer stand ich im Flur, weshalb ich mich umdrehte und die Tür öffnete.

Finn Morgan.

"Was machst du schon hier? Da hättest du ja gleich mit unserem Bus fahren können." "Nette Begrüßung", erwiderte er sarkastisch. "Komm rein", murrte ich. "Ich bin gerade erst gekommen." "Ich weiß."

Seufzend zog ich meine Schuhe aus und stellte diese ordentlich auf ihren Platz. "Hier ist es ja voll ordentlich", erwiderte er. "Das muss so sein", murmelte ich. "Bist du so ein Freak?" "Nein. Aber für meinen Bruder muss alles an dem gleichen Platz sein. Also stell deine Schuhe an den freien Platz."

Seit Kayden krabbeln konnte, hatte sich hier nichts mehr verändert. Er kannte jeden Zentimeter in- und auswendig.

Einmal, als er etwas älter war, war in meinem Zimmer mein Regal gebrochen und Dad und ich hatten ein Neues gekauft. Es war nur zwei Zentimeter breiter und Kayden hatte sich an den Fingern verletzt, als er etwas holen wollte. Er wusste nicht, dass es zwei Zentimeter breiter war. Seit diesem Tag an bestand ich darauf, nichts mehr in diesem Haus  zu verändern.

Finn Morgan folgte mir in mein Zimmer in den ersten Stock. "Es ist aber ein schönes Haus, das muss ich zugeben", sagte er hinter mir. "Danke schön." Als ich zur Tür meines Kleiderschrankes ging, sah Finn Morgan sich um und stand schlussendlich in der Mitte des Raumes herum. "Du kannst dich auch hinsetzen. Entweder auf das Bett oder an den Tisch."

"Auf ein Bett setzt man sich nicht, wenn man Hausaufgaben macht. Das lenkt zu sehr ab", erwiderte er und setzte sich auf den Stuhl. "Wie auch immer", murmelte ich und verdrehte meine Augen, zog die Uniform aus.

Aus meinem Schrank holte ich eine zerfranste Jeans und ein weißes T-Shirt. "Du hast ein Tattoo?" Ich drehte mich um. "Zwei Tattoos...?" Ich nickte. "Gut erkannt, Sherlock", erwiderte ich und zog das Shirt über meinen Kopf. "Und du trainierst." "Analysierst du mich etwa gerade?" Finn Morgan zuckte mit seinen Schultern.

"Was ist das für ein Datum auf deiner Brust?" "Das Geburtsdatum meines kleinen Bruders", antwortete ich und legte mich auf mein Bett. Der Junge trug noch immer diese unbequeme Uniform. "Und was hat das Tattoo auf deiner Schulter zu bedeuten? Der Buchstabe L?" Ich blieb stumm. "Das geht dich nichts an."

"Nun gut, ich habe eine Skizze gemacht, wie das Schlachtfeld ungefähr aussehen muss." "Wann hast du das denn gemacht?", fragte ich verwirrt. "Im Mathekurs. Da hatte ich nichts zu tun." Dieser Junge war mir ein Rätsel.

"AUA!" Das war Kayden! Sofort stand ich auf und lief in den Flur. "Alles okay?", fragte ich und ging zu ihm. "Wieso hast du deine Schuhe nicht an ihren Platz gestellt?" "Habe ich doch", meinte ich verwirrt und sah, wie Dad FINN MORGANS Schuhe weg stellte! "Das sind die Schuhe von einem Trottel, welcher hier ist. Es tut mir leid."

Sanft strich ich über seine Wange. "Das muss wirklich ein Trottel sein", erwiderte Kayden und umarmte mich. "Ist denn mit dir alles in Ordnung?", fragte ich meinen kleinen Bruder. "Ja. Ich hatte nur ganz böse Bauchschmerzen."

"Genau. Deswegen gehst du dich jetzt umziehen und legst dich ins Bett. Ich mache dir eine Wärmflasche." Kayden nickte und lief nach oben. "Ich muss mit dem Genie ein Projekt machen. Du solltest lieber nicht stören", murmelte ich und lief ebenfalls nach oben.

"Ey, du Trottel! Das nächste Mal stellst du deine Schuhe gefälligst woanders hin!" Kayden stand zielsicher vor Finn Morgan. "Wie bitte?", fragte er verwirrt. "Wenn mein großer Bruder sagt, dass hier alles ordentlich zu sein hat, dann musst du das auch befolgen. Er sagt das nicht ohne Grund! Ich hätte mir etwas brechen können! Ich bin blind, man! Einen schönen Tag noch, Trottel!" Wütend stapfte er an mir vorbei, weshalb ich grinste.

Finn Morgan wurde von einem achtjährigen sowas von angeschrien, dass er einfach nur verunsichert auf dem Stuhl saß und seine Klappe hielt. Kein neunmalkluger Kommentar dazu.

Und diesen Augenblick genoss ich.

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now