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Müde gähnte ich und öffnete meine Augen. Es war ein schöner Morgen. Die Sonnenstrahlen schienen durch die Baumkronen und durch mein Fenster in mein Gesicht und blendeten mich. Ich musste einige Male blinzeln, bevor ich richtig sehen konnte und stand langsam aus meinem warmen weichen Bett auf. Meine müden Beine bewegten sich wie von alleine zur Küche und ich setzte eine Kanne Tee auf den Herd, bevor ich mir frische Klamotten aus dem Schrank holte und mich im Bad umzog. Mein Nachthemd legte ich gefaltet auf mein gemachtes Bett und ging gerade zurück in die Küche, als die Kanne zu pfeifen begann.

Mit einem heißen Tee und einem Brot mit Käse setzte ich mich an den Esstisch und genoss mein Frühstück, bevor ich mich in die Stadt aufmachte.

Meran war die zweitgrößte Stadt des Landes und hatte den größten Marktplatz. Händler, die mit den Handelsschiffen in der Hafenstadt Porta anlegten, kamen aus aller Welt nur um ihre Waren auf diesem Marktplatz verkaufen zu können. Die Stadt war immer voll mit Menschen, egal zu welcher Zeit oder an welchem Tag man sich dort aufhielt, waren die Straßen immer belebt und die Menschen meist gut drauf und stets freundlich. Die Marktstadt Meran hatte den Vorteil, dass die Händler dort nur verkaufen durften, wenn Sie die Genehmigung des Oberbefehlshabers der Landessicherheit hatten – und die bekam nicht jeder. Durch diese Prüfung war klar, dass auf dem Markt nur die besten Waren verkauft wurden und das stimmte die meisten Menschen grundsätzlich positiv.

Auch ich liebte Meran. Die Menschen und die Gefühle, die man dort überall wahrnahm. Ich arbeitete seit Jahren auf dem Markt als Verkäuferin für die Grafenfamilie Raewyn, die die selbst-gemachten Töpferwaren der Gräfin Rheya anboten. Ich liebte diese Arbeit. Meine einzige Aufgabe war es die Waren an die Kunden zubringen und ein bisschen Geld zu verdienen, aber eigentlich war es der Familie egal was und für wie viel ich die Waren verkaufte. Gräfin Rheya töpferte für ihr Leben gern und hatte bereits mit 18 Jahren einen ganzen Keller voll mit verschiedensten Tassen, Schalen, Schüsseln und Krügen. Nach ihrer Hochzeit mit dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte war dieser der Meinung, dass sie einiges davon loswerden müssten und so kam eines zum anderen und ich verkaufte die Waren auf dem Markt.

Meine Patenmutter hatte damals im Haus der Grafenfamilie als Köchin gearbeitet und hatte mich der Gräfin als Verkäuferin vorgeschlagen. Nachdem mich die Gräfin dann begutachtet hatte, war sie sicher, dass ich gute Arbeit leisten würde und stellte mich ein.

Jeden Tag und so auch heute war nicht viel Vermarktung nötig, um die wunderschön handbemalten Töpferwaren der Gräfin an die Menschen in Meran zu verkaufen. Sie waren durchaus beliebt und obwohl es der Grafenfamilie egal war, wie viel Geld sie mit den Waren einnahmen, waren sie am Ende der Woche meist sehr zufrieden mit den Einkünften und gaben mir wie abgemacht die Hälfte der Einnahmen – was durchaus nicht wenig Geld war.

Jemand tippte mir in einem ruhigen Moment zwischen den Verkäufen auf den Rücken und ich drehte mich überrascht um. Hinter mir stand Calima. Sie grinste mich breit an und stieß mir leicht gegen den Arm. „Du hättest mir ruhig sagen können, dass du gestern nicht arbeiten konntest." Sagte sie gespielt empört und ich nickte entschuldigend. „Es tut mir leid, Callie. Ich hatte die Waren der Gräfin noch nicht bekommen und musste im Grafenhaus vorbeigehen. Wie lief es gestern? Hast du gut verkauft?" „Mäßig. Mein Gemüse war fast unberührt, aber mein Obst war fast ausverkauft. Apropos, brauchst du zufällig noch ein paar Äpfel und Birnen? Die von gestern sehen war nicht mehr allzu gut aus, aber schmecken immer noch super." „Immer her damit. Was kriegst du dafür?" Callie klatscht aufgeregt in die Hände und reicht mir einen Korb voll mit Äpfeln und Birnen. Mit großen Augen starre ich sie an. „Das sind mehr als nur ein paar. Was soll ich damit anstellen?" „Back einen Kuchen oder so? Keine Ahnung. Ich will dafür auch nur zwei Geza." Seufzend nickte ich und kramte aus meiner Tasche zwei Silberstücke. „Daraus kann ich sechs Kuchen backen." Sagte ich anschließend und nahm den Korb entgegen. Callie warf spielerisch das Geld hoch und fing es gleich wieder auf. „Und ich kann mir jetzt eine Pastete an Melindas Stand kaufen. Die riechen immer so gut!" Ich begann zu lachen und Callie machte sich auf den Weg zu Melindas Stand, der gleich gegenüber von ihrem war.

Als sie zurückkam hatte sie zwei Fleischpasteten in der Hand und reichte mir eine davon. Irritiert sah ich von ihr auf die Pastete, die sie mir hinhielt, und wieder zurück zu ihr. „Nun nimm schon. Ich weiß, wie sehr du die Pasteten von Melinda liebst." Breit lächelnd bedankte ich mich bei ihr, nahm die Pastete an und biss hinein.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now