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Auf dem Weg Richtung Ausgang, hörte ich ein leises Räuspern und drehte mich verwirrt um. In einem Türrahmen stand Rhaka und deutete mir mit einem Handzeichen zu ihr zu kommen. Langsam trat ich näher und wurde im nächsten Moment durch die Tür ins Zimmer gezogen.

Ich liebte Rhakas großes und helles Zimmer. Alles war cremefarben – die Wände, die Möbel, sogar die meisten Bücher in ihrem Bücherregal. Die Comtesse leitete mich zu ihrer Chaiselongue, die direkt am großen Bogenfenster stand, durch das man perfekt den Blick auf den großen gepflegten Garten hatte. Wir setzten uns und ich sah Rhaka neugierig an. Ihre hellen Augen sahen mich neugierig an und ich wusste genau, was sie mich fragen wollte. „Sag mir Gwen, gibt es etwas Neues draußen in der Welt? Irgendetwas von dem du mir noch nicht erzählt hast?" „Leider ist alles wie immer, Rhaka. Die Menschen leben ihre Leben und die Natur wächst und gedeiht. Es tut mir leid, dass ich dir keine Neuigkeiten von Draußen erzählen kann." Rhaka nickte enttäuscht. Aufmunternd lächelnd sah ich sie an und erzählte ihr ein weiteres Mal von der Schönheit der Natur, wie ich sie empfand. Die Freiheit, die man spüren konnte, wenn man die frische Luft im Wald einatmete, oder die verschiedenen Gefühle, die die Gerüche von Blumen, Gras und den Menschen in mir hervorriefen. Einfach alles was ich wusste und empfand gab ich an Rhaka weiter. Mit jedem Wort, das ich sprach, sah ich ihre Augen größer werden und leuchten. Es war als würde ich ihr von einer Begegnung mit der Königin erzählen.

„Das hört sich wundervoll an. Wie gerne ich einfach durch die Tür spazieren würde. Bitte Gwen, kannst du mir nächstes Mal wieder eine dieser wunderschönen Blumen mitbringen? Wie hießen sie noch gleich? Narzissen?" Lächelnd nicke ich. „Ich schaue mal was ich finden kann, es gibt noch so viele andere schöne Blumen. Ich bringe dir etwas Besonderes mit, ja?" Rhaka lächelte dankend. Ich verabschiedete mich von ihr und machte mich dann wieder auf den Weg zum Marktplatz, um die neuen Waren zu verkaufen.

Den ganzen Abend lang hatte ich überlegt, was ich Rhaka mitbringen könnte. Es sollte etwas Besonderes sein, aber was nur? Ich machte etwas früher Schluss mit dem Verkauf und ging in den Grätenwald, um nach einer besonderen Pflanze Ausschau zu halten. Ich suchte sicherlich drei Stunden lang. Die Sonne war bereits untergegangen und ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Ich beschloss also nach Hause zugehen und morgen weiterzusuchen, als ich plötzlich ein rosa Licht in der Ferne entdeckte. Neugierig ging ich darauf zu und spürte plötzlich eine angenehme Wärme in mir. Je näher ich kam desto angenehmer wurde es und ich begann eine Melodie zu hören. Sie war ganz leise, doch sie betörte mich, machte mich glücklich. Kaum drei Meter vor mir entdeckte ich eine rosafarbene Blume, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte lange dünne Blütenblätter, die locker herabhingen. In der Mitte befanden sich ein Stempel und mehrere Staubblätter wie bei einer Lilie, doch diese waren nicht braun oder gelb, sondern lila, in Harmonie mit den rosafarbenen Blütenblättern. Der Blütenkelch war etwas breiter, um die große Anzahl der Blätter zu halten und der Blütenstiel war lang. Der Duft der Blume war unbeschreiblich. Es war eine Mischung aus fruchtig und frisch und auch etwas Herbem, doch ich konnte es nicht zuordnen. Vorsichtig strich ich über die unglaublich weichen Blütenblätter und beschloss diese Blume Rhaka zu schenken. Nicht nur weil sie so unglaublich schön und ungewöhnlich war, sondern auch weil ich das Gefühl hatte, dass die Blume selbst mich darum bat. Als wäre sie nur für Rhaka gewachsen.

Vorsichtig grub ich in die Erde um die Blume herum und hob sie heraus. Behutsam legte ich sie in den Korb, den ich dabei hatte und machte mich auf den Weg nachhause. Zuhause pflanzte ich die Blume in einen Blumentopf, den ich in einem Schrank gefunden hatte und stellte sie auf den Küchentisch, bis ich sie beim nächsten Besuch im Grafenhaus Rhaka schenken würde.

Die ganze Nacht lang hatte ich die liebliche Melodie der Blume gehört und ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so gut geschlafen. Ich fühlte mich unendlich wohl und behütet, als würde mir nichts und niemand auf der Welt schaden können. Am Morgen wachte ich auf und mein erster Gedanke galt Rhaka. Ich wollte ihr die Blume so schnell wie möglich geben, also wusch ich mich, wickelte meine Haare zu einem Zopf zusammen und zog mein schönstes Kleid in einem samtigen Weinrot an, bevor ich die Blume in einen großen Korb stellte und vorsichtig ein Tuch darüber legte. Den ganzen Weg bis zum Grafenhaus summte ich das liebliche Lied der Blume und fühlte mich einfach wohl.

Überrascht über meinen Besuch zwei Tage hintereinander, grüßte mich Rheya mit einem breiten Lächeln. Ich sagte ihr, dass ich hier sei, weil ich ein Geschenk für Rhaka hatte, und sie führte mich zu ihrem Zimmer. Rhaka war ganz aufgeregt, als sie mich in ihr Zimmer ließ. Rheya verschwand wieder und ich setzte mich wie gestern mit Rhaka auf die Chaiselongue am großen Bogenfenster.

Sachte holte ich die Blume im Topf hervor und reichte sie Rhaka. Ihre Augen wurden riesig und sie nahm mir aufgeregt die Blume ab. „Sie ist wunderschön." Sagte sie breitgrinsend und begutachtete die außergewöhnliche Blume in ihren Händen. „Vielen Dank, Gwen." Ich lächelte sie zufrieden an. „Sehr gerne. Als ich sie gefunden habe, hatte ich das Gefühl sie sei nur für dich gewachsen. Sie ist etwas ganz Besonderes, genau wie du." Dankend umarmte mich Rhaka und stellte die Blume auf ihrem Nachttisch ab. Ich hörte die Melodie der Blume leise und glücklich, als würde sie endlich zuhause sein.

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Natures HeritageWhere stories live. Discover now