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Mit vollem Magen und nach einem langen warmen Bad, zog ich mir ein Kleid aus meiner Tasche an und kämmte mein Haar, bevor ich es in einen Knoten band. Rhaka und Mari hatten mein Zimmer erst verlassen, als ich tatsächlich das ganze Essen gegessen und die beiden Gläser ausgetrunken hatte, was mich sehr frustrierte, denn ich schaffte schon nach den Pfannkuchen keinen weiteren Bissen mehr. Es dauerte also eine Weile, bis ich endlich fertig war. Zum Glück hatte Rhaka mir ein wenig Essen abgenommen – zu Marigolds Missfallen versteht sich.

Ich machte mich auf den Weg zum Thronsaal, indem wohl schon alle anderen auf mich warteten. Als ich den Saal betrat, sahen mich alle an und ich schluckte schwer. Es war mir unangenehm im Mittelpunkt zu stehen.

Rhaka wank mich zu sich, also blieb ich neben ihr stehen und sah gespannt zum König. Dieser sah mich freundlich lächelnd an und richtete sich dann auf, bevor er sprach. „Nun Gwenneth, ich denke, dass ich nicht der Einzige bin, der sehr überrascht ist, was dich und deine ... Kräfte angeht." Ich nickte nur, unsicher was ich sagen sollte. Er hatte ja recht. „Ich bin der Meinung, dass es das Beste ist, deine Fähigkeiten geheim zu halten, bis du sie im Griff hast und wir die Sache mit Yeseda geklärt haben. Ich werde meine besten Männer in den Wald schicken und nach ihr suchen lassen." Schockiert schüttelte ich den Kopf. „Verzeiht meine Unverfrorenheit, aber das halte ich für keine gute Idee. Yeseda ist sehr mächtig. Dass ich sie aufhalten konnte, war pures Glück. Eure Männer werden nicht wiederkehren."

Nachdenklich sah der König zwischen uns allen hin und her und nickte dann. „Ich verstehe. Dennoch bleibt der Beschluss, dass alle, die von deinen Fähigkeiten wissen kein Wort darüber verlieren dürfen. Du solltest hier im Schloss bleiben und lernen deine Kräfte zu kontrollieren. Und vielleicht solltest du auch lernen zu kämpfen. Du wirst sicher gegen Yeseda kämpfen müssen, du solltest vorbereitet sein." Wieder hatte er recht. Ich musste kämpfen lernen, mich vorbereiten auf meinen unweigerlichen Kampf mit meiner Tante.

„Als besten Kämpfer meines Reiches schlage ich vor, dass Kellan dich ausbildet. Das geht doch in Ordnung, oder Kellan?" Mein Herz fiel förmlich zu Boden und ich sah entgeistert zu Kellan, der ein paar Meter von mir entfernt neben Mari stand. Er sah flüchtig zu mir und ich konnte erkennen, wie sein Unterkiefer sich anspannte. Er war sichtlich unglücklich über den Vorschlag des Königs, genau wie ich. Ich wollte wirklich nicht meine Tage im Schloss mit der einzigen Person verbringen, die mich nicht leiden konnte – und ich sie auch nicht. Doch dem König konnte man nichts ausschlagen, er meinte es ja nur gut.

Kellan nickte langsam im Zeichen seiner Zustimmung und der König klatschte glücklich in die Hände. „Perfekt. Das freut mich sehr. Gwenneth, du ruhst dich besser heute noch aus, morgen solltet ihr allerdings beginnen." Ich nickte als Antwort. Ich war fassungslos. Wieso musste es Kellan sein? Wieso nicht Marigold? Sie war doch auch eine Leibgarde und konnte kämpfen?

Nach dem Gespräch mit dem König, nahm Rhaka mich mit in den Garten. Wir gingen spazieren und ich atmete die frische Luft tief ein. Es tat gut draußen zu sein. Die Natur war ein Teil von mir und ich ein Teil von ihr. Wir lebten in einer Gemeinschaft, in der der eine ohne den anderen nicht existieren konnten. Ich fühlte jedes Leben in meiner Nähe, als wäre es ein Teil von mir und ich war mir plötzlich bewusst, weshalb ich mich in Rhakas Nähe so wohl fühlte. Sie war so rein und pur wie das Leben selbst und das schätzte ich sehr an ihr. Es machte sie so besonders, noch besonderer als sowieso schon.

Wir gingen durch den Garten immer weiter bis hin zum botanischen Garten und setzten uns auf die Wiese neben dem Wasserfall. Ich spürte, dass Rhaka mir etwas erzählen wollte, also sah ich sie lächelnd an. „Na los, du hast doch etwas auf dem Herzen. Sag schon." Erleichtert atmete sie aus und begann mit ihren Händen zu spielen, während sie erzählte.

„Als wir im Schloss ankamen, nachdem du mich geheilt hattest, war ich noch sehr schwach und Finnian hatte mich in sein Zimmer gebracht. Er legte mich auf sein Bett und wollte gehen, doch ich hielt seine Hand fest und deutete ihm, sich neben mich zu legen. Wir lagen also da, nebeneinander auf seinem Bett und schwiegen. Aber es war keine unangenehme Stille. Ich genoss seine Nähe und ich glaube er auch meine.", Rhaka blickte auf und ihre Augen leuchteten bei der Erinnerung, „Ich fühle mich so wohl in seiner Nähe. Als könnte uns nichts und niemand mehr trennen, nicht einmal mein Vater. Es ist alles so... perfekt." „Das freut mich wirklich sehr für euch.", gab ich ehrlich wieder, doch Rhaka sah besorgt auf ihre Hände. „Ich habe Angst.", sagte sie nach einer Weile und sah mich dann wieder an, immer noch besorgt und irgendwie traurig. Ich legte eine Hand auf ihre. „Und warum?" „Mein Vater hat meine Vergangenheit beherrscht und ich habe Angst, dass er auch meine Zukunft zerstören wird. Ich bin mir sehr sicher, dass er seit meiner Flucht sehr wütend ist, und ich will mir nicht ausmalen, was meine Mutter gerade ertragen muss. Ich hoffe es geht ihr gut." „Ich bin mir sicher, dass es ihr gut geht.", sagte ich bestärkend und drückte Rhakas Hände leicht, „Sie ist eine starke Frau, genau wie du. Deine Zukunft liegt alleine in deinen Händen. Nicht in seinen. Und der König, die Königin und Finnian stehen geschlossen hinter dir – das ganze Königreich steht hinter dir. Alle werden dich lieben und nicht zulassen, dass dein Vater dir das wegnimmt." Ein Schimmer Hoffnung zeigte sich in Rhakas Augen und sie lächelte, dankbar für meine Worte.

Wir saßen noch eine Weile im Gras und redeten über alles Mögliche, bises dunkel wurde und unsere Mägen ein Wettknurren begannen. Zurück im Schlossaßen wir am Tisch mit den anderen unser Abendessen und gingen dann auf unsereZimmer. Ich setzte mich mit einem Buch aus dem Bücherregal neben dem Fensterauf die Chaiselongue und blätterte ein wenig darin herum, doch ich konnte michkaum darauf konzentrieren. Ich war viel zu aufgeregt. Morgen würde ich meineKräfte ausprobieren und sehen, was ich alles kann. Die Tatsache, dass Kellanmir das Kämpfen beibringen würde, war zwar weniger erfreulich, doch ich würdees einfach hinnehmen und mich nicht von ihm ärgern lassen. Wir taten dies nichtwegen mir oder ihm, sondern für einen höheren Zweck – ich hoffte er wusste dasauch.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now