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Ein leises Flüstern weckte mich an diesem Morgen. Ich verstand nicht was es sagte, doch ich hörte es deutlich. Langsam öffnete ich die Augen und sah mich um, doch es war niemand da. Nur das Buch lag offen neben mir auf dem Nachttisch und zeigte die Stelle, an der ich gestern aufgehört hatte zu lesen. Seufzend stand ich auf und machte mich fertig für einen Besuch bei der Gräfin. Mit einer anständigen Hochsteckfrisur und einem langärmligen dunkelroten Kleid aus Wolle machte ich mich wieder einmal auf den Weg zur Gräfin, die mit meinem Besuch alle zwei bis drei Tage bereits rechnete.

Ich suchte mir erneut ein paar der schönsten alten und neuen Töpferwaren aus ihrem Lager aus, unterhielt mich noch eine Weile bei einem Tee mit ihr und verabschiedete mich dann höflich von ihr, bevor ich diesmal gleich mit dem Boten auf der Transportkutsche zum Markt fuhr. Gerade als wir durch das Tor fuhren, hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden und sah mich unauffällig um. Als ich nichts erkennen konnte, ignorierte ich das Gefühl und genoss die wenn auch kurze Fahrt hinunter zum Marktplatz.

Der Bote, dessen Name ich immer wieder vergaß, half mir netterweise die Waren auf dem Tisch zu platzieren, bevor er sich verabschiedete und wieder verschwand. Das Gefühl beobachtet zu werden, konnte ich die Fahrt über vergessen, doch nun saß ich an meinem Verkaufstisch und in mir rief etwas, dass ich mich umdrehen sollte.

Ohne weiter darüber nachzudenken riss ich den Kopf herum und hinter mir – war nichts.

Kopfschüttelnd drehte ich mich wieder zum Tisch und erschrak plötzlich so heftig, dass ich mich verschluckte. Vor mir stand der Mann im schwarzen Mantel und neben ihm der Mann mit den saftgrünen Augen. Hustend versuchte ich Luft zu holen und sah die beiden durch meine Tränen hindurch an. Als ich mich beruhigte sah ich beide interessiert an. „Wie kann ich helfen?" fragte ich und konnte nicht anders als beide von oben bis unten zu begutachten.

Der Mann im schwarzen Mantel hatte eine eher schmächtige lange Figur mit wenigen Muskeln und trug edle Stiefel aus schwarzem Leder. Der Mann mit den saftgrünen Augen hingegen war groß und breit gebaut. Er war sicher einen halben Kopf größer als sein Begleiter und mehr als einen größer als ich. Sein ernster Blick wirkte angestrengt und er sah sich aufmerksam in der Gegend um. Sein wirres dunkelbraunes Haar reichte ihm bis unter sein Kinn und sein Bart war sicher seit 2 Wochen nicht mehr gestutzt worden. Von seinem linken Wangenknochen bis hinunter zu seinem linken Mundwinkel zog sich eine schlechtgenähte Narbe und von seiner rechten Stirnseite über seine Augenbraue bis unter sein rechtes Auge eine weitere Narbe mit unsauberen Rändern. Beide schienen älter zu sein und sie ließen ihn aussehen wie jemand, der bereits viel durchgemacht hatte.

Als die grünen Augen mich skeptisch anfunkelten, löste ich mich aus meiner Trance und richtete den Blick wieder auf den Kapuzenmann. „Das sind wirklich schöne Töpfereiwerke, die Sie hier verkaufen." Sagte dieser und ich nickte. „Haben Sie die gemacht?" „Nein, mein Herr, das war die Gräfin Rheya Raewyn. Sie hat eine Leidenschaft für die Töpferei." Nachdenklich nickte er und nahm eine der Tassen in die Hand, um sie sich etwas genauer anzusehen. „Kennt ihr die Gräfin näher?" fragte er schließlich nach einer Weile und ich sah ihn irritiert an. „Entschuldigung, aber ich weiß nicht, wieso ich euch das beantworten sollte." Wieder nickte er und stellte die Tasse darauf hin wieder ab.

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