• siebzehn •

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Leonard James

Vorsichtig klopfte ich an Spencers Zimmertür an und trat ein. Er lag gedankenverloren auf seinem Bett. Dann sah ich, dass er stumm weinte. "Möchtest du reden?", fragte ich und legte mich zu ihm.

Spencer jedoch kuschelte sich nur stumm an mich. "Du weißt, dass Finn gleich kommt?", fragte ich und fuhr ihm durch seine rabenschwarzen Haare. "Sag ihm, dass ich krank bin", schniefte mein Sohn. "Aha. Es ist wegen ihm", schlussfolgerte ich.

"Ich habe angst." "Vor Finn?" "Nein." "Vor dem Projekt?"  Spencer hob seinen Kopf und sah mich an. "Vor dem neu verlieben." "Davor hatte ich auch angst. Das ist ganz normal, wenn das Herz gebrochen wurde."

"Aber bei mir ist es eine andere Situation. Deine Eltern haben dich bestimmt nicht nackt und intim im Internet gesehen." "Nein, bei uns gab es so etwas noch nicht. Aber mein Herz wurde auch gebrochen. Zwei mal. Und deswegen weiß ich, wie du dich fühlst."

"Und was hat dir Kraft gegeben, dass du wieder nach vorne schauen konntest?" Ich lächelte. "Das warst du."

Spencer sah mich verwirrt an. "Ich? Ich war drei Jahre alt!" "Dann erzähle ich es dir mal..."

"Ich habe Kinder...", erwiderte Louise vorsichtig. "Besser gesagt, nur noch eins... Er ist drei und in letzter Zeit gab es viele Veränderungen und ich möchte nicht, dass er wieder verletzt wird. Deswegen glaube ich, es ist besser, wenn wir uns nicht mehr treffen. Falls aus uns nichts wird und-"

Ich legte meine Hände an Louises Schultern. "Ich möchte ihn aber gerne kennenlernen. Lou, ich bin total verknallt in dich! Und ich weiß, dass es vielleicht am Anfang schwer wird, aber ich meine es ernst. Ich werde nicht aufgeben."

Louise seufzte. "Kinder sind stark, Süße. Stärker, als du glaubst. Er schafft das."

Die Tür hinter ihr wurde geöffnet. "Mummy!" Ein kleiner Junge kam zum Vorschein. "Du sollst nicht immer die Tür öffnen!" Louise hob den Jungen hoch. "Aber ich habe doch gehört, dass du es bist!"

Dann sah mich der schwarzhaarige Junge an und durchbohrte mich mit seinen stechendblauen Augen. "Bist du der Junge, von dem Mummy immer glücklich mit Granny redet?"

"Lennie, das ist mein Sohn Spencer, welcher nie seinen Mund halten kann", grinste Lou. "Hallo, kleiner Mann", lächelte ich. "Magst du Pinguine?" "Sehr sogar."

"Mummy, darf ich ihm mein Zimmer zeigen? Er mag Pinguine!" "Natürlich darfst du das." Lou stellte den kleinen Mann auf dem Boden ab. Breit grinsend nahm er meine Hand und führte mich durch einen Flur.

"Das ist mein Zimmer!" Stolz präsentierte Spencer mir sein Zimmer, welches mit Pinguinen übersät war. "Das sind sehr viele Pinguine!", staunte ich und sah mir die Poster, Figuren und Stofftiere an. "Ich weiß. Sie sind so süß!"

Spencer zog mich zu seiner Spielwiese. Überall standen kleine Pinguinfiguren. "Das sind Mummy, Laia und ich", erklärte er und zeigte auf drei Pinguine, welche auf einem großen Eisberg standen.

"Wer ist denn Laia?", fragte ich ihn. "Meine Schwester. Ich vermisse sie ganz doll! Aber Mummy sagt, dass sie nie wieder nach Hause kommt", erklärte er traurig. "Oh, das tut mir leid." Spencer zuckte mit den Schultern. "Daddy kommt auch nie wieder. Deswegen ist Platz für dich."

Spencer nahm eine Pinguinfigur und stellte sie neben die Pinguinkönige. "Du bist jetzt Mummys neuer Pinguin. Und Pinguine trennen sich niemals, wenn sie die große Liebe gefunden haben. Ich weiß zwar nicht, was das bedeutet, aber bei dir und Mummy ist das so."

Ich lächelte. Das war das süßeste, was ich jemals gehört hatte!

"Hier." Spencer gab mir eine seiner Pinguinfiguren. "Oh, danke schön. Das bedeutet mir viel", lächelte ich und sah die kleine Figur an.

"Wieso sprichst du so komisch?" "Ich komme aus Spanien." Spencer setzte sich auf mein Bein. "Was ist ein Spanien?" "Ein Land, welches gaaaaanz weit weg liegt. Und da sprechen wir eine andere Sprache." "Das glaube ich dir nicht!"

"Eres lindo. Espero que seamos buenos amigos." Mit großen Augen sah mich Spencer an. "Ich will diese Spaniensprache lernen!" Leicht lachte ich. "Die kann ich dir sehr gerne beibringen. Aber du musst Geduld haben."

"Die habe ich. Ich habe viel Geduld. Geduld ist, wenn ich warten muss, bis du mein neuer Daddy bist."

"Das hat mir Hoffnung gegeben, Spencer", lächelte ich und sah ihn an. "Du hast mir dann erzählt, wie oft deine Mutter über mich geredet hat und das du glücklich warst, dass sie glücklich war. Nach all dem, was ihr erlebt hattet, konnte ich verstehen, dass ihr Zeit gebraucht habt. So wie ich, als ich verlassen wurde. Und nach ungefähr einem Jahr sind wir drei dann zusammen gezogen und immer wieder kamst du nachts zu mir und meintest, dass du nicht glücklicher sein könntest, du dir aber wieder ein Geschwisterchen wünschtest."

"Das traurige daran ist nur, dass ich mich an Laia nicht mehr erinnern kann", flüsterte mein Sohn neben mir. "Ich habe nur noch Fotos und ein Armband, mehr nicht. Keine Erinnerungen, außer ihr schönes Lachen."

Spencer setzte sich auf. "Denkst du, sie lebt noch?", fragte er leise. "Das ist eher unwahrscheinlich, das weißt du." Spencer nickte leicht. "Stimmt."

"Aber woher weiß ich, dass ich nicht wieder an so jemanden gerate?", fragte er dann nach kurzer Stille. "Das kannst du nicht wissen. Du musst dir diesmal mehr Zeit lassen und ihn besser kennenlernen. Alex kanntest du nicht einmal richtig. Du warst nur schon Monate in ihn verknallt und hast dich direkt auf ihn eingelassen."

Spencer umarmte mich, als ich mich aufgesetzt hatte. "Danke, Dad." Ich lächelte. "Ich danke dir." Lächelnd stand ich auf und lief zur Tür. "Dad? Was ist aus der Pinguinfigur geworden?" Mein Lächeln wurde breiter. "Diese steht bis heute auf meinem Schreibtisch an der Arbeit."

The Tape ∣ boyxboy ✔️Where stories live. Discover now