• siebenunddreißig •

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Spencer James

Gut gelaunt stand ich von meinem Stuhl auf. "Also, wir sehen uns heute Nachmittag." Ich gab Kayden einen Kuss auf den Kopf. "Tschüssi!", kicherte er und futterte seinen Apfel weiter. "Bis heute Nachmittag und viel Glück bei dem Test", lächelte Mum. "Danke. Ich habe viel mit Finn gelernt gehabt."

Finn.

Ich vermisste ihn. Sehr sogar.

"Rede in Ruhe mit ihm." Ich sah Mum an und nickte. "Bis später." Im Flur zog ich mir meine Schuhe an, schnappte mir meinen Rucksack und verließ das Haus. Ich steckte mir meine Kopfhörer ins Ohr und öffnete meine Lieblingsplaylist.

Meine Musik beruhigte mich sehr. Ich musste unbedingt heute mit Finn reden. Die letzten Wochen hatte er mir diesen Halt gegeben. Halt, welchen ich gebraucht hatte. Auch, wenn er von all dem nichts wusste. Alex hatte mich sehr verletzt, doch Finn ließ mich abschalten und an etwas anderes denken. Ich dachte nur an ihn, auch wenn Finn es nicht zu wissen schien.

Ich hatte mich wirklich in ihn verliebt, was ich am Anfang gar nicht bemerkt hatte. Hätte Dad nicht etwas gesagt, wüsste ich es vielleicht bis heute nicht. Und mir war egal, dass er der Bruder eines Serienmörders war. Er war nicht so. Finn konnte nicht einmal einer Fliege etwas antun!

Klar, Finn war immer abweisend und wollte niemanden an sich heran lassen. Doch jetzt verstand ich ihn. Er hatte angst, wieder auf diese Weise verletzt zu werden. Ich hatte ebenfalls Angst, verletzt zu werden. Nach dem, was Alex getan hatte, war es auch nicht leicht, einfach weiter zu leben, das musste ich zugeben. Doch Finn holte die Lebensfreude aus mir heraus.

Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass ich nichts um mich herum mit bekommen hatte. Ich wurde von hinten gepackt und weg gezogen. Als ich schreien wollte, hielt mir jemand die Hand vor den Mund. Dann wurden mir meine Ohrstöpsel aus den Ohren gezogen. "Hast du mich vermisst?"

Diese Stimme. Ich würde sie niemals vergessen können! Es war Alex! "Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich irgendwann alleine antreffen werde." Mein Herz raste. Ich hatte wirklich Angst. Er klang sehr ernst und mittlerweile wusste ich, dass ich wirklich Angst vor ihm haben sollte!

"Was willst du?", fragte ich leise. "Was ich will? Gerechtigkeit!" Alex drückte mich an eine Mauer. "Weißt du, Spencer, ich habe dich niemals geliebt. Im Gegenteil. Du warst gut im Bett, hast außergewöhnliche Vorlieben, aber mehr auch nicht. Du bist nicht sonderlich intelligent, dein Aussehen ist auch nur Mittelmäßig. Aber ich dachte mir damals, 'hey, versuche es doch mal mit dem im Bett. Stille Gewässer sind ja bekanntlich tief'. Und ich war wirklich positiv überrascht. Ich habe sogar mitgespielt, dass ich dich lieben würde. Habe deiner kleinen krüppligen Familie etwas vorgespielt und war sogar zu deinem behinderten, hässlichen Bruder nett. Aber dann hast du mein Leben zerstört. Mit dieser Anzeige. Also zerstöre ich deins. Ich werde dich verunstalten. Und dann ist dein Gnom von Bruder dran. Der kann sich sowieso nicht wehren. Er würde mich ja nicht einmal kommen sehen."

Ich weinte. Alex drückte mir ein Messer an die Wange. "Du kannst mit mir machen, was du willst. Aber bitte tue meinem Bruder nichts", flehte ich leise. Nun hatte ich mehr Angst um Kayden, als um mich. Alex würde seine Drohung definitiv wahr machen!

Er drückte die Klinge des Messers in meine Wange. Es tat weh. "Ich kann also alles mit dir machen?" Ich nickte leicht. "Lasse Kayden in Ruhe, bitte", flehte ich leise. Alex zog das Messer über meine Wange. Es brannte und tat höllisch weh.

"Als erstes werde ich deinem hässlichen Freund eine Kopie des Tapes bringen. Ich muss nur noch heraus finden, wo er sich aufhält. Bei seinen asozialen Eltern ja anscheinend nicht. Er ist da nie anzutreffen. Und wenn das alles erledigt ist, werden wir Sex haben. Ob du willst, oder nicht. Und ich werde es wieder filmen. Das ist das beste Video gewesen, welches ich jemals gedreht habe." Alex war geil, das spürte ich.

Doch ich spürte nichts mehr. Keinen Schmerz auf der Wange, keine Angst. Ich spürte nur noch Leere. Ich wusste, dass ich nun erledigt war. Alex würde diesen Gedanken wahr machen. Das wusste ich. Er würde mich irgendwann vergewaltigen. Vielleicht nicht heute, oder morgen. Aber irgendwann.

Und es war okay, so lange er Kayden in Ruhe ließ.

Alex drückte mich noch einmal fest gegen die Wand, ließ dann von mir ab. "Und denk dran, du hast keine Beweise für das, was gerade geschehen ist." Und damit ging er und ließ mich in dieser düsteren Gasse alleine.

Ich ließ mich an der Mauer auf den Boden fallen und fing an zu weinen. Der Schmerz auf meiner Wange war mir egal. Mir war alles egal. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr! Alles hatte ich verloren! Finn, mein altes Leben, meinen Mut, meine Würde..., einfach alles!

War es vielleicht einfacher, alles hinter mir zu lassen? Alle in Ruhe zu lassen? Lohnte sich das Leben noch?

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now