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Den Tag in Civita verbrachten wir auf dem Markt und im großen Zoo und die ganze Zeit hing Rhaka an Finnians Arm und Mari lief mit Kellan umher. Ich war für mich allein und war mehr oder weniger zufrieden damit.

Von Civita nach Patum dauerte es ähnlich lange wie nach Meran und so beschlossen wir eine Kuschte bis zum Berg, auf dem Patum lag, zu mieten. Wir fuhren einige Stunden lang und es war bereits Sonnenuntergang, als wir am Fuß des Berges ankamen.

Patum lag genau auf dem einzigen Berg aus Gestein im ganzen Königreich. Von der Bergspitze aus floss ein Wasserfall den ganzen Berg hinab in einen großen See am Fuß des Berges, welcher an den Ostteil des Grätenwaldes grenzte. Als wir aus der Kutsche stiegen überkam mich eine ungewohnte Kälte und das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Alle anderen schienen es nicht zu bemerken und wirkten weiterhin fröhlich und ausgelassen, als sie sich auf den Weg den Berg hinauf machten. Doch mich lies das Gefühl einfach nicht los und ich sah mich aufmerksam um. Als ich nichts entdeckte, folgte ich den vieren.

Nicht mal einen Meter kam ich voran, bevor ich umgeworfen, am Fußgelenk gepackt und über den Boden Richtung Wald gezogen wurde. Ein lauter Schrei entglitt mir und ich konnte kaum etwas sehen. Dreck und kleine Steine wurden durch die Geschwindigkeit, mit der ich gezogen wurde, vom Boden aufgewirbelt und landeten in meinen Augen. Ich hörte Rhaka und Mari nach mir rufen, doch ich konnte nichts sehen. Panisch fuchtelte ich mit Armen und Beinen umher und versuchte mich von dem Griff zu lösen, doch die Nägel der Hand bohrten sich tief in mein Fleisch und ich japste schmerzerfüllt auf. Ich hörte schnelle Schritte auf mich zukommen und Maris Stimme, die mir befahl, mich loszureißen, doch es half nichts. In Windeseile war ich im Wald und alles in mir schrie sofort zu flüchten. Ich wollte hier nicht sein – ich durfte hier nicht sein!

Wieder versuchte ich mich mit all meiner Kraft zu wehren. Als die Schritte von Mari und den anderen nicht mehr zu hören waren, wurde ich noch panischer und rieb mir den Dreck aus den Augen. Ich riss meine Augen auf und versuchte zu erkennen, was mich am Bein gepackt hatte, doch es war nichts Genaues zu erkennen. Eine Art schwarzer Nebel hatte mein Gelenk fest im Griff und zog mich mit sich über den toten Boden immer tiefer in den Wald hinein. Panisch schrie ich, schrie nach Rhaka, Mari, Finnian – sogar Kellan. Doch ich hörte sie nicht.

Als ich verstand, dass sie mir nicht helfen könnten, regte sich etwas in mir. Eine Hitze versuchte von innen nach außen zu kommen. Mir wurde heiß und kalt zugleich und im nächsten Moment fühlte sich mein Körper an, als würde ich in Flammen stehen. Ein Schrei so laut, dass ich mich selbst erschrak, entglitt mir und plötzlich ließ die Hand mich los.

Ich blieb mitten auf einer Lichtung liegen und sah mich angsterfüllt nach der Nebelgestalt um. Als ich sie nicht sehen konnte, sprang ich auf meine Füße und rannte so schnell ich konnte in die Richtung, aus der ich kam. Nichts konnte mich aufhalten, obwohl ich spüren konnte, dass sich etwas hinter mir befand.

Meine Augen waren voll von Tränen und ich sah den Boden nur verschwommen, kein Wunder, dass ich im nächsten Moment über eine Wurzel stolperte und auf dem harten Boden landete. Sofort rappelte ich mich auf, meine Beine zitterten ängstlich und die Hitze in mir war noch lange nicht vorüber. Ich rannte weiter, bis ich plötzlich etwas Hartem entgegen lief. Als es mich packte, schrie ich und wollte wegrennen, doch es hielt mich fest und wollte mich nicht loslassen. Ich hörte meinen Namen und hielt sofort inne. Kellan hielt mich an meinen Armen fest und sah mich ernsthaft besorgt an. „Gwenneth! Beruhige dich!", befahl er mit fester Stimme und ich atmete tief durch, bevor ich spürte, wie die Erleichterung in mir aufkam und die Tränen nur so liefen. Wie im Wahn umarmte ich ihn und weinte einfach. Egal wie wenig ich ihn mochte, in diesem Moment war er meine Rettung und ich war froh ihn zu sehen.

Ein paar Sekunden später hatte ich mich beruhigt und ich ließ von ihm ab. Erst als ich zwei Schritte zurück trat, hatte ich den Mut ihn anzuschauen und die Verwirrung war ihm auf die Stirn geschrieben. „Geht es dir gut?" ich nickte nur, unsicher was ich sagen sollte. „Was zum Teufel war das für ein Ding? Und warum wollte es dich?" Sein ernster und drängender Ton überraschte mich und ich sah ihn mit großen Augen an. Daraufhin trat er einen großen Schritt zurück. „Deine Augen..." „Meine Augen?", fragte ich irritiert und wischte mir eine Träne von der Wange. „Sie sind... goldfarben." Entgeistert starrte ich ihn an. „Was?!"

Hinter Kellan näherten sich Schritte und ich sah Rhaka, Mari und Finnian auf uns zu rennen. Sie blieben neben Kellan und mir stehen und sahen zwischen uns hin und her. „Ist alles in O-", fing Rhaka an und entdeckte scheinbar meine Augen. „Gwenneth deine Augen..." „Wie ein Bad aus purem Gold...", fügte Marigold hinzu und alle starrten mich verwirrt an.

„Was ist passiert? Was war das für ein schwarzer Nebel?", fragte Finnian nach einer Weile unangenehmen Schweigens und Starrens. „Ich habe keine Ahnung. Aber wir sollten hier auf keinen Fall länger bleiben. Wir müssen aus diesem Wald raus.", gab ich wieder und deutete in die Richtung, aus der sie gerannt kamen. „Wir sollten da lang zurück, wo wir herkamen. So schnell wie möglich." „Was meinst du? Wieso müssen wir hier weg?" Finnian wirkte sichtlich irritiert von meinen Worten und ich sah ihn bedeutsam an. „Erinnerst du dich an den Abend, an dem ihr mich nach dem ersten Angriff gefunden hattet? Ich war dort das erste Mal in diesem Wald. Er war tot und ist es immer noch. Je länger wir hier bleiben, desto schwerer wird es hier heraus zukommen." Die vier starrten sich untereinander an, bis sie nickten und wir uns beeilten den Weg zurückzugehen.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now