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Ich blickte zu einer breit grinsenden Rhaka, die vor einem der hohen weißen Regale stand und deutete auf eines der Bücher hoch über ihrem Kopf. Der Buchrücken war aus braunem Leder und darauf stand in goldener Schrift Schloss Elysia. „Das ist ein Buch über das Schloss im Himmel. Alles was der Menschheit über diesen Ort bekannt ist, steht dort drin beschrieben.", erklärte Prediger Walther und lächelte verträumt. „Dürfen wir es sehen?", fragte Rhaka neugierig, doch der Prediger schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, tut mir leid. Das Buch ist viele Jahrhunderte alt und zu wertvoll, um von Besuchern gelesen zu werden." Rhaka nickte verständnisvoll. „Das verstehe ich. Aber wieso steht es einfach in einem Bücherregal, wenn es doch so beschützt werden muss?" „Das ist eine gute Frage, mein Kind. Es ist so, dass das Buch für besondere Leute stets zugänglich sein muss, daher steht es in genau diesem Regal, welches die gesamte Geschichte der Götter und Göttinnen und Heiligen beinhaltet. Es gehört also thematisch in dieses Regal." „Wow, da steckt ja wirklich ein Gedanke dahinter.", murmelte ich und sah mich im Raum um. „Hat dann jedes der Regale ein Thema?" „Durchaus." Der Prediger ging langsam durch den Raum und stellte sich genau unter das Gemälde mit dem Schloss. „Es sind Geschichten und Erzählungen des ganzen Landes und der Welt darunter und doch sind sie alle lange nicht so interessant, wie die Geschichten der Götter. Doch seit einigen Jahren, seit dem Krieg der beiden Göttinnen Galaya und Yeseda, gab es keine neuen Erzählungen." Sein Bedauern war klar in seiner Stimme zu hören und ich sah ihn verwirrt an. „Verzeiht die Frage, aber woher stammen die Erzählungen denn überhaupt. Ihr habt doch bestimmt keinen der Götter hier in eurem Kloster, oder etwa doch?" Prediger Walther lachte auf und schüttelte dann lächelnd den Kopf. „Um Himmelswillen, nicht doch. Einen Gott in unseren Reihen, könnten wir doch nie vor der Welt geheim halten – jeder wüsste es. Nein, wir erhalten unsere Geschichten und Predigen von einem Propheten in unserem Kloster. Bruder Marek hat 30 Jahre die Götter erhört und uns ihre Worte dargelegt, doch seit 23 Jahren hat er nichts mehr von ihnen wahrgenommen und wir können uns nicht erklären wieso." Ich sah zwischen Rhaka und Marigold hin und her. Wir schienen alle sichtbar verwirrt. „Seltsam. Was ist denn bei dem Krieg zwischen den Göttinnen geschehen?", fragte Rhaka interessiert und der Prediger sah hinauf zum Gemälde. „Galaya und Yeseda waren Schwestern des Blutes und des Geistes. Sie wuchsen zusammen im Schloss Elysia auf. Das Schloss existiert länger als das Leben auf der Erde und es war die Aufgabe der beiden Göttinnen zu starken Frauen heranzuwachsen, um ihre Schicksale als Mutter Tag und Mutter Nacht anzunehmen. Als beide Frauen erwachsen waren, wurde Galaya zur Mutter Tag gekürt und Yeseda zu Mutter Nacht. Doch Yeseda reichte dies nicht aus, sie wollte die ganze Macht. So griff sie eine der Obergöttinnen an und tötete sie dafür, dass sie sich ihr widersetzte. Yeseda floh, doch niemand weiß wohin, und Galaya nahm ihren Platz als Mutter Tag an und erschuf das Leben auf der Erde. Viele Millionen Jahre lang baute sich das Leben auf, Pflanzen gediehen, Tiere entwickelten sich und Menschen entstanden." Prediger Walther pausierte und deutete auf eine kleine Nische hinten rechts der Bibliothek. „Kommt, wir setzen uns und ich erzähle euch mehr." Wir folgten ihm neugierig und setzten uns auf eine mit weißem Stoff überzogene Bank neben einem der bodenlanden Bogenfenster. Der Blick auf die wachsenden Obst- und Gemüsefelder war beeindruckend.

„Eines Tages, vor 23 Jahren, kam Yeseda aus ihrem Versteck hervor, zurück ins Schloss Elysia. Sie war neidisch auf die Kräfte, die ihr verwehrt wurden und hasste was Galaya mit ihnen erschaffen hatte. Sie griff ihre Schwester an und kämpfte mit ihr um die Kräfte des Lebens. Galaya wehrte sich mit all ihrer Macht, doch ihre Schwester war hinterhältig und Galayas Kräfte ließen mehr und mehr nach. Im letzten Moment vor dem Finalen Angriff Yesedas, gab Galaya die Essenz ihrer Kräfte frei, welche durch die Wolken hinab auf die Erde fiel. Wütend nahm Yeseda Galaya gefangen und verschwand mit ihr auf die Erde auf der Suche nach der Essenz. Doch niemand weiß, wo sie ist und in welcher Form sie hier auf der Erde existiert. Es heißt aber, dass sie sich in unserem Königreich befindet und eines Tages die Essenz auftaucht und das Gute gegen das Böse siegt." Prediger Walther beendete seinen Monolog mit einem hoffnungsvollen Lächeln und sah zwischen Rhaka, Marigold und mir hin und her. Rhaka sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich grinste. „Das... ist wirklich eine interessante Geschichte.", sagte ich schließlich und sah zu Prediger Walther, der mich mit schrägem Kopf ansah. „Sag, Kind, bist du gläubig?" Überrascht von seiner Frage schnaubte ich. „Nun ja, bei allem Respekt, ich glaube an das Schicksal und daran, dass jedem widerfährt, was ihm vorbestimmt ist, aber an einen oder mehrere Götter und Heilige glaube ich durchaus nicht. Meine Patenmutter glaubte an einen Gott, der über allem stand, und wollte, dass ich ebenfalls glaubte. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass es eine Person hoch über den Wolken gab, die Menschen befahl und über alles herrschte." Die Runde nickte und ich atmete tief durch. „Ich verstehe. Die Vorstellung es gäbe nur einen Gott ist mir auch fremd, doch mehrere Götter mit verschiedenen Zuständigkeiten ist etwas, woran ich gerne glaube. Aber ich verurteile niemanden, der meine Ansichten oder meinen Glauben nicht teilt." Er lächelte mich freundlich an und ich war dankbar, dass Prediger Walther ein so friedfertiger Mensch war.

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile mit dem Prediger und wurden durch das ganze Kloster geführt, bis es langsam dunkel wurde und wir nicht nur müde, sondern auch hungrig waren. In einem der größeren Gasthäuser, mieteten wir ein Zimmer mit drei Betten und baten darum uns Essen auf unser Zimmer bringen zu lassen, da wir uns alle unbedingt hinlegen wollten.

Mein Bett war nicht zu hart und nicht zu weich – genau perfekt – und ichmusste mich bemühen nicht direkt einzuschlafen, bevor das Essen kam. Ein leisesKlopfen an der Tür ließ mich aufhorchen und Marigold öffnete gähnend die Tür.Die Wirtin des Hauses stand vor der Tür mit einem großen Tablett voller Essenund reichte es Marigold lächelnd. Wir bedankten uns, Marigold schloss die Türund wir machten uns daran die Eintöpfe zu essen. Kaum eine halbe Stunde später,waren wir alle bereits eingeschlafen.

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Natures HeritageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt